Kultur

Ausgabe Nr. 26 · 30. Juni 1999

3. Deutscher Archäologenkongress in Heidelberg

Neues aus der Frühgeschichte

Rund 1000 Archäologen und Naturwissenschaftler aus fünfzehn Ländern trafen sich vom 25. bis 30. Mai in der Heidelberger Stadthalle zum 3.Deutschen Archäologenkongress, um neueste internationale Forschungsergebnisse auszutauschen.

Dass die Kelten nicht nur gerne Bier tranken, sondern auch den Genuss von Met und Wein zu schätzen wussten, konnte mit naturwissenschaftlichen Untersuchungen zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die chemische Analyse von Rückständen an Trinkgefäßen ergab sogar, dass der Wein nicht aus dem heimischem Anbau stammte, sondern über Handelswege aus dem fernen Griechenland zu den Kelten gelangte.

Großer Erfolg
Wichtigstes Ergebnis des Archäologenkongresses, der unter dem Motto "Archäologie - Naturwissenschaft - Umwelt" stand, ist, dass die Naturwissenschaften einen vielschichtigen Beitrag zur Rekonstruktion vergangener Kulturen leisten. Ist doch die Archäologie auf die rein visuelle Betrachtung und Einschätzung ihrer Funde angewiesen. Mit den Methoden der Chemie, Physik, Genetik und Biologie ist es möglich, den Überresten vergangener Kulturen Informationen zu entlocken, die dem menschlichen Auge verborgen sind. Um die Zusammenarbeit zwischen Archäologie und Naturwissenschaften zu intensivieren, wurde im Rahmen der Tagung die "Gesellschaft für Naturwissenschaftliche Archäologie" gegründet. Als großen Erfolg des Kongresses wertete Dr. Renate Ludwig, Leiterin der Abteilung Archäologie im Kurpfälzischen Museum, dass die Naturwissenschaften aus dem Schattendasein einer Hilfswissenschaft für die Archäologie herausgetreten sind und Anerkennung als gleichberechtigte Wissenschaft erlangen konnten.

Neue Methoden
Mit geomagnetischen Messungen ist beispielsweise die Physik in der Lage, unsichtbare Funde unter der Erde sichtbar zu machen oder das Alter von Artefakten und Knochen zu bestimmen. Die Genetik wiederum ermöglicht mit DNA-Analysen an Knochenfunden Erkenntnisse über genetisch bedingte Krankheiten, Familienzugehörigkeit und sogar übermäßigen Nikotingenuss. Den bisher ältesten Nachweis über Paprika in Deutschland konnte schließlich die Biologie (mit der so genannten Latrinenforschung) in Heidelberg erbringen. Beim Bau des Triplex und der Tiefgarage zwischen Sand- und Grabengasse in den 70er Jahren wurden in einer Latrine aus dem 14. Jahrhundert neben heimischen Gemüsen erstmals Reste von Paprika gefunden.

Warum Heidelberg?
Die Wahl des Veranstaltungsortes für den 3. Deutschen Archäologenkongress (nach Frankfurt/M im Jahre 1989 und Leipzig 1996) fiel durchaus nicht zufällig auf Heidelberg. Mehrere Gründe sprachen dafür: Die Einrichtung der neuen Forschungsstelle Archäometrie unter Federführung von Prof. Dr. Günther Wagner am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, die sich den "Einsatz und die Entwicklung naturwissenschaftlicher Methoden zur Lösung kulturhistorischer Fragestellungen" zur Aufgabe gemacht hat, spielte eine große Rolle. Auch dass in Heidelberg, einem wichtigen Wissenschaftsstandort, die Archäologie schon lange mit den Naturwissenschaften zusammenarbeitet, war von Bedeutung. Schließlich, so meint Dr. Ludwig, sei auch ausschlaggebend gewesen, dass die Stadt ungewöhnlich viel für die ur- und frühgeschichtliche Vergangenheit Heidelbergs und damit für die archäologische Forschung tue. Dr. Ludwig erinnert etwa an die Sanierung und Sicherung des Heiligenbergs und an den Neubau der heute fast 2000 Quadratmeter umfassenden Archäologischen Abteilung am Kurpfälzischen Museum und den Antrag zur Aufnahme Heidelbergs in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes.

