Verkehr

Ausgabe Nr. 40 · 4. Oktober 2000



Für mehr Rücksicht auf die schwächsten Verkehrsteilnehmer/innen wirbt die Initiative "Kind & Verkehr", hier bei den Agenda-Tagen auf dem Neckarvorland (v. r.): Christine Pellatz-Rott, Sylvia Schneider mit Sohn Lukas, Gernot Hois und Hans-Jürgen Fuchs. (Foto: Pfeifer)

Leben und leben lassen

"Vorrang für Kinder" fordert die Initiative "Kind & Verkehr"


Über 300 Kinder sterben Jahr für Jahr auf Deutschlands Straßen. 46.000 werden verletzt - so viele, wie in keinem anderen Land Europas. Der Straßenverkehr ist in unserer Gesellschaft die größte Bedrohung für die körperliche Unversehrtheit von Kindern. Die "Initiative Kind & Verkehr", die sich im März dieses Jahres zusammengefunden hat, will dagegen etwas tun.

Sylvia Schneider aus Neuenheim gehört zu den Gründungsmitgliedern. Zum Problem, das Kinder und Eltern mit dem Straßenverkehr haben, meint sie: "Die Eltern stehen vor dem Dilemma. Die Kinder möchten ihre Wege selbst erobern, aber das geht in den meisten Fällen beim heutigen Straßenverkehr nicht." Wenn die Kinder um die zehn Jahre alt sind, wollen sie ihren Aktionsradius erweitern und in andere Stadtteile gehen. Dazu nehmen sie häufig das Fahrrad und sind damit besonders gefährdet.

Bestimmte Stellen darf ihr Sohn Lukas deshalb mit dem Rad nicht allein befahren, zum Beispiel die Speyerer Straße. Auch die Brückenstraße hält Sylvia Schneider nicht für kindgerecht und meint: "Die Situation muss durch eine gute Planung entschärft werden." Wichtig seien hier vor allem Radwege und eine Ampel an der Haltestelle Schröderstraße. "Ältere Kinder und auch alte Menschen machen den Umweg zur nächsten Fußgängerampel nicht."

Dass manche Eltern ihre Kinder überall mit dem Auto hinbringen, hält sie nicht für die richtige Lösung. Sie und die anderen Mitglieder der Initiative wollen die Kinder dazu erziehen, dass sie als Erwachsene nicht so viel Auto fahren. Voraussetzung dafür sei aber eine entsprechende Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer.

Auch Gernot Hois wünscht sich, dass der mit dem Verkehrsentwicklungsplan von 1994 eingeschlagene Weg zum Nutzen der schwächeren Verkehrsteilnehmer/innen weiter fortgesetzt wird: "Wir haben in Heidelberg bisher kein durchgehendes Radverkehrsnetz", bemängelt er.

Ramona Ambs sieht ein Defizit darin, dass nach dem Führerschein nie mehr eine Nachschulung erfolgt: "Die meisten Verkehrsteilnehmer wissen gar nicht, dass Kinder in ihrer Sichtweise eingeschränkt sind." Aufklärung ist der Gruppe deshalb ein wichtiges Anliegen: "Thema muss sein, wie die Verkehrsteilnehmer auf dem engen Raum miteinander auskommen." (rie)
   
 

Film und VHS-Kurs

  Die "Initiative Kind & Verkehr" zeigt am Montag, 9. Oktober, um 20 Uhr in der Volkshochschule den Film "Leben und leben lassen" zum Thema kindliche Wahrnehmung und Verhaltensweise von Kindern im Straßenverkehr.
Ab Montag, 23. Oktober, gibt es in der Volkshochschule dazu einen Vertiefungskurs mit Prof. Dr. Lissy Jäkel, der am 6. und 20. November fortgesetzt wird. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Die Initiative ist zu erreichen über Telefon 25678 (Sylvia Schneider) oder 315979 (Gernot Hois).

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Tempo-30-Zonen erhalten

Oberbürgermeisterin Beate Weber will Nachbesserungen bei der StVO-Novellierung


In einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt hat Oberbürgermeisterin Beate Weber sich dafür eingesetzt, die Einrichtung von Tempo-30-Zonen möglichst schnell neu zu regeln.

Grundsätzlich sei zu begrüßen, heißt es in der Stellungnahme, dass die Kommunen künftig größere Spielräume bei der Anordnung von Tempo-30-Zonen haben sollten. Allerdings sollten einige geplante Maßnahmen noch einmal daraufhin überprüft werden, ob sie das anvisierte Ziel wirklich erreichen können. Falls die Neuregelung wie geplant in Kraft trete, so die Oberbürgermeisterin, "würde dies für viele Städte und Gemeinden einen Rückfall in bereits überwunden geglaubte Zeiten bedeuten".

"Nicht nur für Heidelberg würde dann nämlich gelten, dass viele Tempo-30-Zonen nicht erhalten werden könnten. Und das nach teilweise mehr als eineinhalb Jahrzehnten positiver Erfahrungen, bei großer Akzeptanz in der Bevölkerung und einem - auch in den Unfallzahlen sichtbaren - merklichen Zugewinn für die Verkehrssicherheit. Die daneben noch weiter bestehende Möglichkeit der Einrichtung von Streckenverboten würde die mit der Reduzierung der 30er Zonen einhergehenden Nachteile nicht ausgleichen können."

Oberbürgermeisterin Weber spricht sich insbesondere dagegen aus, dass für die Anordnung von Tempo 30 grundsätzlich die Vorfahrtsregelung "rechts vor links", das Fehlen von Ampeln, Fahrbahnmarkierungen und Leitlinien sowie das Fehlen von benutzungspflichtigen Radwegen verlangt werden soll. "Warum sollen beispielsweise vor einer Schule oder einem Kindergarten 50 km/h gefahren werden dürfen, wenn zur Verbesserung der Querungsmöglichkeiten der Kinder eine signalisierte Fußgängerfurt angelegt ist?", fragt die Oberbürgermeisterin.

Sollte die Bundesregierung dennoch an der Neuregelung in der bisher vorgesehenen Form festhalten wollen, müsse zumindest eine "Altfallregelung" in die Bestimmungen aufgenommen werden, um den vielen Kommunen, die wie Heidelberg über langjährige positive Erfahrungen mit der bisherigen Regelung verfügen, die Beibehaltung bestehender Tempo-30-Zonen zu ermöglichen.

Durchschriften gingen an Bundesumweltminister Jürgen Trittin, den Deutschen Städtetag sowie die Heidelberger Bundestagsabgeordneten.

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Stand: 2. Oktober 2000