Thema der Woche

Ausgabe Nr. 26 · 30. Juni 1999



(Fast) alle GVD-Mitarbeiter/innen auf einen Blick. (Foto: Pfeifer)
Gemeindevollzugsdienst der Stadt Heidelberg besteht seit 25 Jahren

Blaumann/frau wurde zur Institution

Am 1. Juli 1974 hat die Stadt Heidelberg ihren Gemeindevollzugsdienst (GVD) ins Leben gerufen. Im Laufe von 25 Jahren haben sich die "Blaumänner" - seit 1990 auch "Blaufrauen" - als konsequente Ordnungskräfte ebenso bewährt wie als Helferinnen und Helfer in vielen Situationen des täglichen Lebens der Bürgerinnen und Bürger. Blaumann/frau ist zur anerkannten Institution geworden.

Mit dem Ziel, zusammen mit der Polizei zur Sicherung der öffentlichen Ordnung in der Stadt beizutragen, wurde der Gemeindevollzugsdienst von Anfang an dem städtischen Rechtsamt zugeordnet. Als selbstständiges Sachgebiet innerhalb der Abteilung Ordnungswidrigkeiten ist der GVD ein Teil der Bußgeldbehörde.

Alles begann mit acht Männern. Deren Aufgabe bestand zunächst in der Überwachung des ruhenden Verkehrs, im Beanstanden von TÜV-Überschreitungen und im Überprüfen von Fahrzeugmängeln. Von den "Männern der ersten Stunde" ist heute noch einer dabei: Karl-Heinz Erb kann mit dem GVD nicht nur dessen 25-jähriges Bestehen, sondern auch die eigene ebenso lange Zugehörigkeit zur "Truppe" feiern.

Diese wuchs im Laufe der Jahre immer mehr - ebenso wie ihr Aufgabengebiet: Die Kontrolle des parkenden Verkehrs bestimmt nach wie vor den Dienstplan im Wesentlichen. Dabei geht es aber keineswegs nur um das vermeintliche "Abkassieren" von Falschparkern. Der GVD sorgt dafür, dass die Rettungswege für Feuerwehr und Krankenwagen sowie die Zufahrtswege der Müllabfuhr frei sind und die den Schwerbehinderten und Anwohnern vorbehaltenen Parkflächen nicht durch Unbefugte zugestellt werden.

Schon lange hat der Gemeindevollzugsdienst auch ein Auge auf den fließenden Verkehr. Dessen Schritttempo in verkehrsberuhigten Bereichen wird ebenso kontrolliert wie die Geschwindigkeit auf anderen innerstädtischen Straßen. Das ist auch ein Teil der Schulwegsicherung, in deren Rahmen der GVD außerdem alljährlich zu Schuljahrsbeginn den ABC-Schützen das richtige Verhalten im Straßenverkehr zeigt.

Im umfangreichen Aufgabenkatalog ist auch der Umweltschutz enthalten: Gegen so genanntes "wildes Plakatieren" wird ebenso vorgegangen wie gegen Verunreinigungen durch Hundekot, Wegwerfen von Müll und gegen Lärmbelästigungen. Weil der gemeindliche Vollzugsdienst über Einhaltung beziehungsweise Vollzug aller Satzungen, Polizeiverordnungen und gesetzlichen Vorschriften zu wachen hat, ist auch aggressive Bettelei ein Grund zum Einschreiten.

Bewältigt wird dieses breite Aufgabenspektrum von derzeit 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denen in regelmäßiger Aus- und Fortbildung das Rüstzeug für konsequentes, aber bürgerfreundliches Verhalten, für Rechtskunde und Konfliktbewältigung vermittelt wird.

Von ihnen sind 23 im Außendienst - das heißt im Schichtdienst werktags zwischen 6.15 und 23.15 Uhr, sonn- und feiertags von 9.30 bis 16.30 Uhr - tätig.

Die 24. Position ist von Sachgebietsleiter Ronald Kraus - dem nach Karl-Heinz Erb dienstältesten "Blaumann" - besetzt, der seit 1983 die Arbeit des Gemeindevollzugsdienstes koordiniert.

Dazu gehört die Pflege eines guten privaten Verhältnisses unter den Kolleginnen und Kollegen, in das auch die Ehepartner einbezogen sind. "Gemeinsame Feiern und Unternehmungen stärken das Wir-Gefühl und das Selbstbewusstsein", sagt Kraus. (br.)
   
