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Ausgabe Nr. 29 · 19. Juli 2000 |
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Straßenbahn - die bessere Alternative |
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ÖPNV-Verbandschef Dr.-Ing. Dieter Ludwig: "Doppelt so viele Fahrgäste" Die Straßenbahn ist groß im Kommen: In Frankreich, in Großbritannien, in Irland hat die Tram in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt - neue Linien fahren in Paris, Montpellier, Grenoble, Nantes, Straßburg, Manchester, Sheffield und Dublin. Auch in Deutschland setzen Städte wie Karlsruhe, Mannheim, Heilbronn, Freiburg, Würzburg, Augsburg und Ulm im Westen oder Chemnitz, Erfurt, Halle im Osten auf die Straßenbahn als Verkehrsmittel der Zukunft. Und Heidelberg? Straßenbahnen für Heidelberg - Anschluss an die Zukunft" war der Titel einer Veranstaltung, zu der Oberbürgermeisterin Beate Weber und der Technische Vorstand der Heidelberger Straßen- und Bergbahn AG (HSB), Heino Hobbie, in die Kirchheimer Turnhalle am Kerweplatz eingeladen hatten. Prominenter Referent war der bundesweit führende Nahverkehrs-Experte Dr.-Ing. Dieter Ludwig, Geschäftsführer des Karlsruher Verkehrsverbundes und der überaus erfolgreichen Verkehrsbetriebe Karlsruhe sowie langjähriger Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen. "Es geht heute um die grundsätzliche Frage, wann Straßenbahn, wann Bus", unterstrich die Oberbürgermeisterin zu Beginn. Es gibt nicht das Verkehrsmittel, betonte Dr. Ludwig - jedes öffentliche Verkehrsmittel, vom Ruftaxi über den Intercity bis zum Flugzeug, hat seinen Einsatzbereich. Die Straßenbahn ist im Nahverkehr das Verkehrsmittel der Wahl, wo auf einer Strecke pro Tag mindestens 3.000 bis 5.000 Menschen fahren wollen. "Es ist völlig unstreitig", so Dr. Ludwig, "dass die Straßenbahn effektiver ist - sie ist das kostengünstigere Verkehrsmittel und sie hat die größere Akzeptanz." Bis zu 50.000 Menschen pro Tag können auf einer Straßenbahnlinie befördert werden. Je dichter eine Linie befahren wird, desto wirtschaftlicher ist der Betrieb. Für die Linie nach Kirchheim mit der Verlängerung nach Sandhausen bezifferte der ÖPNV-Experte den erreichbaren Kostendeckungsgrad auf 90 Prozent. Karlsruhe hat im innerstädtischen Verkehr - nach einem ehrgeizigen Ausbauprogramm des Schienennetzes - einen Kostendeckungsgrad von 86 Prozent erreicht (Heidelberg: 50 Prozent). Mit der Schiene ist ein öffentlicher Nahverkehr möglich, der sich nahezu selbst trägt. Das Teure am ÖPNV sind nicht die Fahrzeuge, sondern das Personal. HSB-Vorstand Heino Hobbie rechnete vor, dass 120 Straßenbahnfahrer in Heidelberg täglich 50.000 Menschen befördern. Für weitere 50.000, die mit dem Bus fahren, sind doppelt so viele nötig, nämlich 240 Fahrer. |
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"Sobald die Bahn gebaut ist, verstummt die Kritik schlagartig." | |
Schienen kosten natürlich Geld. Aber hier hilft der Staat kräftig mit. Nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) - "ein deutsches Gesetz, um das uns alle Welt beneidet" (Ludwig) - trägt der Bund 60 Prozent, das Land 25 Prozent. Nur 15 Prozent muss die Stadt selbst aufbringen, "die aber hinterher wieder reinkommen". "Ich bin der größte Investor in meiner Stadt", betonte Ludwig. Beliebt ist er deshalb nicht nur bei Baufirmen, sondern auch bei Hausbesitzern, weil der Wert von Immobilien durch Schienenanschluss um bis zu fünfzig Prozent steigt. An drei Linien gleichzeitig baut Karlsruhe zur Zeit. Die GVFG-Mittel werden durch die Kraftfahrzeugsteuer - auch der Heidelberger Autofahrer - erbracht und müssen zweckgebunden verwendet werden. "Sie können nur entscheiden", wandte sich Ludwig an die Kommunalpolitiker, "ob das Geld in Heidelberg, Stuttgart oder Karlsruhe ausgegeben wird. Wir in