Thema der Woche

Ausgabe Nr. 22 · 29. Mai 2002



Das Spiegelzelt auf dem Universitätsplatz wird vom 29. Mai bis zum 1. Juni zu einem Eldorado für Literaturfreunde.

Literatur-Treffpunkt auf dem Uniplatz

Internationale Autorinnen und Autoren lesen im Spiegelzelt, einem mobilen Tanzpalast aus dem Jahre 1908


Zu einem Höhepunkt im kulturellen Leben der Stadt haben sich in den letzten sieben Jahren die Heidelberger Literaturtage entwickelt. Vom 29. Mai bis 1. Juni werden insgesamt 15 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden ihre neuesten Werke vorstellen. Vier Tage lang ist dann das stimmungsvolle Jugendstilzelt auf dem Universitätsplatz der Treffpunkt für passionierte und professionelle Literaturfreunde.

Eine interessante Mischung aus Lesungen, Autorengesprächen und Diskussionen versprechen die Veranstalter der Heidelberger Literaturtage, zu denen die Büchergilde Buch und Kultur, das Bureau de la Coopération Universitaire, das Deutsch-Amerikanische Institut, das Kulturamt der Stadt, das Montpellier-Haus, die Stadtbücherei, der Wunderhorn Verlag und die Weiss'sche Universitätsbuchhandlung zählen. Unter dem diesjährigen Motto "Grenzerfahrungen" wurde wieder ein hochkarätiges Literatur-Festivalprogramm zusammengestellt, bei dem für jeden Geschmack von Roman bis Krimi etwas dabei ist. Gefördert werden die Literaturtage von der Stadt Heidelberg, dem Land Baden-Württemberg, den Heidelberger Druckmaschinen und dem Hotel Astron.

Josef Bierbichler


Liane Dirks

Nach der feierlichen Eröffnung der Literaturtage am Mittwoch, 29. Mai, um 20 Uhr durch Oberbürgermeisterin Beate Weber wird Theater- und Filmschauspieler Josef Bierbichler Auszüge aus seinem literarischen Debüt "Verfluchtes Fleisch" lesen. "Ein wild wucherndes, grimmiges, rätselhaftes, mythisches und visionäres Lebens- und Theaterbuch", urteilte die Süddeutsche Zeitung.

In der Reihe "Erlebte Geschichte - erzählt" ist am selben Tag um 16 Uhr Dr. Claus Helmut Drese zu Gast. Im Gespräch mit Michael Buselmeier gibt der ehemalige Intendant an namhaften deutschen Bühnen, unter anderem dem Theater der Stadt Heidelberg, Einblicke in seine Theatererinnerungen.

Die hartnäckige Suche nach einer fast verlorenen Liebe ist Thema des neuen Romans von Jessica Durlacher, den sie um 18.30 Uhr vorstellt. "Die Tochter", angesiedelt im jüdisch-niederländischen Milieu, ist ein spannender Psychothriller über die Suche nach der eigenen Identität, in dem Opfer und Täter die Plätze tauschen. Mit den Grenzen der Leidenschaft befasst sich um 20.30 Uhr Leon den Winters Romanfigur "Leo Kaplan", ein Virtuose des Ehebruchs, der erst durch das Wiedersehen mit seiner Jugendliebe zur Einsicht kommt.

Mit seinem Buch "Grand Tour" wird Steffen Kopetzky die Zuhörer um 22.30 Uhr mit auf eine turbulente Fahrt quer durch Europa nehmen, die in der Sylvesternacht der Jahrtausendwende endet.

Das ausführliche Programm der Literaturtage liegt in zahlreichen öffentlichen Gebäuden aus und ist im Internet unter www.heidelberger-literaturtage.de zu finden.

Eintrittspreise
Bei den Kinder- und Jugendveranstaltungen von Jutta Richter und Vera Zingsem ist der Eintritt frei. Für alle anderen Lesungen gilt der Preis von 7 Euro, ermäßigt 5 Euro. Außerdem werden Sammelkarten für drei Lesungen zu 18 Euro, ermäßigt 12 Euro, und Dauerkarten für 50 Euro angeboten.

Kartenvorverkauf
Den Vorverkauf haben die Büchergilde Buch und Kultur, Kleinschmidtstraße 2, die Bücherstube an der Tiefburg, Dossenheimer Landstraße 2, die Unibuchhandlung Braun, Sofienstraße 3, und die Weiss'sche Unibuchhandlung, Universitätsplatz 8, übernommen.

Kartenreservierungen ...
... nimmt auch die AG Heidelberger Literaturtage per Fax unter 58-3349 oder E-Mail kulturamt@heidelberg.de entgegen.
   
 
 

Achtung: Programmänderung

Gegenüber dem gedruckten Programm haben sich zwei Änderungen ergeben: Die Lesung von Camille Laurens entfällt. Am Donnerstag, 30. Mai, um 11 Uhr liest Ulrich Peltzer aus seinem Buch "Bryant Park" ("Bei Peltzer liest man die bisher überzeugendste, kontrollierteste Schilderungen jener absurd-ohnmächtigen Situation, in die wir alle am 11. September vor dem Fernseher hineingeraten sind", so die Frankfurter Rundschau). Auch Jorge Semprun hat seine Teilnahme abgesagt. Wer die Abschluss-Lesung am 1. Juni um 20.30 übernimmt, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

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Karla Jauregui, der Leiterin des Montpellier-Hauses

Ein Festival des Buches

Ein Gespräch mit Karla Jauregui, der Leiterin des Montpellier-Hauses


Über den besonderen Reiz der Heidelberger Literaturtage, die Arbeit hinter den Kulissen und die französischen Autoren spricht Karla Jauregui, die diesjährige Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Heidelberger Literaturtage im Stadtblatt-Interview.

