Stadt und Leute

Ausgabe Nr. 40 • 02. Oktober 2002



Nahmen die neue Hochlastfaulung (im Hintergrund) offiziell in Betrieb (von links): die Bürgermeister Horst Althoff und Dieter Mörlein, Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle, Oberbürgermeisterin Beate Weber, Erster Bürgermeister Prof. Dr. Raban von der Malsburg und Ulrich Zwissler.
(Foto: Pfeifer)
„Kein Grund sich auszuruhen“
Abwasserzweckverband feierte 25-jähriges Bestehen – „Heidelberger Verfahren“ offiziell eingeweiht

„Heidelberg, die Umweltstadt par excellence, hat natürlich auch einen Abwasserzweckverband, der diesen hohen Anspruch erfüllt.“ Mit diesem Lob überbrachte Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle ihre Glückwünsche zum 25-jährigen Bestehen des Abwasserzweckverbands (AZV) Heidelberg.

Der AZV feierte sein Jubiläum in einem Festzelt im
Klärwerk Süd, wo AZV-Geschäftsführer Ulrich Zwissler zahlreiche Gäste begrüßte: neben Regierungspräsidentin und Oberbürgermeisterin auch die Bürgermeister der anderen AZV-Mitgliedsgemeinden, Horst Althoff (Neckargemünd), Dieter Mörlein (Eppelheim) und Hans Lorenz (Dossenheim), die früheren Verbandsvorsitzenden Dr. Karl Korz und Prof. Dr. Joachim Schultis sowie viele weitere Fachleute aus dem Bereich Stadtentwässerung.

Eine intakte Umwelt sei lebensnotwendig, würdigte die Regierungspräsidentin die Bedeutung der vom Abwasserzweckverband geleisteten Arbeit, die bei der Aufsichtsbehörde uneingeschränkte Anerkennung finde. Den Verantwortlichen des AZV versicherte Gerlinde Hämmerle: „Das Regierungspräsidium steht an Ihrer Seite.“

Oberbürgermeisterin Beate Weber bescheinigte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des AZV großes Engagement und hohe Motivation. Sie erinnerte an die Entwicklung des „Heidelberger Modells“, das im Klärwerk Nord bauliche Investitionen für mehr als 35 Millionen Euro einsparte. Die Notwendigkeit einer wirksamen Abwasserreinigung belegte sie mit dem Hinweis, dass „die Menschen am Niederrhein Wasser trinken, das schon sieben Mal durch andere Menschen hindurch gegangen ist“.

„Wasser ist kein Abfall, sondern ein Lebensmittel“, betonte auch der Verbandsvorsitzende, Erster Bürgermeister Prof. Dr. Raban von der Malsburg. „Ende der 1960er Jahre war der Neckar eine Kloake“, blickte er zurück. Obwohl seit dem viel getan wurde, gebe es keinen Grund sich auszuruhen.

In den 1920er Jahren wurde am Wieblinger Neckarufer die erste Heidelberger Kläranlage gebaut. In sie floss auch das Abwasser aus Eppelheim und später aus Neckargemünd. Nach dem Bau des Dükers unter dem Neckar wurde seit 1964 auch Abwasser von der anderen Seite des Flusses – auch aus Dossenheim – in die Anlage geleitet. 1977 gründeten die vier genannten Kommunen den AZV Heidelberg, der seit 1983 das heutige Klärwerk beiderseits des Neckars betreibt.

Ein wichtiges Jubiläumsgeschenk machte der AZV sich selbst und setzte als Höhepunkt seiner Festveranstaltung die neue – als „Heidelberger Verfahren“ patentierte – Anlage zur Klärschlamm-Hochlastfaulung offiziell in Gang. Zuvor hatte Prof. Dr. Walter Trösch von der Fraunhofer-Gesellschaft Stuttgart dieses Verfahren, das die Gewinnung von Biogas steigert und beschleunigt und die Menge des zu entsorgenden Klärschlamms wesentlich verringert, erläutert: Die Erweiterung um eine Mikrofiltration ermögliche später auch die Rückgewinnung von Stickstoff. (br.)