 

Marsch-Gepäck

Rund zehn Kilometer - "in manchen Bezirken auch noch mehr", sagt GVD-Leiter Ronald Kraus - legen die Mitarbeiterinnen des Gemeindevollzugsdienstes an jedem Tag im Dienst zurück. Zu Fuß und mit beachtlichem Marschgepäck: Mobiles Datenerfassungsgerät (Mobidat), Funkgerät, Kamera (mit Ersatzfilmen), Stadtpläne und Parkscheiben (als Serviceleistung für die Mitbürger), Metermaß, Dienstausweis, Quittungsblock und Wechselgeld, Verwarnungs- und Abschleppformulare sowie ein Kugelschreiber wiegen zusammen etwa drei Kilogramm (allein das Mobidat zieht mit 1,2 Kilogramm in Richtung Boden) und verlangen von ihren Trägerinnen und Trägern eine gute körperliche Kondition.

  Zur Inhaltsangabe STADTBLATT

  Aus der Praxis des Heidelberger Gemeindevollzugsdienstes
 

Konsequent und freundlich

  "Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist aus Gründen des Rechtsgüterschutzes geboten und fordert konsequentes Handeln", heißt ein vom Gemeindevollzugsdienst für seine Arbeit entwickelter Leitsatz. Und: "Das dienstliche Auftreten ist geprägt von höflichem und freundlichem Verhalten gegenüber dem Bürger."

Ein weiterer Grundsatz sagt, dass von der Verfolgung abgesehen werden
kann, wenn zum Beispiel die Sach- oder Rechtslage unklar ist oder der Einsatz der Mittel in keinem ausgewogenen Verhältnis zu Tat steht. Denn: "Täter von Ordnungswidrigkeiten handeln rechtswidrig, aber nicht kriminell."

Konsequentes Handeln schafft allerdings nicht nur Freunde. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des GVD müssen immer wieder erfahren, dass sonst besonnene Mitmenschen zu unkontrollierten Wutausbrüchen neigen, wenn sie als "Verkehrssünder" ertappt werden. Es ist dann nicht immer leicht, angesichts heftiger Beschimpfungen (der Vergleich mit "Stasi-Methoden" gehört dabei noch zu den harmloseren) freundlich zu bleiben.

Noch weniger, wenn Autofahrerinnen und Autofahrer sich zu körperlichen Angriffen gegen GVD-Bedienstete hinreissen lassen. Weil der Versuch, den "Blaumann" oder die "Blaufrau" mit dem Auto anzufahren oder ihm oder ihr den Finger umzubiegen, nicht mehr ordnungswidriges, sondern durchaus kriminelles Handeln darstellen, wird dies von der Stadt Heidelberg grundsätzlich mit Strafanzeige und Strafantrag verfolgt.

Die andere - erfreulichere - Erfahrung der Mitarbeiter/innen: Freundlichkeit bleibt nicht unbeantwortet, wofür sich in der 25-jährigen Geschichte des Heidelberger Gemeindevollzugsdienstes einige nette Beispiele angesammelt haben:

Einem jungen Paar, das sich in Heidelberg trauen lassen wollte, fehlten die Trauzeugen. Sie sprachen deshalb auf dem Marktplatz zwei "Blaumänner" an, die sofort bereit waren, in der Notlage zu helfen. Daraus ergab sich nicht nur eine Einladung zum Essen, sondern auch ein über Jahre währender freundschaftlicher Kontakt.

Eine GVD-Mitarbeiterin wurde aufgrund ihrer freundlichen Auskunft von einer Touristin eingeladen, ihren nächsten Urlaub in einem Chalet in der Schweiz zu verbringen. Die "Blaufrau" lehnte selbstverständlich ebenso freundlich ab.

Natürlich hat der GVD auch ein Herz für Kinder: Ein "Blaumann" sah ein Kind heftig weinen, weil dem ein Fünf-Mark-Stück in den Gully gefallen war und ersetzte dem Kind das Geld aus der eigenen Tasche. Ein anderer fand ein Kind, das seine Eltern aus den Augen verloren hatte. Der "Blaumann" tröstete den Kleinen mit einem Eis, nahm ihn auf den Arm (ließ sich dabei die Uniform verkleckern) und spürte mit Hilfe der Polizei die dankbaren Eltern auf.

Zweieinhalb Stunden war eine "Blaufrau" mit einem älteren Ehepaar in der Altstadt unterwegs, um deren Auto wieder zu finden. Die hatten es anlässlich der Eröffnung der Liselotte-Ausstellung "irgendwo geparkt", wussten aber nicht mehr an welcher Stelle. "Freund und Helfer" zu sein, haben die GVD-Mitarbeiter/innen auch schon wiederholt bei Pannenhilfen, Reifenwechseln, Anschieben von Fahrzeugen oder beim Heranschaffen von Ersatzschlüsseln unter Beweis gestellt. (br.)

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  Zur Inhaltsangabe STADTBLATT



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Stand: 29. Juni 1999