Stimmen aus dem Gemeinderat

Ausgabe Nr. 23 · 7. Juni 2000

Ernst Gund

CDU

Verlässliche Grundschule endlich!

Im Stadtblatt 21 meint Kollegin Vogel von der SPD-Fraktion der verlässlichen Grundschule die Note "mangelhaft" erteilen zu müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Kultusministerin Dr. Schavan hat den gordischen Knoten der ewigen Bedenken durchhauen und die verlässliche Grundschule ab September zur Pflicht gemacht.

Betrachten wir doch einmal das Schicksal der deutschen Grundschule. Der letzte verlässliche Grundschulunterricht fand am 26. Juli 1914 statt. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Grundschule in Deutschland eine Ganztagesschule wie auch die weiterführenden Schulen. In einer Jubiläumsbroschüre des Karl-Friedrich-Gymnasiums Mannheim ist der Stundenplan vor 1914 abgedruckt. Jeder Tag war mit Unterricht und Arbeitsgemeinschaften von 8 bis 16 Uhr gefüllt, am Nachmittag meistens Sport, Theater, Musik oder Sonderfremdsprachen. Mit Beginn des 1. Weltkriegs im Sommer 1914 wurden die wehrtauglichen Junglehrer eingezogen, der Nachmittagsunterricht entfiel - das Ende der Ganztagesschule. Im Laufe des Krieges wurden auch die anderen männlichen Lehrkräfte eingezogen und damit begann die durchlöcherte Vormittagsschule in Deutschland und Österreich. Von diesem Schlag hat sich die deutsche Schule nicht mehr erholt. In der Nachkriegszeit, während der Weltwirtschaftskrise, in der Nazizeit mit Aufrüstung, in der zweiten Nachkriegszeit begann sich die "unverlässliche Schule" im Bewusstsein der Lehrer und Eltern zu verfestigen. Kein Land der Welt erlaubte sich ein solches eltern- und kinderfeindliches Schulsystem durchzuhalten. Immer mehr Löcher fraßen sich in den Unterricht. Lehrerfortbildung wird praktisch nur während der Unterrichtszeit abgehalten, Konferenzen und Dienstgespräche, auch vom Staatlichen Schulamt verordnet, finden vormittags statt. Am Religionspädagogischen Tag schließen manche Schulen ganz. Stadtschulmeisterschaften finden nicht am Samstag statt, sondern unter der Woche. Die Einschulung der Erstklässler findet aus unerklärlichen Gründen eine Woche nach Unterrichtsbeginn statt. In allen anderen Ländern ist das am Samstag vor Unterrichtsbeginn. Es liegen Erklärungen der GEW und anderer Verbände vor, dass die Lehrer für ihre Rechte kämpfen sollen, ihre Fortbildung oder Korrekturen in der Unterrichtszeit wie bisher durchzuführen. Das, Frau Vogel, ist die bisherige Grundschule. Sie hätte die Note "mangelhaft" verdient.
Freuen wir uns, dass nun der erste Durchbruch gelungen ist und versuchen wir, dem Elternwillen auch nach einer ganztägigen Betreuung gerecht zu werden. Die Befragung der Stadt Heidelberg ergab unterschiedliche Wünsche der Eltern. Wir sollten endlich zum Dienstleistungsdenken auch an den Schulen zurückkehren. Seien wir bei der Schule konsequent: Wir haben uns am Wohl der Kinder und Familien zu orientieren. Das ist die einzige Richtschnur für eine kindgerechte Schule. Schweden ist hier ein leuchtendes Beispiel: dort ist die verlässliche Schule seit vielen Jahren verwirklicht, die Frauen können sich darauf verlassen, dass ihre Kinder nach dem vorgegebenen Stundenplan grundsätzlich versorgt sind. Als Ergebnis hat Schweden die höchste Geburtenrate in ganz Europa. Aber Deutschland gehört zu den Schlusslichtern. Dies wird nur verdeckt durch die laufende Zuwanderung kinderreicher Familien aus dem Osten. Jetzt ruft man nach einem Einwanderungsgesetz, damit wir nicht aussterben. Machen wir besser ein Schulsystem wie die Schweden, damit unsere Frauen Familie und Beruf miteinander verbinden können. Die Kinder stellen sich dann von ganz allein ein.
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Werner Brants

