Stimmen aus dem Gemeinderat

Ausgabe Nr. 23 · 6. Juni 2001

Heinz Reutlinger

CDU

Debatte über "Neue Mehrheit"

Zurzeit ist wieder einmal - ausgelöst durch die umstrittene Entscheidung des Gemeinderats zur Sanierung der Brückenstraße - die so genannte "Neue Mehrheit" in der Debatte. Ich meine, wir sollten diese Debatte über die "Neue Mehrheit" - d. h. über die numerische Mehrheit von CDU, "Heidelberger", FWV und FDP im Gemeinderat - schleunigst und endgültig beenden. Sie ist für die politische Arbeit wenig hilfreich.

Wenn man sich dieses so genannte "bürgerliche Lager" - diesen Begriff halte ich allerdings im Jahr 2001 für nicht mehr zeitgemäß - als einen monolithischen Block vorstellt, der immer mit einer Stimme so spricht oder sprechen soll, so ist dies schlicht unrealistisch und für mich auch gar nicht wünschenswert. Diese Blockbildung wäre eine äußerst sterile Angelegenheit und nur mit politischen Marionetten denkbar, die an der Rathauspforte ihre politische Überzeugung und ihr Gewissen abgeben, aber niemals mit Mandatsträgern - und die Kommunalwahl ist ja in erster Linie Persönlichkeitswahl - die sich dazu verpflichtet wissen, nach bestem Wissen und Gewissen "der Stadt Bestes zu suchen".

Es ist und bleibt die Aufgabe der politischen Parteien im Gemeinderat, sich um die besten Problemlösungen zu bemühen und um Mehrheiten für die jeweils eigene Meinung zu kämpfen. Dabei ist es letztlich zweitrangig, wer mit wem stimmt, welche "Koalitionen" sich herausbilden, zumal es unter Demokraten nur politische Gegner, aber keine Feinde gibt. Oftmals verlaufen die Fronten sogar quer durch die Fraktionen, da man in Detailfragen der Kommunalpolitik - dies gilt in gleicher Weise für die Wähler der einzelnen Parteien - nun wirklich verschiedener Meinung und Überzeugung sein kann.

Politik muss glaubwürdig sein! Darum sollte in einem Wahlkampfprogramm - es sollte nicht mehr als eine Leitlinie sein - auch nur das stehen, was man wirklich erreichen will bzw. erreichen kann. Niemals darf ein Wahlkampfprogramm zur ideologischen Korsettstange werden, die das politische Atmen einschränkt und verhindert, dass neue Erkenntnisse in den politischen Entscheidungsprozess einfließen. Ein Wahlkampfprogramm darf nie Hindernis sein, eine für die Bürger notwendige und richtige Entscheidung zu treffen. Ist ein Abweichen von Wahlkampfaussagen angezeigt - die Zeit bleibt ja nicht stehen-, so muss man sich allerdings ernsthaft und rechtzeitig bemühen - das verlangt die Glaubwürdigkeit in der Politik -, die notwendige "Kurskorrektur" bzw. den notwendigen "Kurswechsel" verständlich zu machen. Wer populistisch nur nach Wählerstimmen schielt, handelt nach meinem Verständnis von Politik aus christlicher Verantwortung verantwortungslos. Ein Politiker muss auch führen und überzeugen können.

Alles politische Ringen im Gemeinderat muss das Ziel haben, für die Bürger die jeweils bestmögliche Problemlösung zu finden. Oftmals ist dies nur über den so ungeliebten - niemand ist mit der Entscheidung voll zufrieden - Kompromiss möglich. Totalopposition - nur weil man mit der "reinen Lehre", der eigenen Meinung, nicht durchkam - bringt dem Bürger nichts. Allerdings kann man Beifall bekommen von denen, die gerne auf den politischen Gegner einschlagen und darin eine besondere Profilierung und zusätzliche Pluspunkte für die eigene Partei sehen. Und was die konkrete Situation im Blick auf die Brückenstraße angeht: Wie hätte die Entscheidung des Gemeinderats - es ging um die legitimen Interessen der Einzelhändler, der Autofahrer, der Radfahrer, der Fußgänger und der Rollstuhlfahrer und Behinderten - verantwortlich anders ausfallen sollen?
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Karl Emer

