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Ausgabe Nr. 25 · 21. Juni 2000 |
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(Foto: Rothe) |
Ein Fenster zur Welt |
Das Völkerkunde-Museum der von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst Im Heidelberger Völkerkunde-Museum tut sich was. Im Januar 2000 hat Dr. Margareta Pavaloi die Leitung des Hauses übernommen. Die Ethnologin aus Stuttgart bringt Schwung ins Haus und manche interessante Ausstellung. "Nirgendwo kommt man schneller in die Welt", lautet ihre Einladung ans Heidelberger Publikum. Bereits im März startete die erste Sonderausstellung in den neu gestalteten Räumen im Erdgeschoss des Palais Weimar mit einem Höhepunkt: Tschingis Aitmatow, Schriftsteller und Botschafter der Republik Kirgistan in Brüssel, las zum Auftakt der Ausstellung "Zentralasien - Skizzen einer Begegnung" aus seinem Buch "Kindheit in Kirgisien". Die ethnographischen und journalistischen Fotografien aus den Jahren 1886 bis 1996 dokumentierten Begegnungen von europäischen Kaufleuten, Fotografen, Forschern und Sammlern mit Menschen und Landschaften Zentralasiens. Dem Blick Europas in die "Neue Welt" widmet sich die aktuelle Ausstellung mit dem Titel "Die Entdeckung Brasiliens". Für September ist rechtzeitig zur Kumamoto-Woche eine Japan-Ausstellung in Vorbereitung. Rahmenprogramm Mit Lesungen, Vorträgen, Konzerten und Workshops wird die Möglichkeit geboten, die Wechsel-Ausstellungen inhaltlich zu vertiefen. Gleichzeitig soll es in Zukunft Themenführungen durch die umfangreiche Asmat-Dauerausstellung geben. Kult- und Gebrauchsgegenstände aus einer der "Kunstprovinzen" Neuguineas vermitteln einen umfassenden Eindruck vom Weltbild der steinzeitlich lebenden Menschen. Kooperationen mit Kultureinrichtungen der Stadt sollen ebenso ausgebaut werden wie mit der Universität. Eine Arbeitsgemeinschaft des Ethnologischen Instituts tagt bereits in den Räumen des Museums. Ab nächstem Semester hält Dr. Pavaloi Lehrveranstaltungen zu museologischen Fragestellungen. Auch bietet das Völkerkunde-Museum Praktikumsplätze für Studenten der Ethnologie an. Goldschmidts Erbe Die Bestände des Völkerkunde-Museums gehen zurück auf die Sammeltätigkeit des Mineralogen Victor Goldschmidt (1853-1933). Sein Interesse galt der Entstehung von Formen - nicht nur bei Mineralien - und der Ordnung der Welt. In seine Untersuchungen bezog er naturwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Methoden ein. Er sammelte Mineralien, Gegenstände aus Ur- und Frühgeschichte, Materialien der Volkskunde ebenso wie Kunstgegenstände. Dabei konzentrierte er sich vorwiegend auf Japan, Europa und Nordamerika. 1919 gründete Goldschmidt gemeinsam mit seiner Frau Leontine die "von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst" und das Völkerkunde-Museum. Der Name der Stiftung geht auf die Familie seiner Frau zurück, deren Vermögen der Stiftung zufloss. Von den Nationalsozialisten seiner Ämter enthoben, starb Goldschmidt 1933 in Salzburg an einem Herzleiden. Leontine Goldschmidt nahm sich, um der drohenden Deportation zu entgehen, im Jahre 1942 das Leben. Nach dem Krieg übernahm zunächst Dr. Ferdinand Hermann und später Dr. Walter Böhning die Leitung des Museums. "Die Exponate warten darauf, gezeigt zu werden", so Dr. Pavaloi. "Wir wollen die Vielfalt an Möglichkeiten aufzeigen, wie Menschen sich organisieren und sich ausdrücken", erläutert Julia Sare, Mitarbeiterin des Museums: "Im Wahrnehmen des Anderen können wir viel über uns lernen". (doh) |
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Öffnungszeiten |
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Das Völkerkunde-Museum im Palais Weimar, Hauptstraße 235, Telefon 06221/22067, ist dienstags bis freitags von 15 bis 20 Uhr geöffnet und sonntags von 13 bis 20 Uhr. Der Eintrittspreis, der zum Besuch der Sonderausstellung und der Dauerausstellung berechtigt, beträgt 5 Mark, ermäßigt 3 Mark. Familien mit schulpflichtigen Kindern zahlen 10 Mark. Die Führungen durch die Wechselausstellung, mittwochs um 17 Uhr, sind im Eintrittspreis enthalten. Im August bleibt das Museum geschlossen. | |
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Die Entdeckung Brasiliens |
Sonderausstellung im Völkerkunde-Museum 500 Jahre ist her, seit am 21. April 1500 der Ruf "Land in Sicht" erschallte und Pedro Álvarez Cabral mit seiner Flotte ein Festland anlief, das er "Terra de Vera Cruz" nannte - das spätere Brasilien. Der Entdeckung dieses Teils der Welt durch die Europäer und den damit in Gang gesetzten, bis heute andauernden Prozessen ist die aktuelle Ausstellung im Völkerkunde-Museum gewidmet. Die Europäer haben in Brasilien "ein Paradies gesehen, das sie dort auch suchten", das Land kam ihnen "wie ein Garten Eden" vor und rief in der Alten Welt "Erstaunen, Bewunderung und großes Interesse" hervor, so die aus Lissabon angereiste Referentin Dr. Ana Maria de Azevedo vom Instituto Camões in ihrem Einführungsvortrag zum Thema "Land und Leute aus dem Blickwinkel des 16. Jahrhunderts". Damals war es die Entdeckung eines neuen Kontinents, heute sind es die Erschließung neuer Nutzräume durch Abholzung und die Entdeckung neuer Rohstoffe. Die Konsequenzen bedrohen heute wie damals die Existenz und die Kultur der brasilianischen Indianer und ihr Ökosystem, den Regenwald. Die Wahrnehmung der Indianer ist bei uns immer noch, trotz zahlreicher moderner Berichte, von Bildern geprägt, die aus jener Zeit stammen. Der Appell des Häuptlings Piarú aus dem Jahre 1948 hat nichts von seiner traurigen Intensität und Relevanz eingebüßt: "Zeigt Euren weißen Brüdern und Schwestern in der Welt, in der ihr lebt, meinen leuchtenden Federschmuck, erklärt seine Bedeutung - und lasst sie gleichzeitig wissen, dass der Indio nicht derjenige ist, wofür ihn der weiße Mann zu halten pflegt, der uns und unseren unschuldigen Frauen und Kindern weiterhin viel Leid zufügt, uns wegnimmt und zerstört, was ihm nicht gehört..." Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Instituto Camões und der Comissão Nacional para as Comemorações dos Descobrimentos Portugueses entstand, umfasst zwei Teile: Teil I besteht aus Tafel mit Faksimiles aus historischen Quellen, Fotos und Texten, die die Entstehungsgeschichte Brasiliens und die Wahrnehmung von Land und Leuten aus der Sicht des 16. Jahrhunderts dokumentieren. Teil II präsentiert ethnographische Objekte, darunter kunstvoller Federschmuck und Alltagsgegenstände. Die Ausstellung ist noch bis zum 31. Juli zu sehen. (rie) |
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