Titel

Ausgabe Nr. 23 · 7. Juni 2000



Skizze: Burelli

Die visionären Gestaltungsideen des Augusto Romano Burelli

Architekturprofessor aus Venedig legte Gestaltungsvorschläge für den Bahnhofsbereich vor


Im Mai 1998 beschloss der Gemeinderat "für den Bahnhofsvorplatz und die angrenzenden Bereiche eine Gestaltungsstudie in Auftrag zu geben". Die Verwaltung beauftragte daraufhin Prof. Augusto Romano Burelli von der Universität Venedig eine solche Studie zu erstellen.

Der Professor für Architektur war Teilnehmer des 1997 veranstalteten "Workshop Heidelberger Druckmaschinen" und hatte sich bei dieser Gelegenheit als sensibler Gestalter mit viel Verständnis und Einsicht in städtische Räume und Proportionen erwiesen.

Professor Burelli sollte den Versuch unternehmen, alle bis dahin angestoßenen Entwicklungen genau zu studieren und eine auf die heutige Zeit zugeschnittene Lösung vorzulegen.

Der Professor geht davon aus, dass die Print-Media-Academy der Heidelberger Druckmaschinen den Maßstab für diesen Bereich gesetzt hat, hinter den man nicht mehr zurück gehen kann. Ihre Höhe von 49 Metern und ihr Volumen erfordern es nun, den großen, 600 Meter langen Raum der Kurfürsten-Anlage bis zum Römerkreis neu zu überdenken.

Für den Architekten ist eine Neugestaltung notwendig, da der Bahnhofsvorplatz heute kein städtischer Raum ist. Die Form des Platzes entstand nicht durch eine gestaltende Hand, sondern ist das Ergebnis rein verkehrstechnischer Überlegungen. Auch die Kurfürsten-Anlage ist auf Grund verkehrstechnischer Überlegungen entstanden. Für den Architekten erscheint sie zu lang und zu breit (70 Meter) im Vergleich zur sonstigen städtischen Struktur Heidelbergs. Zwar weist die Anlage auf der Südseite teilweise eine urbane Straßenrandbebauung auf, aber auf der Nordseite vermisst der Architekt Orientierungspunkte. Heute beginnt die Kurfürsten-Anlage mit einem Glaskubus und endet in einem Verkehrsknoten ohne räumliche Fassung (Römerkreis). Das Verwaltungszentrum der Heidelberger Druckmaschinen und das Konferenzzentrum sollen an den öffentlichen Raum angeschlossen werden.

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Skizze und Modell: Burelli

Burellis Vorschlag zum "Empfangsraum" der Stadt

Wie der italienische Star-Architekt sich die Gestaltung des Bahnhofsbereichs vorstellt


Leitgedanke der Planungsideen von Professor Augusto Romano Burelli ist die Gliederung des 600 Meter langen Bereiches zwischen Bahnhof und Römerkreis. Er nimmt damit Gedanken auf, die bereits vor 100 Jahren angedacht waren.

Der Bahnhofsvorplatz, das Karree, die Kurfürsten-Anlage und der Römerkreis sind die vier Bereiche, zu denen sich der Architekt visionäre Gedanken macht.

Der Bahnhofvorplatz
Professor Burelli will den Bahnhof nicht an eine strenge Achse binden und gleichzeitig die vielen Richtungen aufnehmen, die der Vorplatz des Bahnhofes zu verarbeiten hat, seien es Straßen oder Gebäudefluchten. Dazu wählt er eine strenge elliptische Form, die versucht, die Gebäude, bestehende Achsen oder Straßenrichtungen aufzunehmen. Der scheinbar so bezugslose Vorplatz erhält mit dieser dem Barock entlehnten Figur eine zusammenfassende Aufgabe.

Bisherige Planungen haben mit modernen offenen Raumkompositionen versucht Gebäudegröße, Gebäudehöhe und Distanzen zum Maßstab der Gestaltung auszubauen, sind aber an den unterschiedlichen Richtungen gescheitert. Mit dem Vorschlag Burellis scheint mit einem Male ein einladender Empfangsraum zur Stadt möglich.

Das Karree
Während die Print Media Academy, das geplante Konferenzzentrum und das Gebäude der BG-Chemie funktional dem Bahnhofsvorplatz zugeordnet sind, soll der zweite Bauabschnitt der Heidelberger Druckmaschinen, das Hotel und andere mögliche Einrichtungen (neben den bekannten Einrichtungen ist es möglich, noch der Bedeutung des Standortes angemessene überregionale Unternehmen zu platzieren), ihre Anbindung und Ausrichtung zum Karree vorsehen. Unter dem Karree mit Ausläufern nach Westen können die notwendigen Stellplätze unterirdisch untergebracht werden, was eine Nutzung der Untergeschosse im Konferenz- oder Hotelbereich für andere Zwecke erleichtert.

Am westlichen Übergangsbereich zwischen Ellipse und Quadrat bildet eine Pyramide die Verbindung. Vom Karree aus können alle Bereiche direkt oder indirekt erschlossen werden. Nördlich vom Karree erfolgt der Durchstich zur Kirchstraße ebenso wie der Zuweg zum heutigen Hauptgebäude der Heidelberger Druckmaschinen.

Das Gegenstück zum Print Media-Turm bildet der Turm, der das Konferenzzentrum aufnehmen soll.