SPD

Mobilität in Heidelberg - Qualität ist gefragt

Als dem Gemeinderat im Juli vergangenen Jahres die "Heidelberg-Studie 2000" vorgelegt wurde und darin 69 Prozent der Befragten "den Verkehr" in unserer Stadt zum Hauptproblem erklärten, sich aber gleichzeitig hoch zufrieden über die Lebenssituation in Heidelberg äußerten, war sich der Gemeinderat in großer Mehrheit einig, dass hierzu eine repräsentative, differenzierte Umfrage erfolgen muss, um mehr über die Hintergründe und über die Mobilitätsbedürfnisse zu erfahren.

Bei den Beratungen und Beschlüssen zum Haushalt 2001 wurde dieses Vorhaben mit der Bereitstellung entsprechender Mittel mit breiter Mehrheit abgesichert. In der letzten Sitzung des Stadtentwicklungs- und Verkehrsausschusses wurden uns die hochinteressanten Ergebnisse der Umfrage kompetent vorgestellt. Mit dieser Erhebung und einer Reihe weiterer sich ergänzender Untersuchungen aus den zurückliegenden Jahren, haben alle Stadträte eine Fülle von Hintergrundinformationen und Daten zur Hand, die bei den anstehenden Entscheidungen zum Verkehrsentwicklungsplan (VEP) wertvolle Informationen zum Mobilitätsverhalten und den -bedürfnissen liefern. Man weiß jetzt genau, welche Veränderungen die Bevölkerung wünscht und welche sie ablehnt.

So haben z.B. nur 23 Prozent der Menschen, die mit Bus und Bahn zur Arbeit fahren, keine Probleme mit ihrem Verkehrsmittel. Im Vergleich dazu weisen die Befragten, die ihren Arbeitsplatz mit dem Auto erreichen, einen hohen Zufriedenheitsgrad auf: Über die Hälfte, exakt 52 Prozent der Befragten, führten keine Probleme an.

Unpünktliche und überfüllte Fahrzeuge stehen auf der Mängelliste des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) an oberster Stelle. Eigentlich dürfte man annehmen, dass damit für den gesamten Gemeinderat klar sein müsste, wo die Schwerpunkte bei den Investitionen im Verkehrssektor gesetzt werden müssen. Überfüllt und unpünktlich sind z. B. sehr oft die Busse auf der Strecke von und nach Kirchheim. Abhilfe könnte hier die geplante Straßenbahn schaffen, die deutlich mehr Fahrgäste aufnehmen kann und auf einem weitgehend eigenen Gleiskörper pünktlicher und störungsfreier als der Bus fährt. Doch noch immer wird die Straßenbahn, die das Zentrum von Kirchheim zugunsten des dortigen Einzelhandels anschließen soll, von einigen Stadträten abgelehnt, ohne dazu einen realistischen und wirtschaftlich vertretbaren Alternativvorschlag zu machen.

Nun mokiert sich FDP-Stadträtin Hommelhoff im letzten Stadtblatt wider besseren Wissens über den Umfang der Studie und über scheinbare Doppelbefragungen. Die Befragungsergebnisse liegen in einem ca. 45seitigen Textband mit zahlreichen Grafiken und einem ergänzenden Tabellenband von rund 430 Seiten vor. Es war gerade ein vom Gemeinderat häufig vorgetragener Wunsch, auch Detailergebnisse mit Einzelauswertungen zu wichtigen Problemfeldern zu bekommen. Nun ist der Gutachter diesem Wunsch nachgekommen, schon ist es wieder falsch. Niemand ist gezwungen, etwas zu lesen, was er/sie nicht lesen will. Aber möglicherweise geht es ja Frau Hommelhoff gar nicht um den Umfang, sondern um das Ergebnis, das die Studie vermittelt. Nämlich den breiten Konsens der Bevölkerung mit der langjährigen Verkehrspolitik der Stadtverwaltung und des Gemeinderats, der eine gleichgewichtige Förderpraxis der verschiedenen Verkehrsmittel vorsieht. Gegen Inhalte zu polemisieren, die man so nicht erwartet hatte, die möglicherweise unliebsame Wahrheiten enthalten und die eigenen (Vor-)Festlegungen ins Wanken bringen könnten, ist schlechter Stil!

