Stadt und Leute

Ausgabe Nr. 35 · 30. August 2000



Refa Wafi aus Afghanistan (rechts) ist Inhaber eines Heidelberger Modegeschäfts und bildet aus. Im September beginnt Alexandra Betzl bei ihm eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Links der Ausländerratsvorsitzende Memet Kiliç. (Foto: Rothe)

Ausländer als Ausbilder

Ausländische Selbständige schaffen Ausbildungsplätze - auch für Deutsche


Vom "Gastarbeiter" zum Unternehmer: 293.000 ausländische Selbständige gibt es gegenwärtig in Deutschland. Sie haben den Status einer "Nischenökonomie" längst verlassen. Zunehmend mehr ausländische Selbständige bieten auch Ausbildungsplätze an. Einen von ihnen, den Kaufmann Refa Wafi aus Afghanistan, stellte der Heidelberger Ausländerratsvorsitzende Memet Kiliç jetzt der Presse vor.

Wafi ist Inhaber mehrerer Modeboutiquen im Rhein-Neckar-Dreieck, eine davon befindet sich an der Kurfürsten-Anlage im "Carré". Er kam 1981 nach Deutschland, eröffnete 1994 sein erstes Geschäft und unterhält seit 1998 eine Filiale in Heidelberg. Die Firma, die sich auf italienische Mode spezialisiert hat, bildet seit zwei Jahren aus. "Ich möchte jungen Menschen eine Zukunft geben", sagt Refa Wafi.

In Heidelberg hat kürzlich Alexandra Betzl bei ihm einen Ausbildungsvertrag unterschrieben. In drei Jahren wird sie Einzelhandelskauffrau sein. Bis dahin will Wafi sie so weit gebracht haben, dass sie eine seiner Filialen leiten kann. Sie soll deshalb unter anderem ein Praktikum in Italien machen. Alexandra, die unter mehreren Bewerberinnen ausgewählt wurde, zu ihrer Berufswahl: "Ich interessiere mich sehr für Mode, möchte mich in diesem Bereich weiterbilden und mag es, mit Menschen zu tun zu haben."

Mit dem Projekt "Ausländische Selbständige bilden aus" sind Ausländerrat und Arbeitsamt gemeinsam bemüht, möglichst viele derjenigen, die Ausbildungsplätze anbieten können, dazu zu bewegen, es tatsächlich zu tun. Wer eine zur Ausbildung berechtigende Qualifikation noch nicht hat, kann sie im Rahmen eines dreimonatigen Abendkurses erwerben. Die ausländischen Selbständigen tragen so zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit bei - "und das in einer Zeit, in der wir leider darüber diskutieren müssen, ob Ausländer uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen", so Kiliç.

"Das Potenzial ist da, man muss es nur nutzen", unterstreicht der Ausländerratsvorsitzende. Wer sich entschließt, einen Azubi zu nehmen, darf mit einem Zuschuss des Arbeitsamtes rechnen. Memet Kiliç würde es sehr begrüßen, wenn, wie in Großbritannien, auch bei uns Berater eingesetzt würden, die Firmen besuchen und ausländische Selbständige für die Problematik sensibilisieren. (rie)

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Hilfe für drei Großfamilien: Heidelberger Rotarier spendeten 60.000 Mark für den Wiederaufbau von drei Häusern im Kosovo-Dorf Bajraktari. (Foto: privat)

Hilfe beim Wiederaufbau

Ein Bericht aus dem Kosovo von Dr. Eckart von Bubnoff


Mit 60.000 Mark unterstützen die Stiftung Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg und der Rotary Club Heidelberg-Schloss drei von den Kriegsfolgen besonders betroffene Großfamilien im Kosovo. Der Betrag stammt aus einem Benefizkonzert der Heidelberger Sinfoniker in der Orthopädie, einer damit verknüpften Spendenaktion und aus dem Spendensäckel des Rotary-Clubs.

Der Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik und Initiator des Benefizkonzertes, Prof. Volker Ewerbeck, sowie Dr. Ulrich Zeitel und Dr. Eckart von Bubnoff vom Rotary Club reisten kürzlich ins Kosovo. Sie besuchten die drei Familien in dem Dorf Bajraktari und brachten ihnen die Schenkungsurkunden. Der Besuch sollte die persönliche Verbundenheit mit den kriegsgeschädigten Familien zum Ausdruck bringen. Die materielle Hilfe soll dazu beitragen, vor allem den Kindern Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Der Aufenthalt bot den deutschen Besuchern auch Gelegenheit, durch zahlreiche Gespräche und Besichtigungen unmittelbare Eindrücke von der Situation im Kosovo mitzunehmen, um sie in Deutschland weiter zu vermitteln.

Die Spende wird gezielt für den Wiederaufbau von drei zerstörten Anwesen in Bajraktari verwendet. Die Siedlung ist ein Ortsteil von Blace, das in einer vom Krieg besonders betroffenen Region liegt. Derzeit leben dort etwa 26 überwiegend bedürftige Familien.

Während des Krieges mussten die Bewohner für viele Monate in die Wälder flüchten und fanden bei der Rückkehr ihr Dorf weitgehend zerstört. Sie hausen derzeit in Zelten vor ihren zerbombten Häusern, in engen Ställen oder Ruinen, den kommenden Winter (bis minus 25 Grad) vor Augen. Der Dorfkern ist zwar minenfrei, aber rundherum sind noch Minen versteckt: eine große Gefahr für die Kinder.