Anlässlich der Tagung erschien - für alle kulturhistorisch Interessierten - ein Führer zu den regionalen archäologischen Denkmälern "Heidelberg, Mannheim und der Rhein-Neckar-Raum". (doh)

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Noch zwei Mal in dieser Spielzeit: Raum XIII/4 Johanna Walpurga von Goethe mit Choreographien von Corinna DíAngelo zum Thema Walpurgisnacht am 4. und 13. Juli, 20 Uhr, im Studio Zwinger 3. (Foto: Krämmer)
Podiumsdiskussion über die Zukunft des Heidelberger Balletts

Tanz-Theater im Gespräch

Im Zuge der öffentlichen Diskussion um die bevorstehende Neubesetzung der Intendanz am Heidelberger Stadttheater im Sommer 2000 lud die SPD-Gemeinderatsfraktion zu einer Podiumsdiskussion über die Zukunft des Tanz-Theaters in Heidelberg.

Modelle für den Erhalt des Heidelberger Balletts" wurden in der Veranstaltung "Tanz-Theater" in der Klingenteichhalle, moderiert von Stadträtin Dr. Karin Werner-Jensen und Stadtrat Kai Seehase, zur Diskussion gestellt. Wo liegt die Zukunft des Heidelberger Tanz-Theaters: beim klassischen Ballett, beim modernen zeitgenössischen Tanz oder lässt sich beides vereinbaren?

Ein Beispiel erfolgreicher Ballettarbeit erläuterte Daniel Nicolei, Geschäftsführer der Company "pretty ugly" am Theater Freiburg. Die Choreographin Amada Miller ging mit dem Intendanten der Freiburger Bühne Hans-J. Ammann einen in Deutschland bisher einmaligen Kooperationsvertrag ein, der dem Tanz-Ensemble künstlerisch und organisatorisch äußerste Freiheit gewährt, aber auch Risiken in sich birgt. Die Company verpflichtet sich mit dem Vertrag zu vierzig Vorstellungen, einer großen und einer kleinen Uraufführung pro Spielzeit. Freiburg bietet dafür ein spielfertiges Haus, Proberäume und den 1,25 Millionen umfassenden Ballett-Etat. Also keine Sparmaßnahme für das Stadtsäckel.

Ganz nach Freiburger Vorbild strebt Bernhard Fauser vom UnterwegsTheater eine Kooperation mit dem Heidelberger Stadttheater an. Er verwies auf die Arbeit der vergangenen elf Jahre, die in Heidelberg nicht nur Türen geöffnet, sondern auch ein Netzwerk an internationalen Kontakten aufgebaut habe. Strukturen müssten sich der Kunst anpassen, so sein Plädoyer, sonst verabschiede sich die Kunst. Die Zusammenarbeit mit dem Stadttheater Heidelberg (sprich: mit dem zukünftigen Intendanten) stelle er sich als respektvollen Umgang zweier Partner vor, die sich im Dialog befinden.

Das Tanz-Ensemble des Heidelberger Stadttheaters, vertreten durch Dramaturgin Leonore Welzin und Tanzwissenschaftlerin Nahema Kwiadkowski, sprach sich in erster Linie für die Sicherung der bestehenden Tanzeinrichtungen aus, bei der klassisches Ballett, moderner Tanz ebenso wie ethnische Tanzformen Berücksichtigung finden. Die Sparten Tanz, Orchester und Schauspiel sollten sich ihrer Meinung nach gegenseitig unterstützen.

Jochen Schmidt von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wiederum vertrat die Auffassung, dass Strukturen und Modelle alleine nur "Betrieb" garantierten - jedoch noch keine Kunst: "Die großen Dinge haben immer nur dort funktioniert, wo Persönlichkeiten zueinander gefunden haben." Auch in Heidelberg seien die großen Zeiten mit Namen wie Prof. Dr. Peter Stoltzenberg und Johann Kresnik verbunden und nicht mit Strukturen. Er empfahl "Himmel und Hölle" in Bewegung zu setzen, um stilbildende Persönlichkeiten nach Heidelberg zu holen.

Für erfolgreiches und leistungsstarkes Theater gibt es kein Erfolgsrezept, das machte die Veranstaltung deutlich. Wenn auch viele Fragen offen blieben, so leistete die Podiumsdiskussion doch einen wichtigen Beitrag zur Vorbereitung der geplanten kulturpolitischen Debatte im Gemeinderat. (doh)

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Stand: 29. Juni 1999