Keinesfalls wurde durch die Umfrage die PTV-Studie wiederholt. Deren Ziel lag in der Ermittlung von Ziel- und Quellbeziehungen und in der Berechnung des Modal-Splits: Der Gemeinderat hat mehrheitlich diese Studie gewünscht, um neben dem bereits vorliegenden quantitativen Erhebungsmaterial, mehr über die nach Verkehrsmittelwahl, Lebenslagen und Altersgruppen unterschiedlichen subjektiven Mobilitätsbedürfnisse und Bewertungen zu erfahren. Jede Supermarktkette nutzt ähnliche Umfragemethoden, um über das Verhalten und die Wünsche ihrer Kunden mehr zu erfahren und angemessen darauf eingehen zu können. Warum sollen nicht auch die Wünsche der "Kundschaft" unserer Stadt besser erkundet werden? Nicht mehr und nicht weniger ist mit der repräsentativen Befragung in diesem Jahr durch ein kompetentes und bundesweit bekanntes Institut geschehen.
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Irmtraud Spinnler

GAL

Beim Schweizer Nachbarn "ab luaga"

Was mich bei der Besichtigung von Zürich und Bern besonders beeindruckt hat: Die Liniennetzkarte der städtischen Züricher Verkehrsbetriebe (VBZ)! Mehr als doppelt so viel Schienen pro Einwohner wie in Heidelberg, plus Regionalnetz, ergänzt mit Trolley- und Autobuslinien. Beschleunigung nach Schweizer Art heißt auch: Fahrscheine gibt es an allen Haltestellen aus Automaten, EC-Cash-Karten geeignete, eingestiegen wird mit entwertetem Fahrschein. Dann erstaunten mich die gepflegten Straßenbahnen, Durchschnittsalter 32 Jahre, mit modernem Innendesign. Erst jetzt kommt eine neue Generation von zeitgemäßen "Niederflur-Cobras" auf die Schiene, beweglich und elegant, wovon wir uns überzeugen konnten. Und diese Reihenfolge, zuerst der Ausbau des Netzes und dichter Takt, dann die Neuwagen, brachte den Erfolg: Die Züricher fahren mit ihrem Tram!

"Ab luaga" kann unser städtisches Verkehrsunternehmen HSB auch von dem hausgemachten und mehrfach ausgezeichnetem Marketing der VBZ, das nicht nur mit "Plakaten des Jahres" Furore macht (http://www.vbz.ch). Noch mehr zufriedene Fahrgäste zu bekommen und wirtschaftlich zu arbeiten, sind ihre obersten unternehmerischen Ziele. Fahren in Schweizer Städten StadträtInnen mit dem Tram? Logisch, selbst den Ministerpräsidenten könne man dort antreffen! Das Glück hatten wir nicht, sahen aber ein bunt gemischtes Publikum gekonnt das öffentliche Verkehrsangebot nutzen. Warum auch nicht? Ist es nicht bequemer sich "fort" zu bewegen und nicht wieder "zurück" zum geparkten Wagen gehen zu müssen?

Bei vergleichbarer Bevölkerungszahl befördert Bernmobil, die städtischen Verkehrsbetriebe Bern, doppelt so viel Fahrgäste wie die HSB. "Kundenbedürfnisse bringen uns auf Hochtouren" war in Bern zu hören, und "der öffentliche Verkehr bringt Leben in die Stadt". Nachdem der Stadtverkehr immer weiter verfeinert wurde, wird nun am Freizeitverkehr stetig nachgebessert. Ein 1999 eingeführter "Moonliner" bringt nun bereits 16 Prozent mehr Fahrgäste sicher nach Hause, besondere Zunahme wurde bei der Abfahrt um 3.15 Uhr verzeichnet. Und stillen Genießern wird am Sonntagmorgen eine atemberaubend schöne Fahrt von der Längsgasse zur Schlosshalde und zurück empfohlen.