Eine Wiederaufnahme der Landwirtschaft ist wegen der Minen nicht möglich. Die Dorfbewohner sind von Schrecken und Entbehrungen gezeichnet. Trotz körperlicher Schwächung sind sie zum Wiederaufbau entschlossen, aber - weil ohne Einkommen - auf Geld- und Materialspenden sowie den Transport der Baumaterialien in das schwer zugängliche Gebiet angewiesen. Bajraktari ist in keine Projektliste für Wiederaufbaumittel aufgenommen und erhält auch sonst keinerlei offizielle Unterstützung.

Die 60.000 Mark aus Heidelberg fließen in den Wiederaufbau von drei eingeschossigen Häusern. Koordiniert und betreut wird das Projekt auf Wunsch der Familien durch deutsche KFOR-Soldaten der Multinationalen Brigade Süd, die auch bei den Bauarbeiten Hilfe leisten. Kürzlich haben bulgarische, schweizerische und deutsche Soldaten einen Tiefbrunnen angelegt, um das Dorf auf Dauer wieder bewohnbar zu machen.

Die Multinationale KFOR-Brigade Süd leistet, so der Eindruck der Besucher, mit bewundernswertem Engagement vorbildliche Arbeit. Neben Wahrnehmung der Sicherheits- und Ordnungsbelange sorgt die Truppe für den Aufbau einer funktionierenden Verwaltung, sichert die Versorgung mit Wasser und Strom, kümmert sich um die Lösung zahlloser logistischer Probleme, um Straßenbau und Wiederaufbau und um den Umweltschutz sowie um viele andere Projekte als Hilfe zur Selbsthilfe. Das deutsche Kontingent der KFOR ist auch wegen seines freundlichen Umgangs bei der Bevölkerung sehr beliebt.

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Heidelberger Feriensommer in der Backstube: Die Nachwuchsbäckerinnen Judith Martel (li.) und Christine Genthner mit geformten Teiglingen. (Foto: Rothe)

Süße Teile aus Kinderhand

Der Bäcker hatte die Feriensommer-Kinder in die Backstube gerufen


Ferienpass-Kinder können einiges erleben. Wer sich das Programm des diesjährigen Feriensommers einmal näher angeschaut hat, wird feststellen, dass sich die Kinder- und Jugendförderung der Stadt Heidelberg auch in diesem Jahr viel Mühe gemacht hat, um bei den daheim gebliebenen Kindern in den Sommerferien keine Langeweile aufkommen zu lassen.

Vergangene Woche waren 14 Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren beispielsweise in der Mahlzahn-Bäckerei in der Gaisbergstraße. Dort konnten sie, unter Anleitung von Bäcker Ingmar de Jongste, selbst einmal die süßen Mürbs, Brezeln und Strietzel herstellen. Ausgestattet mit weißen Bäckerschürzen, machten sich die Nachwuchsbäcker an die Arbeit.

Zuerst mussten sie den Hefeteig in eine Maschine geben. Die zauberte aus dem Teigfladen viele kleine Bälle, mit denen man nun seine ganz persönlichen Mürbs und Strietzel formen konnte. Da entstanden beispielsweise Schlangen, Schnecken und Schmetterlinge, aber auch abstrakte Entwürfe waren zu entdecken. Ingmar de Jongste zeigte den Kleinen, wie man Brezeln dreht oder einen kleinen Zopf, eine so genannte "Luise" herstellt. Das ganze Mürbssortiment wurde noch mit Rosinen verziert und landete dann auf riesigen Backblechen, die fast die Größe einzelner Nachwuchsbäcker erreichten.

Danach gab es noch ein Ratespiel. Bei dem mussten die Kinder die einzelnen Getreidesorten aus biologischem Anbau erkennen. Selbstverständlich durften sie am Ende des Nachmittags ihre gebackenen Werke mit nach Hause nehmen.

Feriensommer kommt an
Der Besuch in der Bäckerei Mahlzahn ist eines der 63 Angebote, unter denen Kinder auswählen konnten, die den Heidelberger Ferienpass für 20 Mark erstanden haben. Astrid Stephany von der Kinder- und Jugendförderung zieht eine äußerst positive vorläufige Bilanz: von den etwa 1430 zu vergebenden Plätzen sind über 1300 gebucht worden. Die Kinder und Jugendlichen hätten mehr Veranstaltungen als in den Jahren zuvor belegt, denn die Zahl der verkauften Ferienpässe blieb ungefähr gleich. Renner waren unter anderem der Besuch beim Tigerentenclub, "Gipsverband & Röntgenbild - Was passiert im Krankenhaus?" und der Zauberworkshop mit Didi Saxer. Auch der Aktionstag im Polizeirevier Altstadt am 2. September ist schon ausgebucht. Noch Plätze frei sind bei den "Geschichten von Städtern, Bauern und allerlei Getier", die Dirk Nowakowski am 1. September im Kurpfälzischen Museum erzählen wird. Ebenfalls mit meist bis zu 60 Kindern und Jugendlichen besucht waren die offenen Angebote in den Stadtteilen, an denen man auch ohne Ferienpass teilnehmen konnte. (neu)

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Stand: 29. August 2000