Kultur

Ausgabe Nr. 29 · 21. Juli 1999



Heidelbergs zukünftiger Intendant Günther Beelitz
Heidelbergs zukünftiger Intendant Günther Beelitz im STADTBLATT-Gespräch

"Wagemutig bin ich noch immer"

Er ist vom Sommer 2000 an Heidelbergs neuer Theaterintendant: Günther Beelitz (60), derzeit noch Generalintendant am Nationaltheater Weimar, bringt an den Neckar jede Menge Ideen für Schauspiel, Tanz, Schlossfestspiele und spartenübergreifendes Theater mit. Welche das sind, verriet der 60-jährige Theaterprofi im Gespräch mit dem STADTBLATT.

STADTBLATT: Herr Beelitz, in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 17. Mai war schwarz auf weiß zu lesen, wie sich die Heidelberger ihren Intendanten vorstellen: jung sollte er sein (zumindest im Kopf), lebhaft, dynamisch, intellektuell und konfliktfähig, wagemutig und voller Phantasie. Jetzt haben Sie das Wort...

Beelitz: Das alles nehme ich gerne für mich in Anspruch. Allerdings sollte man in dem Maße, in dem man konfliktfähig ist, auch konsensfähig bleiben. Wagemutig bin ich noch immer. Und ich berste vor Phantasie. Deswegen fühle ich mich auch nicht so alt wie ich bin. Ich habe noch so viel Tatkraft, dass mich Heidelberg und seine Herausforderungen reizen. Es gibt aber auch einen sentimentalen Grund: Goethe war achtmal in Heidelberg. Ich war jetzt sieben Jahre lang in der Goethestadt Weimar. Und Goethe hat von Heidelberg gesagt, die Stadt habe etwas Ideales. Ich will zumindest überprüfen, ob das richtig ist...

STADTBLATT: Im Sommer 2000 verabschieden Sie sich aus Weimar, um die Leitung des Heidelberger Theaters zu übernehmen. Mit welchen neuen Konzepten kommen Sie nach Heidelberg?

Beelitz: Ich will dem Heidelberger Theater keine Konzepte überstülpen, sondern sie aus einem "Tatbestand" heraus entwickeln. Die Zahlen zeigen, dass beispielsweise das Schauspiel deutlich abgesackt ist. Von diesem äußeren Anlass her muss man nun überlegen, woran das liegt. Erreicht es nicht mehr die richtigen Leute? Ist es möglicherweise zu elitär, zu intellektuell oder zu spröde? Aus solchen Überlegungen entstehen erst Konzepte. Sicher kann ich eines sagen: Das Schauspiel-Ensemble ist - so wie es sich jetzt präsentiert - zu klein. Das muss sich ändern. Ich glaube, dass man in Heidelberg mindestens 16 Schauspieler mit festem Engagement benötigt, um nicht nur auf Gäste angewiesen zu sein und um dem Ensemblegedanken als dem zentralen Gedanken wieder zu neuem Renommee und Glanz zu verhelfen. Beim Operntheater gilt es, bestimmte Spielplanbereiche, die bisher kaum berücksichtigt wurden, zu verstärken. Was ich auf alle Fälle möchte, ist, dass ein Haus, das eine solche Nähe der Sparten untereinander hat, auch bei Projekten zusammenarbeitet - spartenübergreifend. Das stärkt das Gemeinschaftsgefühl und die Identität des Hauses.

STADTBLATT: Stichwort: Tanztheater, die Sparte, über die in der Stadt am meisten diskutiert wird. Sehen Sie eine Zukunft für den Tanz in Heidelberg?


Beelitz: Der Tanz ist in den letzten Jahrzehnten eine der wichtigsten, aber auch eine der gefährdetsten Kunstsparten geworden. Es ist die Sparte, die man am leichtesten mit einem Strich heraustrennen kann, ohne dass der Körper grundsätzlich beschädigt wird. Deswegen geschieht das leider auch so entsetzlich oft wie jetzt in den neuen Bundesländern, in Leipzig, in Cottbus und vielen anderen Städten. Ich habe immer sehr auf den Tanz gesetzt und weiß, dass er eine der aufregendsten neuen Kunstrichtungen ist und insbesondere junges Publikum anlockt. Die bisherige Truppenstärke des Heidelberger Tanztheaters reicht aus, um sie für hochwertiges Tanztheater zu nutzen. Ich bin - nach meinen Erfahrungen mit Joachim Schlömer und Ismael Ivo - ganz sicher, dass das Publikum sich einer derartigen Qualität nicht verschließt. Im Gegenteil: In Weimar konnten wir die Zuschauerzahlen im Tanztheater von 3.000 auf 19.000 steigern. Was die Fusionsdebatte mit anderen Häusern angeht, habe ich eine feste Position: ohne Not sollte man nicht fusionieren, denn wenn man es erst einmal beim Tanztheater probiert, dann besteht die Gefahr, dass man es bei anderen Sparten ebenfalls versuchen wird. Das wäre der Tod des Heidelberger Theaters - und den fände ich doch sehr beklagenswert. Angesichts der Tradition des Hauses und seiner Geschichte sollte man unbedingt die Eigenständigkeit behaupten.