"Wir fahren der Zukunft entgegen!" Die beiden Verkehrsunternehmen stellen sich selbstbewusst den Aufgaben im künftigen ÖV-Wettbewerb; sie verstehen ihre Aufgabe auch als städtische Feinverteiler im S-Bahn und Fernverkehr und packen die notwendigen Maßnahmen an. Und noch etwas: Die Ampelsteuerung nach dem Prinzip des "seltenen Ereignisses" wurde in Zürich im Wesentlichen von der Polizei entwickelt. Und das funktioniert, bis auf eine Ausnahme, bewundernswert gut.
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Dr. Ursula Lorenz

FWV

University of Maryland

Am 27.5. hatte ich die Ehre, aber auch das Vergnügen, in Vertretung von Frau OB Weber Heidelberg bei der University of Maryland in Europa zu vertreten. In der Rhein-Neckarhalle erhielten ca. 300 der diesjährigen 1400 erfolgreichen europaweiten Absolventen ihre Urkunden für unterschiedliche akademische Grade. Die Ehrendoktorwürde wurde General Ralston, dem Chef des Europäischen U. S. Commandos verliehen (Unter 60 Vorgängern findet sich neben anderen prominenten Deutschen auch der Heidelberger Prof. zu Putlitz). Für uns war es beeindruckend, mit welchem Stolz sich sowohl diese Outdoor-Universität (vertreten in 60 Ländern, über ihr geht die Sonne nicht unter!) als auch Amerika in Europa zeigte. Das wiederum war verbunden mit einer Traditionsdemonstration durch das Tragen von Talaren mit symbolhaften Farben und auch der Doktorhut durfte nicht fehlen. Hier arbeiten in einer wichtigen Institution, von der wir kaum Kenntnis haben, zahlreiche US-Amerikaner. Auch diese sind Heidelberger im weitesten Sinn. Schade, dass sie so insulär leben.
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Dr. Annette Trabold

FDP

Abstimmungen je nach Sachthema

Die Diskussionen und Abstimmungen in den letzten Monaten haben gezeigt: es gibt keine "neue Mehrheit" als statisches Gebilde. Und es wäre ja auch fatal, wenn ein fest zusammengefügter politischer Block auf Teufel komm raus, ohne die Sache im Auge zu behalten, gemeinsam abstimmen würde. Das ist eben das Gute an dem Kommunalwahlsystem in Baden Württemberg: Die Wahl des Gemeinderats ist nicht nur eine Partei-, sondern auch eine Persönlichkeitswahl und im Gemeinderat selbst gibt es keine Regierung und Opposition. Es gibt fast immer eine Chance, dass sich unterschiedliche Mehrheiten in Sachfragen zusammenfinden. Zahlreiche Stadträtinnen und Stadträte, die die FDP oftmals beschimpft haben, weil wir in Wort und Tat immer propagiert haben, dass man nach der Sache und nach seinem Gewissen entscheiden soll und nicht, weil es irgendjemand einem vorschreibt, nehmen dieses Recht nun auch für sich selbst in Anspruch. Auch wenn mir im einen oder anderen Fall die Entscheidung nicht passt (z. B. die Mehrheitsentscheidung zur Brückenstraße), so ist es doch positiv, dass das starre Blockdenken abnimmt.
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Anschriften der Fraktionen und Einzelmitglieder im Gemeinderat

CDU:

Rohrbacher Str. 57, 69115 Heidelberg,
Tel.: 16 39 72, Fax: 16 48 43
e-mail: CDU-GR-Fraktion-HD@t-online.de

SPD:

Fischmarkt 3, 69117 Heidelberg,
Tel.: 16 67 67, Fax: 16 40 23,
e-mail: fraktion@spd-heidelberg.de

GAL:

Rohrbacher Str. 39, 69115 Heidelberg,
Tel.: 16 28 62, Fax: 16 76 87
e-mail: mail@gal-heidelberg.de,
Internet: www.gal-heidelberg.de

"Heidelberger":

Bergheimer Str. 95, 69115 Heidelberg,
Tel.: 61 94 21, Fax: 61 94 22
Internet: www.dieHeidelberger.de

FWV:

Fischergasse 14-16, 69117 Heidelberg,
Tel.: 16 30 70, Fax: 65 98 30
Internet: www.FWV-hd.de

FDP:

Zähringerstr. 44a, 69115 Heidelberg,
Tel. 24 56 4, Fax: 18 21 13

PDS:

Sitzbuchweg 14, 69118 Heidelberg,
Tel. 80 03 25

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Stand: 5. Juni 2001