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Ausgabe Nr. 33 · 14. August 2002



Die "XXI. Weltspiele der Gelähmten / International Stoke Mandeville Games" fanden vom 1. bis 10. August 1972 in Heidelberg statt. (Foto: Stadtarchiv)




Erinnerung an die Heidelberger Paralympics von 1972 und Gedankenaustausch zum Thema Behindertensport bei Oberbürgermeisterin Beate Weber: (v. r.) Hennes Lübbering, Begründer des Rollstuhlrugbys in Heidelberg, mehrfacher deutscher Meister, Organisator des Rollstuhlmarathons, Teilnehmer der Weltspiele 1972; Jörg Schmekel, hauptamtlicher Geschäftsführer der Weltspiele in Heidelberg; Susanne Roemelt, SG Kirchheim, "Mutter" des Rollstuhlbasketballs in Heidelberg; Jürgen Geider, Vorsitzender des Heidelberger Rollstuhltennisclubs, mehrfacher deutscher Meister und Teilnehmer an Paralympics. (Foto: Rothe)

Vor 30 Jahren: Paralympics

Heidelberg sprang für München ein - Behinderten-Olympiade mit über 1.000 Teilnehmern aus 41 Ländern


Im Jahr der Olympischen Sommerspiele von München fanden die Paralympics - damals noch unter dem Namen "XXI. Weltspiele der Gelähmten / International Stoke Mandeville Games" - vom 1. bis zum 10. August 1972 in Heidelberg statt. Aus diesem Anlass empfing Oberbürgermeisterin Weber am 1. August Teilnehmer der Weltspiele und Aktive des Behindertensports.

Eigentlich war vorgesehen, die Paralympics im Anschluss an die Olympischen Sommerspiele in München stattfinden zu lassen. Aber München wollte das Olympische Dorf nach den Spielen zumachen und in private Apartments umwandeln. Eine Möglichkeit, die erwarteten über tausend Teilnehmer/innen anderweitig unterzubringen, sah man nicht.

Damit bekam Heidelberg seine Chance. Mit den Räumlichkeiten des Berufsförderungswerks, den Sportanlagen der Universität und dem gerade neu errichteten Bundesleistungszentrum stand die für ein solches sportliches Großereignis notwendige Infrastruktur zur Verfügung. Die Organisation der Weltspiele in Heidelberg übernahm der Deutsche Versehrtensportverband.

In logistischer Hinsicht waren die Weltspiele eine ungeheure Herausforderung, wie Jörg Schmekel, damals hauptamtlicher Geschäftsführer der Weltspiele, berichtete. Über 700 Rollstuhlsportler mussten am Frankfurter Flughafen abgeholt werden. Täglich waren rund 2.000 Personen von den Unterkünften zu den Sportstätten und zurück zu transportieren, was nur mit großen amerikanischen Militärbussen zu bewältigen war.

Bundespräsident Gustav Heinemann als Schirmherr eröffnete die Spiele am 2. August unter dem Beifall der Athleten, der Betreuer und der rund 5.000 Zuschauer im Sportstadion der Universität. In folgenden Disziplinen wurde danach um den Sieg gekämpft: Bogenschießen, Diskuswerfen, Kugelstoßen, Speerwerfen, Speerzielwurf, Rollstuhlslalom, Rollstuhlzeitfahren, Schwimmen, Tischtennis, Fechten, Gewichtheben, Bowls (eine Art Boccia), Snooker (Lochbillard) und Basketball. Bei der großen Abschlussfeier traten Dunja Rajter und die Les Humphries Singers im Zelt auf dem Gelände des Berufsförderungswerks auf.

Dass sich das sportliche Großereignis jährt, darauf hatte der damalige Oberbürgermeister Reinhold Zundel beim diesjährigen "Schaufenster des Sports" am 21. Juli hingewiesen. "Ich freue mich, dass Reinhold Zundel mich darauf aufmerksam gemacht hat", sagte Oberbürgermeisterin Beate Weber beim Empfang für die Leistungssportler im Prinz Carl, an dem neben den Sportlern Hennes Lübbering, Jörg Schmekel, Susanne Roemelt und Jürgen Geider auch der Sportkreisvorsitzende Gerhard Schäfer und Gert Bartmann vom Sport- und Bäderamt der Stadt teilnahmen.

Die Oberbürgermeisterin erinnerte an die lange Tradition des Behindertensports in Heidelberg, der nicht nur das Selbstbewusstsein der Aktiven gefördert, sondern auch der technischen Entwicklung Auftrieb gegeben hat. Die längste Rollstuhlfahrdisziplin 1972 waren 100 Meter, die damals noch in Alltagsrollis zurückgelegt wurden, wie die Teilnehmer berichteten.

Heute seien Rollstuhlfahrer in ihren Rennrollis nur noch auf kurzen Distanzen den Läufern unterlegen, ab 400 Metern dagegen schneller. Möglich gemacht hat die Leistungsexplosion innerhalb weniger Jahrzehnte eine rasante Weiterentwicklung auf technischem Gebiet, die nicht nur das Sport-, sondern ebenso das Alltagsgerät deutlich verbessert hat.

"1.000 Kämpfer, 1.000 Sieger" ist der Titel eines nach den Weltspielen erschienenen beeindruckenden Farbbildbandes, in dem die sportlichen Leistungen, die bewegenden Momente und die logistischen Glanzleistungen jener zehn Tage im August für die Nachwelt festgehalten sind. (rie)
   

Paralympics

Anfang der vierziger Jahre errichtete Professor Ludwig Guttmann in Stoke Mandeville, einer kleinen Stadt nordwestlich von London, ein nationales Zentrum zur Behandlung von Querschnittgelähmten. Guttmann, der als Vater der modernen Querschnittgelähmtenbehandlung gilt, erkannte die entscheidende therapeutische Bedeutung einer regelmäßigen sportlichen Betätigung. Daraus entwickelte sich der Leistungssport, der seine organisierte Form in den "Stoke Mandeville Games" fand. Diese Spiele wurden 1948 zum ersten Mal ausgetragen. Seit 1960 fanden sie im Austragungsland der Olympischen Spiele statt, 1968 wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen allerdings nicht in Mexiko City, sondern in Tel Aviv. Info: www.paralympic.org.

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Stand: 13. August 2002