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Bei „artspace“ konnte man seine Geschicklichkeit und Kreativität unter anderem im Holzschnitzen ausprobieren. (Foto: Rothe)

Schlummernde Talente wecken

Ungewöhnlicher Schulstart für Schüler des Berufsvorbereitungsjahrs: das „BVJ-intro artspace“

Rund eine Woche lang, vom 11. bis 17. September, war die Wiese am Haus am Harbigweg offenes Klassenzimmer mit ungewöhnlichem Unterrichtsstoff. Rund 120 Schülerinnen und Schüler des Berufsvorbereitungsjahres (BVJ) konnten dort unter Anleitung von Künstlern ihre kreativen und handwerklichen Talente entdecken.

Angeboten wurden Kurse in Theatermalerei, Fotografieren, Theater, Trommeln, Holzschnitzerei und Steinbildhauerei, Gesang, Internetgestaltung, Schwarzlichttheater und das Projekt „Kettenreaktion“. Beispielsweise bastelten sich beim Fotokurs die Teilnehmer unter anderem eine Kamera aus einem Schuhkarton, beim Internetkurs wurde eine Homepage entworfen, beim Theatermalkurs wurden Motive in Postkartenformat auf große Leinwände vergrößert und beim Schwarzlichttheater kurze Stücke eingeübt. Am Ende des BVJ-intro stand eine Präsentation der Ergebnisse: die Schülerinnen und Schüler trommelten, tanzten, spielten Theater und zeigten mit dem Eigenbau geschossene Fotos, Holzschnitz- oder Steinmetzarbeiten. Und bei der „Kettenreaktion“ löste ein einmal angestoßener Tennisball eine ganze Folge von Reaktionen aus bis zum großen Finale, bei dem die ganze Konstruktion in Rauch verschwand. Der Bau war beeindruckend, allerdings klappte die Kettenreaktion leider nur teilweise.

Veranstalter war die Beratungseinrichtung Jobfit, die seit 1999 Schüler im Berufsvorbereitungsjahr dabei unterstützt, nach dem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz zu erhalten oder auf eine weiterführende Schule zu gelangen. Mit dem neuartigen Projekt sollte, so Geschäftsführer Wolfgang Gallfuß, ein positiver Start in den häufig negativ besetzten Schulalltag erfolgen. Die Schülerinnen der Marie-Baum-Schule und die Schüler der Johannes-Gutenberg-Schule konnten feststellen, dass Lernen auch Spaß macht und dass sie mehr können als sie bisher glaubten.

Offensichtlich kam das BVJ-intro bei den Jugendlichen an, denn die Teilnehmerzahlen stiegen in der Woche, berichtete Lutz Schäfer, Schauspieler und Percussionist und einer der Kursleiter. Er lobte auch die Lehrerinnen und Lehrer der beiden Schulen, die sehr engagiert mitgemacht hätten und ihre Kreativität und ihr Geschick ausprobiert hätten. Im November 2002 wird eine zweite Projektwoche stattfinden, in der im engeren Sinne die berufliche Orientierung Thema sein wird.

Das Bvj-intro wurde gefördert durch die Europäische Union, die Stadt Heidelberg, das Land Baden-Württemberg, die Heidelberger Cement AG, von den sozialen Unternehmen Werkstatt gGmbh, IFA gGmbH und die Heidelberger Dienste gGmbH sowie vom Stadtjugendring Heidelberg.
BVJ
Das Berufsvorbereitungsjahr absolvieren Jugendliche, die nach ihrem (Haupt)-Schulabschluss keinen Ausbildungsplatz bekommen haben. In dieser Zeit sollen sie auf die Arbeitswelt vorbereitet werden. Die Beratungsagentur Jobfit unterstützt die Jugendlichen dabei: Zusammenstellen von Bewerbungsunterlagen, Telefontraining, Vorstellungsgespräche werden, in Zusammenarbeit mit den Lehrern, geübt. Zudem erhalten die Schülerinnen und Schüler Einzelbetreuung, regelmäßige Beratungen und Hilfe bei der Suche nach Betriebspraktika. (neu)