SPD

Schulentwicklung in Heidelbergs Süden

Was lange währt, wird endlich gut?
Am 18. Juni 1998 fasste der Gemeinderat von Heidelberg den Grundsatzbeschluss, in Kirchheim eine weiterführende Schule und eine Ganztagesgrundschule zu errichten. Nach anfänglichem Optimismus bezüglich der Zeitschiene wurde sehr schnell klar, dass es nicht ganz so schnell gehen würde wie gedacht. Standortsuche, Raumbedarf, Einvernehmen mit dem staatlichen Schulamt und Oberschulamt, Fragen, die alle der Klärung bedurften, wobei die Verhandlungen mit den Landesbehörden sich als besonders zäh erwiesen. Nunmehr scheinen die Hürden genommen, eine erste Neukonzeption steht kurz vor dem Abschluss und muss von dem Gemeinderat noch beschlossen werden.
Die SPD-Fraktion würde folgendes Konzept gerne mit umsetzen!
- Neubau einer Realschule in Kirchheim-Nord (Nähe ADAC)
- Umzug der Gregor-Mendel-Schule nach Kirchheim
- Ganztagesgrundschule und -hauptschule in der Geschwister-Scholl-Schule
- Die Robert-Koch-Schule verbleibt an ihrem Standort.
Dieses Modell bringt folgende Vorteile: In Rohrbach werden die von der Eichendorffschule dringend benötigten Schulräume frei. Die nicht benötigten Räume können einer anderen Nutzung zugeführt werden, z.B. Kindergarten, Stadtteilverein. Die künftige Realschule in Kirchheim ist sehr gut an das bestehende öffentliche Nahverkehrsnetz angebunden. Mit diesem kann die Schule ohne Umzusteigen von Heidelbergs Süden aus erreicht werden. Die unmittelbar angrenzenden Sporteinrichtungen bieten sich zur Nutzung an. Eine räumliche Trennung von Grund- und Hauptschule ist nicht erforderlich. Neben dem Neubau der Schule wird bei diesem Konzept allerdings noch ein Umbau an der Geschwister-Scholl-Schule notwendig, um den Raumbedarf zu decken. Über die Voraussetzungen zur Einrichtung einer Ganztagesschule und der verlässlichen Grundschule werden wir noch ausführlich berichten.
Für die Kurpfalzschule in Kirchheim zeichnet sich ebenfalls die Erfüllung eines langen Wunsches ab. Derzeit müssen die Kinder über die Schwetzinger Straße zur Turnhalle geführt werden. Bisher wurde die Meinung vertreten, dass der Bau einer Turnhalle in Schulnähe nicht möglich sei. Zwischenzeitlich werden verschiedene Varianten geprüft, wobei von einem positiven Ergebnis ausgegangen werden kann. Nach heutigen Kenntnisstand wäre eine Halle auf dem Schulgelände in der Größenordnung von 15 x 27 m denkbar. Hier soll dem Gemeinderat noch vor der Sommerpause ein Entwurf vorgelegt werden. Nach Vorlage werden wir mit den Betroffenen das Gespräch suchen, damit die zu bauende Halle den tatsächlichen Anforderungen auch gerecht wird.
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Fidan Ulucan-Kiliç

GAL

Videoüberwachung - vorgegaukelte Sicherheit!

Videoüberwachung auf dem Bismarckplatz wird zurzeit als Sicherheitsmaßnahme diskutiert. An diesem Platz wurden im Jahr 1999 von der Polizei 185 Delikte registriert, die zu 32 Prozent an Nachmittagen, zu 17 Prozent in der Dunkelheit begangen wurden, wobei die Aufklärungsrate circa 80 Prozent beträgt.
Wir bezweifeln, dass die vorgeschlagene Videoüberwachung die erwartete Abschreckung Krimineller zur Folge hätte, weil eine Verlagerung der Kriminalität beispielsweise in die Hauptstraße die Folge wäre, in der eine effektive Gefahrenabwehr noch unwahrscheinlicher erscheint. Die Bürger und insbesondere Jugendliche wünschen eine Polizei, die auf dem Platz präsent ist und unmittelbar eingreifen kann. Daher sind wir - wie auch die Heidelberger Polizeidirektion und die Gewerkschaft der Polizei - der Ansicht, dass Videoüberwachung nicht die Sicherheit der BürgerInnen erhöht, sondern diesen lediglich ein Sicherheitsgefühl vorgaukelt. Die personelle Verstärkung der Polizei sollte Vorrang vor einer Überwachung von unbescholtenen Bürgern im Herzen der Stadt haben. Als nicht geklärt sehen wir auch die Frage nach der verfassungsrechtlichen Ermächtigung und Rechtfertigung angesichts des überragenden Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, in das durch diese Maßnahme eingegriffen würde. Die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulässigkeit solcher Eingriffe, wie überwiegende Allgemeininteressen und eine verfassungsmäßige gesetzliche Regelung bedürfen näherer Überprüfung.
Nach wie vor müssen Eingriffe in Grundrechte Unbeteiligter ultima ratio bleiben, was nicht im Widerspruch zu den legitimen Zielen einer effektiven Gefahrenabwehr stehen muss.
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Nils Weber