STADTBLATT: Die Heidelberger Schlossfestspiele sind in den letzten Jahren von Kritik nicht verschont geblieben. Allenthalben ist von Neukonzeption die Rede....

Beelitz: Es gibt meines Erachtens für die Schlossfestspiele nur zwei Möglichkeiten: Entweder löst man die Schlossfestspiele ganz heraus aus dem Theater und überantwortet sie einem Theaterwirtschaftsunternehmen. Dann werden die Student-"Prinze" blühen. Man sollte sich dann aber auch fragen: Ist es das was Heidelberg repräsentiert? Ich habe nichts gegen den "Student Prince", dennoch denke ich, dass das Schloss und seine Gartenanlage grandiose Orte sind, mit einer Unzahl möglicher Aufführungsstätten für die unterschiedlichsten Ensembles. Meines Erachtens sollte die politische Entscheidung die sein, die Schlossfestspiele zu einer genuinen Aufgabe des Heidelberger Theaters zu machen. Das hätte zur Folge, dass die Heidelberger ihr Theater wieder bewusster wahrnehmen würden. Deshalb sollten bei den Schlossfestspielen alle Sparten des Hauses beteiligt sein: Tanz, Oper, Schauspiel... Wenn ein solches Modell der Schlossfestspiele sich durchsetzte, wäre das der wichtigste Schritt hin zu einer Identität Heidelbergs mit seinem Theater und seinen Besuchern. In solch schwierigen Theaterzeiten wie heute muss man Festspiele so eng wie möglich ans Theater anbinden, Erfurt hat das beispielhaft mit seinen Domfestspielen gezeigt. Das alles braucht aber auch politische Unterstützung und ich werde mich gerne so rasch wie möglich auch beim für das Schloss zuständige Ministerium in Stuttgart darum bemühen, dass die unendlichen Vorschriften, Verordnungen etc., sich für ein solches Kunstereignis ein wenig ausforsten lassen. Das ist mir an anderen Orten gelungen...

STADTBLATT: Wie stehtís mit dem in Heidelberg doch sehr erfolgreichen Forum junger Autoren, dem "Stückemarkt"?

Beelitz: Das ist mein persönliches Steckenpferd: Junge Autoren haben mich als Theaterverleger immer besonders gereizt. Ich war der erste Verleger von Franz Xaver Kroetz, auch der erste von Peter Turrini und vielen heute fast schon modernen Klassikern. Düsseldorf wurde unter meiner Regie "Theater des Jahres" aufgrund der zeitgenössischen Spielplangestaltung, in München habe ich die "Autorenwerkstatt" besonders gepflegt. Der Stückemarkt ist daher ein Projekt, das nicht nur mich besonders anspricht, sondern auch eine neue Theaterbesuchergeneration.

STADTBLATT: Thema Spielstätten: Können Sie sich vorstellen in Heidelberg auch mal "außer Haus" zu gehen?

Beelitz: Ich denke, dass man in Heidelberg unbedingt die Studio-Vorstellungen stärken muss - an welchem Ort auch immer. Die Theaterferne der jungen Generation hängt damit zusammen, dass sie das so genannte Bildungstheater nicht primär schätzt - damit sind die jungen Leute in der Schule ja auch überfüttert worden - aber "ihr" Erlebnistheater schon besuchen würde, wenn es das denn gäbe. In Heidelberg braucht man vor allem einen Raum, wo alternatives, innovatives, zeitgemäßes Theater gefördert wird. (eu)
     
 

Zur Person

  Günther Beelitz wurde 1938 in Berlin geboren. Nach Verlagskaufmann- und Buchhändlerlehre, Studium und Schauspielschule war er unter anderem von 1969 bis 1971 Künstlerischer Direktor des Generalintendanten des Düsseldorfer Schauspielhauses, von 1971 bis 1976 Intendant am Staatstheater in Darmstadt, von 1976 bis 1986 Generalintendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, von 1986 bis 1993 Staatsintendant des Bayerischen Staatsschauspiels München. Seit 1994 ist Beelitz Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters und der Staatskapelle Weimar.

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Stand: 20. Juli 1999