Thema der Woche

Ausgabe Nr. 27 · 4. Juli 2001



Diskutierten über die Verwaltungsreform (v. li.): Jürgen Heiß und Ludwig Fischer vom Personal- und Organisationsamt, OB Beate Weber und Professor Dr. Péter Horváth von der Universität Stuttgart. (Foto: Rothe)

Auf dem Weg zu mehr Effizienz und Service

270 Verwaltungsfachleute informierten sich über Modernisierungsprozess der Städte auf einer Tagung in Heidelberg


Nach der neuesten bundesweiten Umfrage des Deutschen Städtetages zum Thema Verwaltungsreform ist für 97 Prozent der Städte die Verbesserung der Effizienz und das Erreichen einer höheren Effektivität der Verwaltung das wichtigste Ziel des Reform- und Modernisierungsprozesses.

In Baden-Württemberg machen die Kommunen Ernst mit der Modernisierung der Verwaltung und sind damit bundesweit Vorreiter. Künftig wollen sich Städte und Gemeinden einem interkommunalen Wettbewerb stellen. Bei dem Leistungsvergleich stehen nicht nur reine Kostenbetrachtungen im Vordergrund, sondern auch qualitative Leistungsstandards, vergleichbar mit Handelsklassen sowie die Kundenzufriedenheit. Mit dabei beim Leistungsvergleich: die Stadt Heidelberg.

Der neue kommunale Produktplan
Kommunen sind "Monopolisten" auf ihrer Gemarkung. Wirtschaftlichkeit und Effizienz des Verwaltungshandelns kann nur im Vergleich mit anderen Städten beurteilt werden. Dabei sollen die kommunalen Dienstleistungen auf den Prüfstand: Wie sind die Bürgerinnen und Bürger mit den Dienstleistungen ihrer Stadtverwaltung zufrieden? Werden diese kostengünstig erbracht? Welche Qualitätsstandards erfüllen sie?

Diese Fragen sollen in Baden-Württemberg künftig bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer Stadtverwaltung herangezogen werden. Die Qualitätskriterien wurden aus Sicht der Leistungsabnehmer (Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Vereine und andere) beschrieben. Messbare Kriterien, so genannte Kennzahlen, für die einzelnen Serviceangebote sollen die Vergleichbarkeit untereinander herstellen. Die Fülle der Serviceangebote ergeben den Produktplan.

Die mehrdimensionale Betrachtung lässt sich am Beispiel der Kindergartenbetreuung darstellen:

  • Die Kundenzufriedenheit wird hier stark bestimmt durch die angebotene Betreuungszeit. Diese kann mit den Kennzahlen "durchschnittliche Wochenöffnungszeit" und "Schließtage pro Jahr" mess- und vergleichbar gemacht werden.
  • Die Wirtschaftlichkeit kommt über die Kennzahlen "Kosten pro betreutes Kind" und "Kosten pro angebotener Betreuungsplatz" zum Ausdruck.
  • Die Qualität der Aufgabenerfüllung zeigt sich in den Kennzahlen "Erfüllungsquote des Kindergartenrechtsanspruchs" und "Anteil pädagogische Fachkräfte je Platz".

Das Beispiel zeigt deutlich, dass die unterschiedlichen Betrachtungsweisen durchaus in einer Konkurrenzsituation stehen. Ziel einer effizienten Verwaltung muss es deshalb sein, die Qualität ihrer Dienstleistungen zu halten oder sogar zu verbessern und gleichzeitig die Kosten zu senken. Der interkommunale Vergleich löst die Probleme zwar nicht unmittelbar, er zeigt aber Schwachstellen auf und kann Anregungen geben, im Austausch mit Kolleg/innen die Probleme anzugehen und zu lösen.

Nach Innenminister Dr. Thomas Schäuble verfügen die baden-württembergischen Kommunen mit dem neuen kommunalen Produktplan über eine bundesweit einmalige Informationsgrundlage zur Unterstützung bei der Verwaltungssteuerung. Die Arbeitsergebnisse sind in einer Broschüre festgehalten.

In Heidelberg ist das Personal- und Organisationsamt unter Leitung von Ludwig Fischer für den Modernisierungsprozess verantwortlich. Jürgen Heiß, Zentrale Controllingstelle, ist für das Projektmanagement zuständig.

   
  Was bringt der interkommunale Leistungsvergleich für die Bürger?

Jürgen Heiß

Jürgen Heiß, Zentrale Controllingstelle: Zunächst einmal können die Bürgerinnen und Bürger durch das Vorliegen konkreter Vergleichswerte die Dienstleistungen ihrer Stadtverwaltung besser einordnen. Die bessere Einschätzung der Leistungsfähigkeit bringt jedoch noch keine Veränderung. Deshalb liegt der eigentliche Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger darin, dass sich die Stadtverwaltungen beim interkommunalen Vergleich in einen Wettbewerb begeben, bei dem die Stärken und Schwächen der Dienstleistungsbereiche anhand messbarer Kriterien (Kennzahlen) zum Ausdruck kommen. Dabei ist es nicht das Ziel, auf einen vorderen Tabellenplatz zu kommen, sondern vielmehr seine Schwachstellen dadurch zu verringern oder ganz zu beseitigen, dass man bei der Analyse der Vergleichsergebnisse die "Erfolgsrezepte" der Besseren erkennt und auf die örtliche Situation übernimmt. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass der interkommunale Leistungsvergleich automatisch eine Verbesserung der Qualität der Dienstleistungen mit sich bringen wird.
   