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Schnell und genau gezählt

Kreiswahlausschuss stellte endgültiges Wahlergebnis im Wahlkreis 275 fest

Der Kreiswahlausschuss hat am Mittwoch, 25. September, unter Vorsitz der Kreiswahlleiterin, Oberbürgermeisterin Beate Weber, das endgültige Ergebnis der Bundestagswahl vom 22.September im Wahlkreis 275 Heidelberg festgestellt. Die Bekanntmachung des Wahlergebnisses steht auf Seite 8 dieser Ausgabe.

Der Wahlkreis 275 Heidelberg umfasst neben Heidelberg auch Dossenheim, Edingen-Neckarhausen, Eppelheim, Heddesheim, Hemsbach, Hirschberg, Ilvesheim, Ladenburg, Laudenbach, Schriesheim und Weinheim. Die Überprüfung der Wahlniederschriften aller 335 Wahlvorstände durch die Wahldienststelle des Bürgeramts ergab, dass die Helferinnen und Helfer in den Stimmbezirken am Wahlsonntag nicht nur schnell (gegen 21 Uhr lag das vorläufige Endergebnis vor), sondern auch genau gezählt hatten: Das endgültige Wahlkreisergebnis weicht vom vorläufigen nur unwesentlich ab.

Damit konnte der Kreiswahlausschuss auch formell feststellen, „dass der Bewerber Lothar Binding, SPD, im Wahlkreis 275 Heidelberg gewählt ist“.

Oberbürgermeisterin Beate Weber nahm die Sitzung zum Anlass, allen an der Vorbereitung und Durchführung der Wahl Beteiligten zu danken: den fast 2.500 Wahlhelferinnen und Wahlhelfern in den Stimmbezirken ebenso wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Wahldienststelle.

Besonderen Dank sagte sie dem Amt für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Heidelberg, das am Wahlabend bei einer öffentlichen Wahlpräsentation im Heidelberger Rathaus sowie im Internet ständig über die eingehenden Ergebnisse aus den Stimmbezirken informierte. In diesem Zusammenhang bleibt nachzutragen, dass die vom STADTBLATT in der vergangen Woche auf Seite 4 veröffentlichen Ergebnistabellen ebenfalls vom Amt für Stadtentwicklung und Statistik zusammen gestellt wurden.

Bedauerlich nannte die Kreiswahlleiterin die hohe Zahl der Nichtwähler: Im Wahlkreis sind 33.937 Wahlberechtigte nicht zur Wahl gegangen. Einige Wähler/innen haben ihre Stimmzettel benutzt, um Kritik und Unwillen zu äußern. Auf solchen – dadurch ungültigen – Stimmzetteln standen Bemerkungen wie „schlechte Muppetshow“ oder „Zweitstimme für die D-Mark“, „Stimme für niemand“, „keine Stimme den Kriegsparteien“ oder gar „es lebe Stalin“.

Zufrieden zeigte sich Beate Weber darüber, dass wieder vier Bundestagsabgeordnete den Wahlkreis Heidelberg repräsentieren: „Es ist gut, Ansprechpartner in allen Parteien zu haben.“ (br.)