Die Kurfürsten-Anlage
Die durch das räumliche Vorschalten des Karrees auf nur noch 280 Meter verkürzte Kurfürsten-Anlage soll als Parkanlage und grüner unversiegelter Raum erhalten werden und zum Sitzen, Schlendern und Durchqueren einladen. Die beiden gegenüberliegenden Seiten sollen stärker als bisher miteinander verbunden werden. Wichtig ist dabei der Vorschlag, die Bebauung am nördlichen Rand der Anlage bei späteren Maßnahmen näher an die Straße heranzuführen und die Lücken zu schließen: Das unterstreicht den Boulevardcharakter der zukünftigen Anlage.

Der Römerkreis
Der Römerkreis bildet den Abschlusspunkt der untersuchten Achse. Hier hat die Stadtverwaltung bereits Vorschläge unterbreitet, die vorsehen, im Bereich der Glockengießerei das Bürogebäude in die Flucht der Kurfürsten-Anlage zu stellen, die Baulinie der Bankgebäude aufnehmen und die Platzecke stärker zu betonen. Die Erweiterung des Landratsamtes wurde ebenfalls genutzt, straßenbegleitend die Bebauung auf die Linie der Heidelberger Druckmaschinen vorzuziehen und so mosaikartig die bisherige Beziehungslosigkeit zum Stadtraum aufzuheben.

Alle Maßnahmen dienen dem schon Anfang des 20. Jahrhunderts, dann in den 30er Jahren genauer formuliertem Ziel, den Weg zur Stadt optisch und vom Erlebnis her aufzuwerten. Die derzeit im Gespräch befindlichen Maßnahmen bilden die Basis für weiter gehende städtebaulich/gestalterische Ansprüche. Im Idealfall beteiligen sich die investierenden Unternehmen an der Gestaltung des öffentlichen Raumes.

Der Verkehr
Professor Burelli geht konsequenterweise von einer Entlastung des Verkehrsknotens am Bahnhof aus und schlägt dafür einen Ost-West-Tunnel unter der Kurfürsten-Anlage und dem Kreuzungsbereiche Mittermaierstraße/Kurfürsten-Anlage vor. Dadurch bietet die Platzfläche genügend Raum für unterschiedliche Nutzungen durch Fußgänger, Radfahrerinnen, ein- und aussteigende Benutzer von Bussen und Bahnen oder den Bahnhof anfahrende PKW's und Taxis. Der Öffentliche Personennahverkehr hat im Norden einen direkten Anschluss an den Bahnhof und eine überdachte Haltestation zur barrierefreien Erreichung der Bahnhofshalle und Verbesserung der Aufenthaltsqualität. Teile der Überdachung dienen gleichzeitig zur räumlichen Fassung der Ellipse.

Weiteres Vorgehen
Die Visionen Burellis für eine Neugestaltung des Bahnhofvorplatzes nimmt die Stadtverwaltung als Basis für ihre weiteren Arbeiten auf. Sie plant die Ausschreibung eines Gestaltungswettbewerbs, an dem sich die betroffenen Investoren und Entwickler auch finanziell beteiligen sollen.

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Leitgedanken Professor Burellis

Zu seiner Aufgabe der Neugestaltung des Bereichs zwischen Bahnhofsvorplatz und Römerkreis hat Professor Burelli unter anderem folgende Leitgedanken entwickelt:

"Die Bauten, die in der Nachkriegszeit entlang der Kurfürsten-Anlage gebaut wurden, sind mit absoluter Gleichgültigkeit zum städtischen Raum geplant. Es sind Objekte, klar und in sich gegliedert, aber nur Gegenstände. Die Ordnung, die man in diesen Gebäuden findet, verliert sich in der Gesamtheit. So haben wir immer mehr aneinander gereihte Ordnungen und immer mehr städtebauliches Chaos. Diesem zufälligen System ist eine Idee der Ordnung gegenüber zu stellen, eine Ordnung von einfachen, offenen Räumen: der quadratische Platz, das Oval, die durch die bestehenden und die neuen Gebäude realisiert werden..."

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Augusto Romano Burelli
(Foto: Welker)

Zur Person: Augusto Romano Burelli

... ist Professor für Entwurf und Gestaltung an der Fakultät für Architektur an der Universität Venedig und seit 1991 dort Leiter der Abteilung für Architekturplanung. Außerdem betreibt er mit seiner Frau ein Architekturbüro in Udine und ist Partner eines Architekturbüros in Berlin-Charlottenburg.

Er beschäftigt sich unter anderem mit städtebaulicher Planung und legt besonderen Wert auf die architektonische Kultur der Stadt. In der italienischen Region Friaul, die 1976 von einem verheerenden Erdbeben getroffen wurde, entwarf und baute er eine Kirche und ein Rathaus. Burelli hat sehr erfolgreich an einigen städtebaulichen Planungswettbewerben in Berlin und Umgebung teilgenommen und gewann beispielsweise 1996 den 1. Preis für seinen städtebaulichen Entwurf "Unter den Linden (Komische Oper)". Vielbeachtet waren auch die Entwürfe für 13 Wohnhäuser und das evangelische Gemeindezentrum mit Kirche, das er in Potsdam baute. An der deutschen Stadt-Architektur bemängelt Professor Burelli, dass das einzelne Gebäude zu sehr im Mittelpunkt steht: "Die Bauwerke haben keinen Bezug zur Stadt."

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Stand: 6. Juni 2000