Thema der Woche

Ausgabe Nr. 31 · 2. August 2000



Blumen und Buchpräsente gab es zum Abschied vom Gemeinderat in der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 26. Juli. Erster Bürgermeister Prof. Dr. Joachim B. Schultis mit Stadträtin Irmtraud Spinnler und Stadtrat Dr. Hubert Laschitza. (Foto: Welker)






Zur Erinnerung an die Vielzahl von Bauprojekten, die gemeinsam auf den Weg gebracht wurden, überreichte Oberbürgermeisterin Beate Weber dem scheidenden Baudezernenten Prof. Dr. Joachim B. Schultis den Spaten, der beim ersten Spatenstich für den Erweiterungsbau der Johannes-Gutenberg-Schule zum Einsatz kam. (Foto: Remelius)

Bilanz: "Positiv!"

Prof. Dr. Joachim B. Schultis blickt auf seine achtjährige Tätigkeit als Erster Bürgermeister der Stadt Heidelberg zurück


Aus gesundheitlichen Gründen ist Prof. Dr. Joachim B. Schultis nach Ablauf einer Amtsperiode als Erster Beigeordneter der Stadt Heidelberg zum 31. Juli 2000 aus dem Dienst ausgeschieden. Acht Jahre lang war er Stellvertreter von Oberbürgermeisterin Beate Weber und stand dem Dezernat II mit den Bereichen Bauen, Liegenschaften und Sport vor. In einem Gespräch, das die STADTBLATT-Redakteure Dr. Bert-Olaf Rieck und Eberhard Neudert-Becker Ende Juli mit Professor Schultis führten, zog der scheidende Baudezernent Bilanz.

STADTBLATT: Wenige Tage vor dem Ende Ihrer Amtszeit lautet die erste Frage natürlich: Wie fällt die Bilanz aus?

Professor Schultis: Positiv! Wobei für mich selber interessant ist, dass mir eigentlich erst durch die verschiedenen Abschiedsreden wieder bewusst wird, was wir in den acht Jahren gemeinsam bewältigt haben. Wenn jetzt Bilanz gezogen wird, ist das ja nicht nur meine: Ich war vielleicht in gewissem Sinne Motor, aber letztendlich ist das alles eine gemeinsame Arbeit. Auf der einen Seite, dass mir die Oberbürgermeisterin und der Gemeinderat das notwendige Vertrauen gaben, die Dinge anzupacken, und zum anderen, dass natürlich auch eine Schar von Kolleg/innen, Mitarbeiter/innen da sind, mit denen man das Ganze ins Werk setzen konnte.

STADTBLATT: Welche Projekte sind da insbesondere zu nennen?

Professor Schultis: Die ersten Taten waren der Umbau des Tiergartenschwimmbades und die Sanierung des Köpfelbades. Andere Projekte sind das Gesellschaftshaus Pfaffengrund, die Turnhalle Handschuhsheim, 14 Kindertagesstätten, Schulsanierungen, Feuerwehrgerätehäuser, für den Straßenbau beispielhaft die Schlierbacher Landstraße, eine Vielzahl von Radwegen und anderes. Da ist sehr viel passiert.
Mein Herzensanliegen war der Wohnungsbau. So hat die GGH in dieser Zeit über 550 Wohnungen gebaut, nicht gerechnet die 200, die bei der Glockengießerei im Bau sind. Andere Dinge, die mir von meinem Innersten her ein Anliegen waren, sind soziale Gerechtigkeit und sozialer Friede in dieser Stadt. Deswegen war die Einführung des Mietspiegels wichtig, sowie Rechtssicherheit zu schaffen im Bauplanungsrecht. In meiner Amtszeit wurden 31 Bebauungspläne fertiggestellt. Viele weitere sind auf den Weg gebracht, so dass sie in absehbarer Zeit Rechtskraft erlangen können. Und ich wollte den Teil der Stadt schützen, der in aller Welt als Inbegriff Heidelbergs gilt, die Schlossbergkulisse bis nach Schlierbach und die Altstadt - deshalb die Gesamtanlagenschutzsatzung.
 
"Ich habe mein Handeln immer unter der Maxime gesehen,
dass ich Christ bin."
 
STADTBLATT: Gibt es auch Punkte, wo Sie gern weiter gekommen wären?

Professor Schultis: Natürlich. Beispielhaft möchte ich die Straßenbahn nach Kirchheim nennen. Ich habe da insgeheim gehofft, in meiner Amtszeit noch den ersten Spatenstich machen zu können. Und ich hätte gern die Realisierung des Neckarufertunnels gesehen, weniger wegen der Verkehrs-Verbesserung als aus städtebaulicher Sicht.

STADTBLATT: Welches Gebäude aus Ihrer Amtszeit halten sie für besonders erwähnenswert?

Professor Schultis: Als ich hierher kam, sollte das Marienhaus abgerissen werden. Und nichts hat mich mehr gefreut, ...

STADTBLATT: ... als die Pleite von Dr. Schneider?

Professor Schultis: ... dass es damit gelungen ist, das Rad noch einmal zurückzudrehen. Wir sehen, welches Schmuckstück heute das Marienhaus ist - und welcher Verlust es wäre. Von den städtischen Neubauten sind die preisgekrönte Turnhalle der Tiefburgschule zu nennen und das Gesellschaftshaus Pfaffengrund. Von privater Seite natürlich die Print Media Academy (PMA), die ich mir gerne etwas filigraner gewünscht hätte. Aber damit zeigt man schon, dass es auch ein anderes Heidelberg gibt als die historische Altstadt.