Karlsruhe verbauen gerade 250 Millionen Mark." Und: "Die Heidelberger sind bisher nicht gut weggekommen bei den ÖPNV-Fördertöpfen." Und woher rührt die größere Akzeptanz der Tram? "Es muss etwas in den Automobilisten sein, das ihnen das Busfahren verleidet", so Ludwig. In Bussen sitzen unter vier Prozent Autobesitzer, in der Straßenbahn 30 Prozent, in der Stadtbahn 40 Prozent, ergaben Karlsruher Untersuchungen. Der Umstieg ist möglich, aber nur mit der Schiene. "Überall wo wir den Bus durch die Straßenbahn ersetzt haben, haben wir doppelt so viele Fahrgäste", unterstrich der Chef der Karlsruher Verkehrsbetriebe. "Die Bauzeit ist schlimm, aber wir haben Methoden, sie möglichst kurz zu halten. Sobald die Bahn gebaut ist, verstummt die Kritik schlagartig. Man muss es nur mal wagen!" (rie) |
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Nur eine Pollerreihe trennt die Straßencafés auf der Place de la Comédie von der neuen Straßenbahn (hier bei einer Probefahrt). Die Haltestelle "Médiathèque d'Antigone Federico Fellini" wenige Tage vor der Inbetriebnahme. (Fotos: Rieck) |
Montpelliers "Tramway" ist auf dem Weg |
Die erste Straßenbahnlinie ist in Betrieb, bis 2008 sollen weitere zwei folgen Mit einem großen Fest in Blau und Weiß eröffnete Heidelbergs südfranzösische Partnerstadt Montpellier dieser Tage den Aufbruch in ein neues verkehrstechnisches Zeitalter. Die erste Linie der "Tramway", wie die Straßenbahn in Montpellier heißt, verläuft mitten durch die Innenstadt. Die Eröffnung von Montpelliers Straßenbahn wurde drei Tage lang gefeiert. Peter Picht, Mitarbeiter des Heidelberg-Hauses in Montpellier, schickte uns dazu den nachfolgenden Bericht: "Am Abend des 30. Juni konnten die Montpellieraner Bürger dem ersten Straßenbahnzug applaudieren, der auf die menschengefüllte Place de la Comédie einfuhr. Oberbürgermeister Georges Frêche, geistiger Vater der von den Designern Garouste und Bonetti gestalteten "Tramway", konnte damit ein ambitioniertes Verkehrsprojekt zu einem Etappenerfolg führen. Nachdem schon einmal bis in die fünfziger Jahre eine Straßenbahn in Montpellier existiert hatte, fiel 1995 die Entscheidung zum Bau einer ersten neuen Linie, mit deren Bau 1997 begonnen wurde. Zwei weitere Linien sollen in den Jahren 2004 und 2008 eingeweiht werden. Nach dem Vorbild der Städte Nantes und Straßburg hofft man auch in der Kapitale des Midi, dass die Straßenbahn in Zukunft das Busnetz entlasten und mehr Autoverkehr aus der Innenstadt fernhalten kann. Das ansprechende Äußere der Straßenbahnzüge mit ihren großzügigen Glasfenstern und den weißen Schwalben auf blauem Grund dürfte dabei ebenso zu einer breiten Akzeptanz beitragen wie der schnelle Takt, in dem sie in Zukunft von fünf Uhr morgens bis ein Uhr nachts verkehren. Die auch in den Bussen gültige Verbundkarte und die an den Endhaltestellen eingerichteten Autoparkplätze ermöglichen ein ganzheitliches Verkehrskonzept. Die Gelegenheit es zu erproben bot sich das ganze Wochenende über ñ drei Tage lang war die Benutzung der Straßenbahn kostenlos. Trotz allem, völlig harmonisch verlief die Eröffnungszeremonie nicht: eine Gruppe lautstarker Gegner der "Agglomeration", der Verschmelzung Montpelliers mit seinen Umlandgemeinden, brachte den vorgesehenen Ablauf gehörig durcheinander. Wegen Störungen, die von Seiten der Demonstranten befürchtet wurden, mussten die offiziellen Eröffnungsfeierlichkeiten vorgezogen werden und massive Polizeikräfte bahnten Oberbürgermeister Frêche bei seinem Bad in der Menge den Weg. Vom Feiern ließen sich die Bürgerinnen und Bürger Montpelliers dadurch nicht abhalten: die Markthändler der Stadt spendierten ein Buffet und bei beschwingten Salsa-Rhythmen wurde Montpelliers neue Schiene bis spät in die Nacht gefeiert." |
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