Kultur

Ausgabe Nr. 25 · 23. Juni 1999

Neuer Katalog zur ständigen Ausstellung im Dokumentationszentrum

Völkermord an Sinti und Roma

Schätzungen zufolge fielen im nationalsozialistisch besetzten Europa 500.000 Sinti und Roma dem Holocaust zum Opfer. Ein neuer Katalog, erschienen im Heidelberger Wunderhorn-Verlag, zeichnet jetzt den Völkermord an den Sinti und Roma nach.

Auf fast 400 Seiten dokumentiert der Band die stufenweise Ausgrenzung, Entrechtung und Vernichtung der Minderheit unter dem NS-Regime. "Bislang war die Schilderung von Verbrechen an den Sinti und Roma immer eine Fußnote der Holocaust-Debatte", erläutert Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Das soll sich künftig ändern.

Weit über das Material der Dauerausstellung im Heidelberger Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma hinaus, sind im neuen Katalog bislang unveröffentlichte Zeitdokumente gesammelt. Das Besondere: Den Dokumenten der Täter stehen die Zeugnisse ihrer Opfer gegenüber. Romani Rose: "Die Konzeption des Buches beruht auf der Erkenntnis, dass die Wirklichkeit des Holocaust nicht auf eine ereignisgeschichtliche Rekonstruktion reduziert werden kann, die sich ausschließlich auf die überlieferten Akten der Täter stützt. Im Zentrum der Darstellung stehen daher die Biographien der von Verfolgung und Vernichtung betroffenen Menschen, und das heißt auch: die Normalität ihres Lebens vor der Deportation und Ermordung."

So erzählt der Band mit Hilfe vieler Foto- und Schriftdokumente von der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur über die Formen der Ausgrenzung, die Errichtung kommunaler Konzentrationslager, die Deportationspläne der Nazis, medizinische Experimente, die Ermordung von Behinderten und Kranken, die Massenerschießungen bis hin zur Befreiung der Opfer aus den Konzentrationslagern die tragische Geschichte einer Minderheit. Eigene Kapitel sind unter anderem der Verfolgung von Frauen, Kindern und Jugendlichen gewidmet.

Zehn Jahre Recherchearbeit stecken hinter dem 400-Seiten-Werk. Auf der Suche nach Dokumenten waren die Mitarbeiter in Kontakt mit 70 Archiven und mit zahlreichen Privatpersonen, die den Holocaust überlebt haben und wenige Erinnerungsstücke in die Gegenwart retten konnten. Romani Rose: "Das Buch räumt endgültig mit dem Klischee auf, Sinti und Roma seien zufällig in die Maschinerie der Nationalsozialisten geraten."

Übrigens: Für das Jahr 2000 konnte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma erreichen, dass in einem eigenen Block des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz eine Dauerausstellung zum Völkermord an den Sinti und Roma eingerichtet wird. Überdies ist noch für Ende 1999 die Veröffentlichung einer CD-ROM mit Film- und Tondokumenten zur Verfolgungsgeschichte geplant. (eu)
   
 

Das Buch

  Romani Rose (Hg.): "Den Rauch hatten wir täglich vor Augen" ó Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma, Heidelberg, Wunderhorn-Verlag, 1999, gebunden 88 Mark, broschiert 68 Mark.

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Stand: 22. Juni 1999