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Zwei Mal täglich verlassen die rund 40 Milchkühe von Rainer Treiber ihren Stall und stapfen zur Melkanlage. (Foto: Rothe)

Milch aus Heidelberg

Rainer Treiber gehört zu den wenigen Landwirten, die noch Milchkühe in Heidelberg halten

Es gibt sie noch in Heidelberg, es werden aber immer weniger. 249 Milchkühe registrierte das Statistische Landesamt im Jahr 2001 auf städtischer Gemarkung, verteilt auf neun Höfe. Vor 23 Jahren, im Jahr 1979, führte die Statistik noch 345 Kühe auf, gab es über 30 Milchbauern.

Bei Landwirt Rainer Treiber stehen rund 40 Kühe in einem offenen Stall. Darin können sie sich frei bewegen, denn es gibt weder Boxen noch Ketten. Eingestreute Liegebereiche laden zum geruhsamen Wiederkäuen und Entspannen ein. „Die Kühe geben unter diesen Lebensverhältnissen mehr Milch, als wenn sie angebunden sind“, sagt Rainer Treiber. Zweimal täglich dürfen die Kühe auf den Landschadhöfen 1 auch raus. Morgens und abends trotten sie die rund 50 Meter von ihrem Stall zur Melkanlage, um dort im Schnitt über 20 Liter Milch pro Tag abzuliefern.

Rund 8.000 Liter Milch „produziert“ eine Kuh im Jahr. Landwirt Treiber kann also rund 300.000 Liter im Jahr verkaufen. Er liefert zu 100 Prozent an die Firma Danone im bayerischen Ochsenfurt. Knapp über 34 Cent inklusive Mehrwertsteuer bekommt er für den Liter Milch zurzeit. Das liegt über dem in Deutschland gezahlten Durchschnittspreis. Als er noch an die zwischenzeitlich Pleite gegangene Milchzentrale Mannheim lieferte, bekam Treiber weniger für seine Milch.

Damit die Kühe überhaupt Milch geben, müssen sie erst einmal kalben. In den vier bis sechs Wochen danach bringen sie ihre Höchstleistung. Um ihre Milchtagesleistung zu erbringen, vertilgen die Kühe rund 28 Kilo Futter. Mais- und Grassillage sowie das Heu stammen von eigenen Feldern, den Biertrester bezieht der Landwirt von einer Brauerei in der Region. Je nach persönlicher Milchleistung bekommt jede Kuh zudem eine bestimmte Menge rein pflanzliches Kraftfutter. Ein Transponder am Halsband bemisst exakt die individuelle tägliche Menge, wenn die Kuh am Kraftfutterstand frisst. Hat sie ihr persönliches Limit erreicht, rückt der Automat nichts mehr heraus.

Mit seinen 40 Holsteiner Kühen und 50 Hektar landwirtschaftlicher Fläche gehört Treiber zu den größeren Milchbauern in Heidelberg. Doch im nationalen Vergleich ist der Betrieb „mittel bis klein“, sagt Treiber. „Für die Zukunft ist mein Betrieb eigentlich nicht groß genug“, befürchtet der Landwirt. Schon heute kauft er Landmaschinen gemeinsam mit Nachbarn, um die Kosten möglichst gering zu halten. 70 Prozent des Umsatzes macht er mit den Milchkühen, den Rest bringt der Anbau von Zuckerrüben, Braugerste und Brauweizen.

Kühe in Heidelberg sieht man selten, auf der Weide sind sie eine Rarität. Zu Rainer Treibers Hof kommen häufig Kinder aus den Kindertagesstätten, um sich zu überzeugen, dass Kühe nicht lila sind. Gute Chancen, die Rindviecher beim Grasen im Freien zu beobachten, hat man nahe des Stifts Neuburg. Die Milchkühe der Benediktinermönche werden im Sommer noch jeden Morgen auf die Weide getrieben und abends in den Stall, jede Menge verräterischer Kuhfladen auf dem Stiftweg hinterlassend. Auch auf dem Bierhelder Hof kann man Rinder im Freien beobachten. Die geben aber keine Milch, sondern landen als Braten auf dem Teller. (neu)
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Stand: 02. Oktober 2002