STADTBLATT: Wie wählen Sie die Autorinnen und Autoren aus, die Sie zu den Heidelberger Literaturtagen einladen?

Karla Jauregui: Es ist so, dass jeder Teilnehmer der Arbeitsgemeinschaft Heidelberger Literaturtage ein oder zwei Schriftsteller einlädt. Für mich ist wichtig, dass es Autorinnen oder Autoren sind, die von der Kritik und dem Publikum in Frankreich geschätzt werden. Um so größer ist die Chance, dass sie auch in Deutschland erfolgreich sind. Als Vertreterin der Stadt Montpellier habe ich eine Schriftstellerin aus der Gegend von Montpellier eingeladen, Camille Laurens. In ihrem Roman geht es darum, das Geheimnis "Mann" zu erforschen und die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu erkunden oder herauszufinden, was in den Augen der Erzählerin den Mann so geheimnisvoll macht.

STADTBLATT: Seit sieben Jahren veranstaltet diese Gruppe Heidelberger Kulturschaffender die Literaturtage. Hat sich seit dem an der Konzeption etwas geändert?

Jauregui: Ich denke nicht, allerdings bin ich erst seit vier Jahren dabei. Es ist nach wie vor ein Festival des Buches und der Schriftsteller. Die Mitglieder der AG sind fast alle dabeigeblieben. Nur das Institut Français gibt es nicht mehr, wurde aber durch das Bureau de la Coopération Universitaire ersetzt. Dieses Büro hat auch einen französischsprachigen Schriftsteller eingeladen, nämlich Jean-Pierre Verheggen, der in der frankophonen Welt als "Jongleur der Worte" gilt. In seinem neuen Buch "Artaud Rimbur" erzählt er uns von Schriftstellern, die er verehrt wie Rimbaud, Nietzsche oder Perec. Insgesamt werden wir drei französische Autoren hier haben, der dritte ist Françoise Dufay, eingeladen vom Wunderhorn Verlag, von Manfred Metzner. Sein Roman "Die Herbstreise", der schon in deutscher Übersetzung erschienen ist, spielt im Paris der 40er Jahre und zeigt die zunächst schleichende und dann ganz offene Kompromittierung der Intellektuellen durch den Nationalsozialismus.

STADTBLATT: Wie ist die Resonanz beim Publikum?

Jauregui: Es gibt jedes Jahr mehr Besucher. Im Jahr 2000 wurden 2800 Zuschauer gezählt und im vergangenen Jahr kamen insgesamt 3500 Besucher. Wenn man bedenkt, dass es im Spiegelzelt maximal 300 Plätze pro Veranstaltung gibt, ist das ein sehr gutes Ergebnis. Neun von zwölf Lesungen waren im vergangenen Jahr ausverkauft.

STADTBLATT: Was macht für Sie den Reiz der Literaturtage aus?

Jauregui: Ganz wichtig ist das Spiegelzelt, weil es wirklich ein ganz spezielles Ambiente schafft. Für uns als Veranstalter ist es auch eine sehr schöne gemeinsame Arbeit. Normalerweise hat ja jeder Veranstalter sein eigenes Programm und ist allein in seiner Ecke. Aber für diese große Veranstaltung setzen wir uns ein Jahr lang regelmäßig alle zusammen. Wir treffen uns im Kulturamt, ich finde diese Sitzungen sehr anregend und über das Jahr hinweg bereiten wir so die Literaturtage vor. Die gemeinsame Arbeit und das Erleben der Schriftsteller macht für mich einen ganz großen Reiz aus.

STADTBLATT: Und was macht die Literaturtage für die Leser so attraktiv?

Jauregui: Es ist das passende Ambiente. Das Spiegelzelt ist nicht zu groß aber doch groß genug, damit Viele Platz finden. Man kann die Schriftsteller nach der Lesung noch erleben, es ist immer Zeit für eine Diskussion und das kann man auch mit einem Kaffee, einem Bier oder einem Glas Wein verbinden. In den Nischen gibt es die Möglichkeit, die Bücher zu kaufen und die jeweiligen Veranstalter kennen zulernen.

STADTBLATT: Gibt es wieder kostenlose Kinder- und Jugendveranstaltungen?

Jauregui: Ja, für die Kleineren wird Jutta Richter ihr Buch "Hinter dem Bahnhof liegt das Meer" vorstellen. Das ist eine wunderbare Geschichte über Sehnsucht, Freundschaft, Verantwortung und über Schutzengel. Für Jugendliche ab etwa zwölf Jahren wird Vera Zingsem aus ihrem Buch "Einladung nach Jerusalem" lesen, der Geschichte von einem Mädchen, dass in den Sommerferien nach Jerusalem zu einer pälestinensischen Gastfamilie fährt.

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Stand: 28. Mai 2002