Die Heidelberger

Justizreform

Leider können wir im Gemeinderat nicht über die sogenannte Justizreform entscheiden. Wir wollen Heidelbergs Bürger gleichwohl darüber informieren, was da auf sie zukommt:

Entgegen einer häufig zutreffenden Meinung ist der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein "Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-RG)" nicht nur ein Thema für Juristen, insbesondere Richter und Rechtsanwälte, sondern betrifft jeden einzelnen Bürger. Zu den Rahmenbedingungen, die den viel beschworenen "Wirtschaftsstandort Deutschland" prägen, zählt auch unser Rechtsschutzsystem. Aus ihm ergeben sich entscheidende Weichenstellungen für das Verhalten nicht nur großer Konzerne und mittelständischer Unternehmen, sondern auch für kleine Gewerbetreibende und Handwerksbetriebe sowie private Verbraucher.

Das Gesetzgebungsvorhaben, das von der Bundesministerin der Justiz als bürgernahe Vereinfachung apostrophiert wird, droht in der Praxis zu einem Abbau von Rechten der Bürger und zur Verstärkung des Misstrauens in die Justiz beizutragen. Gewiss drücken sich Juristen aus der Sicht der Bürger häufig unverständlich aus; dies gilt auch für die mit Streitfällen befassten Richter und Rechtsanwälte. Gerade deshalb ist es für den Bürger wichtig zu wissen, dass die Entscheidung eines Gerichts noch einmal von einem übergeordneten Gericht geprüft werden kann. Diese Kontrolle muss sich insbesondere auch darauf beziehen, ob die Tatsachen richtig gewürdigt wurden. Hier sieht der Gesetzentwurf erhebliche Einschränkungen vor, die zu einem weitgehenden Abbau einer zweiten Tatsacheninstanz führen. Komplizierte Sachverhalte, die von Sachverständigen rekonstruiert werden müssen, wie etwa größere Verkehrsunfälle mit mehreren Beteiligten, Baumängel, Software-Mängel, Arzthaftungsfragen und Vieles mehr werden nur noch eingeschränkt überprüfbar sein, weil das Berufungsgericht auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt werden soll.

Die danach verbleibenden Möglichkeiten einer Überprüfung sollen ausschließlich noch von den beiden Oberlandesgerichten in unserem Bundesland durchgeführt werden. Es ist aber keinem Handwerksmeister, der eine Forderung von 2.000 bis 3.000 Mark im Berufsverfahren verfolgt, zuzumuten, die zeitaufwendige Reise etwa von Ravensburg nach Stuttgart oder von Mosbach nach Karlsruhe auf sich zu nehmen. Auf diese Weise geht ihm ein ganzer Arbeitstag verloren. Wenn er darüber hinaus möglicherweise noch Angestellte als Zeugen zu diesem Termin mitbringen muss, kann er seinen Betrieb an diesem Tag ganz schließen. Die Umsatzeinbuße wird in der Regel die Höhe der eingeklagten Forderung übersteigen.

Wir hoffen, dass es auch in Berlin bald eine neue Mehrheit gibt, damit Heidelbergs Bürger von dieser "Reform" verschont bleiben.
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Dr. Ursula Lorenz

FWV

Ebert-Platz - Treffpunkt Ziegelhausen

Was lange währt, wird endlich gut! Und so konnte der Ebertplatz am 26. Mai bei Kaiserwetter durch die Oberbürgermeisterin, die an der Gestaltung beteiligten Ämter, Architekten, Baufachleute, Bezirksbeiräte und Kinder des Evangelischen Kindergartens eingeweiht wurden. Aber wo war die Bevölkerung?