STADTBLATT: Rund um den Bahnhof ist eine Menge in Bewegung gekommen!

Professor Schultis: Die Ansätze, die man jetzt gemacht hat mit dem venezianischen Professor Burelli, zeigen, dass hier die städtebauliche Diskussion einen Schritt weitergekommen ist. Ich hoffe, dass man das auch entsprechend umsetzen kann. Die Stadt Heidelberg steht vor neuen großen städtebaulichen Herausforderungen. Da ist zum ersten das Umfeld des Hauptbahnhofes, das einer neuen, nein, eigentlich überhaupt einer Gestaltung bedarf. Aber das ist nur der erste Baustein. Der zweite liegt jenseits der Gleisanlagen im Bereich dessen, was wir als Bahninsel oder Bahnstadt bezeichnen. Dort liegt das Entwicklungspotenzial Heidelbergs für die kommenden Jahrzehnte. Durch die frei werdenden Gleisflächen steht dort ein Flächenpotenzial zur Verfügung, das Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet, die auf Grund der Beengtheit anderswo so nicht vorhanden sind.
 
"Ich bin ein starker Befürworter der Straßenbahn."
   
  STADTBLATT: Welche Projekte halten Sie im Sinne des "Suchet der Stadt Bestes" für vordringlich, von welchen würden Sie eher abraten?

Professor Schultis: Ich gebe ein klares Bekenntnis ab in Richtung ÖPNV: Als Nutzer ist mir der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ein besonderes Anliegen. Hier sind in den letzten Jahren durch die HSB und den VRN erhebliche Erfolge zu verzeichnen. Aber was fehlt, ist ein weiterer Ausbau des Straßenbahnnetzes. Ich bin ein starker Befürworter der Straßenbahn - nach Kirchheim, aber - ich sage das ganz bewusst - auch darüber hinaus. Denn wir müssen die Menschen, die hier ihre Arbeitsplätze haben, aber aufgrund unserer Grundstücks- und Mietsituation gezwungen sind, ins Umland zu ziehen, dort abholen, wo sie leben. Es zeigt sich deutlich, dass wir deshalb die Straßenbahn nicht in Kirchheim enden lassen können. Vielleicht war es ein Fehler, dass wir die Überlegungen zu lange auf diesen Teilbereich konzentriert haben. Ganz wichtig sind auch die Strecken ins Neuenheimer Feld und in die Altstadt. Ich halte es allerdings nicht für sinnvoll, wieder durch die Hauptstraße zu fahren.

Was ich nicht möchte? Von der 5. Neckarquerung halte ich nichts. Ich habe das mit Studenten mehrfach in Planspielen analysiert. Viele, die von der 5. Neckarquerung reden, wissen nicht, was sie für Konsequenzen hat. Denn sie kann sicher nicht dazu dienen, nur die Parkplätze im Neuenheimer Feld zu erschließen. Letztlich wäre es ein Autobahnzubringer von der Berliner Straße zum Rittel. Und die Auswirkungen, die der für das Neuenheimer Feld hätte, sehe ich nicht als besonders positiv an. Egal ob Tunnel oder Brücke, das wäre ein massiver Eingriff.

STADTBLATT: Kommen wir abschließend noch ein wenig zum Persönlichen. Man hat den Eindruck, dass Sie ungeachtet jeglicher Parteizugehörigkeit aus einer zutiefst moralischen Position agieren.

Professor Schultis: Ich habe mein Handeln immer unter der Maxime gesehen, dass ich Christ bin, mich zu diesem Christentum bekenne und im Anderen immer den Nächsten sehe. Da hat mich sicher meine Mutter in ihrem politischen und gesellschaftlichen Handeln sehr geprägt. Ich habe immer versucht, Position zu beziehen. Wir waren zum Beispiel in Nagold aktiv in der Nachrüstungsdebatte. Petra Kelly und Gerd Bastian haben mir damals ein Telegramm geschickt, weil ich beim Ostermarsch gesprochen habe. Das war schon ein Novum, dass ein CDU-OB sich so pointiert äußert.
   
  "Von der 5. Neckarquerung halte ich nichts."
   
  STADTBLATT: Für die Zeit "danach" haben Sie sicher noch einiges vor?

Professor Schultis: Ich lehre seit dreißig Jahren in Tübingen und habe seit 1993 eine zweite Honorarprofessur in Heidelberg. Ich habe darüber hinaus zu meiner eigenen Überraschung festgestellt, wie viele Funktionen ich habe, die weiter laufen: Abwasserzweckverband, Denkmalstiftung Baden-Württemberg, Redaktionsbeirat der Zeitschrift "Die alte Stadt", Kriegsgräberfürsorge und andere. Und dann bin ich auch verheiratet. Die Kinder sind zwar weitgehend aus dem Haus, aber ich bin auch Großvater von drei Enkeln. Denen und meiner Frau möchte ich mich verstärkt widmen.

STADTBLATT: Als Bürger bleiben Sie uns erhalten?

Professor Schultis:
Wir haben uns in Heidelberg gut eingelebt und bleiben gern hier.

  Zum Seitenanfang
  Zur Inhaltsangabe STADTBLATT



Copyright © Stadt Heidelberg 1999, All Rights Reserved
Stand: 1. August 2000