Kultur

Ausgabe Nr. 27 · 7. Juli 1999



Helmut Hein (Foto: privat)





"Carnevale - die italienische Reise des Dr. Faust" präsentieren die Schlossfestspiele am 6. und 10. August. (Foto: Zurbuchen)
25 Jahre Schlossfestspiele - ein STADTBLATT-Gespräch mit Festivalleiter Helmut Hein

"Da geht einem das Herz auf..."

Seit 1974 locken die Schlossfestspiele in ihrer jetzigen Form nicht nur das Heidelberger Publikum, sondern viele tausend in- und ausländische Touristen aufs Schloss. Auch 1999 bieten die Festspiele wieder vier Wochen lang Opern- und Festkonzerte vor romantischer Kulisse. Doch vor allem ihr "Zugpferd", der "Student Prince", steht im Jubiläumsjahr im Kreuzfeuer der Kritik. Ein Interview mit Festspielleiter Helmut Hein.

STADTBLATT: 25 Jahre Schlossfestspiele - das Jubiläumsjahr 1999 hat sicher ein paar Highlights zu bieten. Was empfiehlt Helmut Hein dem Festspielpublikum?

Hein: Zum einen das Eröffnungskonzert mit Opernarien, für die wir Sänger wie Rosina Bacher, Antonius Nicolesu und Helene Schneiderman gewinnen konnten. Ein zweiter Höhepunkt ist das Jubiläumskonzert am 14. August, das David Effron leitet. Und besonders freue ich mich auf das kleine, poesievolle Spektakel um Goethe "Carnevale", das mit Musik, Tanz und Akrobatik kürzlich bei seiner Uraufführung in Weimar das Publikum begeistert hat.

STADTBLATT: In den 20er- und 30er-Jahren schmückten sich die Heidelberger Festspiele mit Namen wie Heinrich George, Gustav Knuth, Will Quadflieg. Carl Zuckmayer hat in seinen Erinnerungen "Als wärís ein Stück von mir" vermerkt, dass die Festspiele "den Ruf einer ungewöhnlichen, progressiven Veranstaltung" erlangt hätten. Heute werfen Kritiker den Schlossfestspielen vor, dass sie nach ihrer "Wiederbelebung" im Jahre 1974 nie wieder an die Glanzzeiten von damals hätten anknüpfen können...

Hein: ...aber auch nicht schon nach einigen Jahren mit Glanz und Gloria untergingen! Uns fehlten eben anfangs prominente Förderer und Ansprechpartner. Die Schlossfestspiele hatten mit ihrem beschränkten Etat von Anfang an auch nie die Möglichkeit, die ganz großen Stars nach Heidelberg zu holen. Domingo kostet mich an einem Abend fast so viel wie eine ganze Opernproduktion. Die Kritiker, die sich heute zu Wort melden, hätten sich besser in der Vergangenheit für einen festspielgerechten Etat stark gemacht. Was wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Beine gestellt haben, war so gesehen verdammt gut.

STADTBLATT: Gerade das Zugpferd der Festspiele, der "Student Prince", ist in den letzten Jahren arg in die Kritik geraten. Für die einen ist die Operette nach dem Stück "Alt-Heidelberg" eine seichte Seifenoper, für die anderen ein nicht mehr aus Heidelberg wegzudenkendes Kult-Ereignis. Immerhin haben die Schlossfestspiele mit dem Student Prince 300.000 Besucher/innen aufs Schloss gelockt. Der Ruf nach einer Neukonzeption der Festspiele wird aber immer lauter. Was sagen Sie dazu?