Anwohner, Verkehrsverein und viele Bürgerinnen und Bürger Ziegelhausens haben ohne zu murren Unbill und Misshelligkeiten der langen Bauphase hingenommen. Zur Einweihungsfeier wurden Ziegelhausens Bürger nicht eingeladen, es durfte nicht einmal eine öffentliche Ankündigung des für uns so wichtigen Ereignisses erfolgen. Ist das Bürgernähe?
Und dennoch: das Zentrum Ziegelhausens darf jetzt als Kernstück und Treffpunkt des Stadtteils angenommen werden, auch ohne offizielle Einladung der Stadt.
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Dr. Annette Trabold

F.D.P.
ICE und Dezernatsfrage

Als Nachtrag zu meinen Anmerkungen zu regionalen Zugverbindungen noch eine Anmerkung zur überregionalen Anbindung Heidelbergs: Schon gemerkt? Heidelberg hat wieder eine ICE-Verbindung weniger. Der ICE-Sprinter, der täglich um 16.47 Uhr nach Berlin von Heidelberg aus fuhr, ist gestrichen. Hat sich schon jemand öffentlich beschwert? Nein, natürlich nicht. Ich sag's doch: Die Verantwortlichen fahren Auto oder fliegen......
Und nun noch zur Dezernatsfrage: Man kann es kaum fassen, dass sich auf die Baubürgermeisterstelle nur fünf Leute beworben haben. Die Vermutung liegt nahe, dass im Hintergrund Interessenten abgeraten wurde, sich zu bewerben. Und mit dem Vorschlag, gewisse Qualifikationen in die Ausschreibung als "wünschenswert" (sehr weiche Formulierung) aufzunehmen, blieben GAL und F.D.P. im Gemeinderat leider alleine.......
Auch wenn sich amtierende Dezernenten wieder auf eine Bürgermeisterstelle bewerben, ist es legitim, erst einmal eine inhaltliche Bewertung der vergangenen Legislaturperiode vorzunehmen. Die vorschlagsberechtigten Parteien benehmen sich manchmal zwar so, als sei alles eine Selbstverständlichkeit - aber dem ist nicht so. Die F.D.P. hat die Amtszeit von Dr. Beß als Sozial- und Kulturbürgermeister kritisch diskutiert und schließlich habe ich gegen ihn kandidiert, da ich mit der Amtszeit nicht zufrieden war. Jetzt ist es auch legitim und also für die F.D.P gar nichts Neues, das Dezernat an sich und die Amtszeit von Umweltbürgermeister Thomas Schaller kritisch zu prüfen. Haben sich die Strukturen im Sinne einer effektiven Verwaltung bewährt, sind wir mit der Amtsführung zufrieden? Diese Fragen werden wir mit Herrn Schaller nach Pfingsten persönlich diskutieren. Für politische Spielchen oder sogenannte "Zeichen" (derzeit das Modewort Nr. 1 im Gemeinderat) sind wir aber nicht zu haben.
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Anschriften der Fraktionen und Einzelmitglieder im Gemeinderat

CDU: Rohrbacher Str. 57, 69115 Heidelberg,
Tel.: 0 62 21/16 39 72, Fax 0 62 21/16 48 43
e-mail: CDU-GR-Fraktion-HD@t-online.de
SPD: Fischmarkt 3, 69117 Heidelberg,
Tel.: 0 62 21/16 67 67, Fax: 0 62 21/16 40 23,
e-mail: SPD-Fraktion-Heidelberg@t-online.de
GAL: Rohrbacher Str. 39, 69115 Heidelberg,
Tel.: 0 62 21/16 28 62, Fax: 0 62 21/16 76 87
e-mail: mail@gal-heidelberg.de
"Heidelberger": Bergheimer Str. 95, 69115 Heidelberg,
Tel.: 0 62 21/61 94 21, Fax: 0 62 21/61 94 22
FWV: Fischergasse 14-16, 69117 Heidelberg,
Tel.: 0 62 21/16 30 70, Fax: 0 62 21/65 98 30
Internet: www.FWV-hd.de
FDP: Zähringerstr. 44a, 69115 Heidelberg,
Tel. 0 62 21/24 56 4, Fax: 0 62 21/18 21 13
PDS: Sitzbuchweg 14, 69118 Heidelberg,
Tel.0 62 21/ 80 03 25

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Stand: 6. Juni 2000