 

Könnten Sie einmal skizzieren, wie die Heidelberger Stadtverwaltung in zehn, fünfzehn Jahren aussieht?

Ludwig Fischer

Ludwig Fischer, Leiter des Personal- und Organisationsamtes:
Die innere Organisation der Stadtverwaltungen wird sich zunehmend an den Lebens- und Interessenlagen der Bürgerschaft orientieren, das heißt, der Weg, den wir in Heidelberg beispielsweise mit den Bürgerämtern eingeschlagen haben, wird fortgesetzt. Unser demnächst in Betrieb gehendes technisches Bürgeramt rund ums "Planen, Bauen, Wohnen" geht in diese Richtung.

Im Verkehr zwischen Stadtverwaltung und Bürgerschaft werden sich über das Internet zunehmend Dienstleistungen automatisiert abwickeln lassen. Wir haben mit der Einführung "elektronischer Bürgerdienste" bereits begonnen. Sobald die "digitale Signatur" als Grundlage für Rechtsgeschäfte auf preiswertem Weg, zum Beispiel über die Kreditkarte, möglich ist, wird sich dieser neue Verwaltungsweg explosionsartig entwickeln. Verwaltungsleistungen wie etwa KFZ-Zulassung, Melderegisterauskünfte, Bestellung von standesamtlichen Urkunden, Kauf von Theater- und Konzertkarten, sind bereits in der Entwicklung. Hunderte weitere Dienstleistungen sind auf diesem Weg denkbar.

Die Stadtverwaltung in 10 Jahren wird alle diese Leistungen anbieten. Elektronisch, schnell, billig, rund um die Uhr. Wir müssen aber darauf achten, dass die menschlichen Kontakte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und unserem Personal erhalten bleiben. Auch aus diesem Grund enthalten unsere Kennzahlen nicht nur Aussagen zu Effizienz und Kosten, sondern berücksichtigen gleichrangig Qualität, Service und Kundenzufriedenheit.
 
 

Heidelberg federführend

  Auf der Fachtagung der Stadt Heidelberg und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) am 25./26. Juni stellte die Arbeitsgemeinschaft "ARGE Produktkennzahlen Baden-Württemberg" die Ergebnisse ihrer Arbeit 270 Führungs- und Leitungskräften in Kommunen aus dem ganzen Bundesgebiet vor. Insgesamt 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 66 Kommunen haben mit Unterstützung des Landesinnenministeriums für alle kommunalen Dienstleistungen Qualitätskriterien in Form von Kennzahlen erarbeitet und damit Voraussetzungen für einen Wettbewerb untereinander geschaffen. Die Federführung der ARGE hatte die Stadt Heidelberg. Dem "Neuen Haushalt", war der zweite Themenblock der Konferenz gewidmet.

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Der Neue Haushalt

Der kommunale Produktplan liefert wichtige Grundlagen für den "Neuen Haushalt".


Bisher enthielt ein kommunaler Haushaltsplan nur Einnahmen und Ausgaben. Die neue Steuerungssystematik mit Zielen und Budgets im Rahmen der dezentralen Ressourcenverantwortung stellt neue Anforderungen.

Zur Anpassung des traditionellen Haushaltsplans an die Anforderungen der neuen Steuerungssystematik mit Zielen und Budgets innerhalb einer Kommunalverwaltung hat die Stadt Heidelberg über Jahre hinweg einen Neuen Haushalt entwickelt, der auf der Dezentralisierung der Verantwortungsbereiche basiert.

Mit dem Neuen Haushalt wird eine ergebnisorientierte Steuerung durch festgelegte Leistungsziele, Leistungsmengen und Qualitäten ermöglicht. So ist zum Beispiel allein aus der Höhe der Personalausgaben eines Amtes nicht zu erkennen, ob die Leistungen wirtschaftlich, in der notwendigen Qualität und Quantität, orientiert an den Bedürfnissen der Bürger/-innen und unter Berücksichtigung der Interessen der Mitarbeiter/-innen erbracht werden.

Mit dem Neuen Haushalt sollen folgende Ziele erreicht werden:

  • Die Aufgaben und die zu erbringenden Leistungen sollen in Verbindung mit dem Budget transparent werden.
  • Finanz- und Leistungsziele werden formuliert, um Entscheidungsträgern ihren Spielraum bei der Planung transparent zu machen.
  • Der Verwaltung wird der Freiraum gegeben, durch Eigenentscheidungen das vorgegebene Leistungsziel möglichst wirtschaftlich zu erreichen (z .B. Selbsterstellung oder Einkauf einer Leistung).
  • Die Zielerreichung wird messbar.

Dieser ab 1999 vorgelegte Neue Haushalt - in dem neben den Wirtschaftlichkeitsvorgaben auch Qualitätsaussagen gemacht werden - erlaubt es dem Gemeinderat, über die reinen Geldmittel hinaus, den betriebswirtschaftlichen Ressourcenverbrauch sowie Ziele und Leistungen, nach denen die dezentralen Organisationseinheiten arbeiten, zu erkennen und gegebenenfalls zu ändern.

Der Neue Haushalt wurde unter der Federführung von Stadtkämmerer Walter Lenz und Waldemar Schmidt, Leiter der Haushaltsabteilung des Kämmereiamtes, entwickelt und findet bundesweite Beachtung. Nicht zuletzt die Transparenz des Werkes hat es dem Gemeinderat erleichtert, den Haushalt 2001 einstimmig zu verabschieden.


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Stand: 3. Juli 2001