Hein: Es wird gerne übersehen, dass der Student Prince weniger als ein Drittel unserer Vorstellungen ausmacht. Der überwiegende Teil der Aufführungen waren neben 30 Opern auch Konzerte und Schauspiele. Aber: Wenn der "Student Prince" qualitativ nicht gut wäre, hätte er sich nicht 25 Jahre gehalten. Wenn es ein Musical über die Bremer Stadtmusikanten gäbe, das solche Weltberühmheit erlangt hätte, dass die Stadt nicht im Krieg zerstört worden wäre, würde man dort auf Knien flehen, es spielen zu können. Der "Student Prince" ist in jedem Falle viel besser als die meisten Massenmusicals, die es jetzt gibt: er ist besser besetzt und hat in etwa die Qualität eines "Zarewitsch", der auf allen möglichen Bühnen gespielt wird, freilich, seine Neuinszenierung ist längst fällig. Die Konzeption der Schlossfestspiele war nicht verkehrt. Es fehlten vielmehr ein ordentlicher Etat und eine gute Festspiel-Infrastruktur, das heißt: Ruhe bei den Proben und Aufführungen, unterirdisch gelegte Leitungen, anständige Beleuchtungs- und Tonapparate, eine überdachte Tribüne...egal, ob die Schlossfestspiele ein Musikfestival bleiben oder - wie einst - zum Schauspielfestival werden sollen: 25 neue Konzepte nützen gar nichts, wenn nicht finanzielle Voraussetzungen geschaffen werden, künstlerischen Qualitätsansprüchen gerecht werden zu können.

STADTBLATT: Sie haben die Schlossfestspiele ein Vierteljahrhundert lang geleitet. Gibtís ein Ereignis, an das Sie sich am liebsten zurückerinnern?

Hein: Natürlich: Kurz vor unserer letzten "Rusalka", als mir meine Ehrenprofessur angekündigt wurde. Es gibt aber in jedem Jahr ein oder zwei Abende, die mich plötzlich packen: wenn die Dämmerung sinkt, die Schlossmauern zu leuchten beginnen und quasi eine Vorstellung von innen durchglühen - da geht einem das Herz auf...

STADTBLATT: Und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Hein: Zunächst konkrete Planungsmöglichkeiten für 2000. Langfristig: Die Aufstockung des so genannten Königsaals auf seine ursprüngliche Höhe und damit die Schaffung eines attraktiven Theater-Mehrzwecksaals im Heidelberger Schloss. (eu)
   
 

Schlossfestspiele vom 30.7. bis 28.8.

  Das Programm

Festkonzert
zum 25. Jubiläum der Schlossfestspiele, Opernarien und -ensembles (Fr 30.7., 20 Uhr, Schlosshof)

The Student Prince
Musikalische Romanze von Sigmund Romberg, in engl. Sprache (Sa 31.7., Sa 7.8, So 8.8., Fr 13.8., So 15.8., Sa 21.8., evtl. So 22.8., jew. 20 Uhr, Schlosshof)

Chateauphonie
Räumliche und historische Erkundung des Heidelberger Schlosses mit assoziativen Texten und atmosphärischen Klangerlebnissen (So 1.8., 20 Uhr, Schloss)

Klingendes Barock
Werke von Bach, Corrette, Vivaldi (Mi 4.8., 20 Uhr, Englischer Bau)

Carnevale
Die italienische Reise des Dr. Faust ñ ein Spektakel mit Musik, Tanz, Akrobatik und den Masken der Commedia dellíArte, in Deutsch und Italienisch (Fr 6.8. u. Di 10.8., 21 Uhr: Schlosshof)

Jazzkonzert
Hommage à Duke Ellington (Do 12.8., 21 Uhr, Kaiser-saal)

Jubiläumsklänge
Highlights aus Opern und Musicals (Sa 14.8., 20 Uhr, Schlosshof)

Soiree concertante
Werke von Mozart, Strawinsky, Ewazen (Do 19.8., 18 Uhr, Englischer Bau)

Traditionals
Chöre, Gospels, Spirituals von Bach bis Kingís Singers (Fr 20.8., 20 Uhr, Schlosshof)

Paradise Now
Eröffnungskonzert zur gleichnamigen Ausstellung im Schloss (Sa 28.8., 20 Uhr, Schlosshof)
     
  Informationen und Karten
- Konzertkasse, Theaterstraße 4, Telefon 58 35 21
- Reiseshop am Neckarmünzplatz, Telefon 60 27 60
- Tourist-Information am Schloss, Telefon 2 11 44
- Tourist-Information am Hauptbahnhof, Telefon 1 94 33
- Zigarren-Grimm am Bismarckplatz, Telefon 2 09 09
- Rhein-Neckar-Ticket-Service
- Karten & Tourismus Service, Telefon 0761/ 89 79 79 79
     
  Kombi-Ticket
Eintrittskarten gelten auch als Fahrausweis für VRN-Verkehrsmitte
   

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Stand: 6. Juli 1999