Kultur

Ausgabe Nr. 21 · 26. Mai 1999



Am 12. Juni auf der Heidelberger Bühne: "Blaubart ñ Hoffnung der Frauen", präsentiert vom Bayerischen Staatsschauspiel München. (Foto: Fernschild)
Vom 6. bis 12. Juni: Heidelberger Stückemarkt

Stück für Stück

Deutschsprachiges Gegenwartstheater in Heidelberg: Fünf Gastspiele aus vier Städten haben sich zum diesjährigen Stückemarkt im Theater der Stadt Heidelberg angekündigt.

Eröffnet wird der Heidelberger Stückemarkt in diesem Jahr am Abend des 6. Juni mit der Uraufführung von Gerhard Ortinaus Schauspiel "Käfer". Wie Intendant Dr. Volkmar Clauß berichtet, hat sich das Theater in diesem Jahr dagegen entschieden, den im vergangenen Jahr prämierten Münchner Autor Marius von Mayenburg mit seinem Stück "Feuergesicht" aufzuführen. Der Grund? Drei deutsche Theater spielen das Stück derzeit bereits. Verzichten muss das Theaterpublikum deswegen trotzdem nicht auf den Gewinner des Vorjahres. Sowohl das Kleist-Theater Frankfurt an der Oder als auch die Münchner Kammerspiele treten mit "Feuergesicht" zum Stückemarkt an. So gibt es in Heidelberg die einmalige Gelegenheit, zwei völlig unterschiedliche Inszenierung ein und desselben Stückes zu sehen.

Ebenfalls zu Gast auf der Heidelberger Bühne: Das Staatstheater Stuttgart mit Moritz Rinkes "Der Mann, der noch keiner Frau Blöße entdeckte", das Staatsschauspiel Dresden mit Gerlind Reinshagens "Die grüne Tür oder Medea bleibt" und das Bayerische Staatsschauspiel München mit Dea Lohers "Blaubart ñ Hoffnung der Frauen". Nach den Vorstellungen besteht wieder die Gelegenheit, bei den "Publikumsgesprächen" mit Autoren und Produktionsteams zu diskutieren.

Karten für den Heidelberger Stückemarkt gibt es im Vorverkauf an der Theaterkasse, Theaterstraße 4, Telefon 58 35 20/23, Karten für Vorstellungen im Studio im Zwinger 3, Zwingerstraße 3-5, Telefon 58 35 46. Für alle Aufführungen gilt das Last-Minute-Ticket. Der Eintritt zu Vorträgen, Diskussionen und Lesungen ist frei. (eu)

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  Jury vergibt Autorenpreis beim Stückemarkt
 

Forum für Autoren

  Heidelberger Stückemarkt: das sind nicht nur Gastspiele auf der Bühne, sondern auch Lesungen im Foyer des Theaters. Als "Forum junger Autoren" bietet der Stückemarkt Nachwuchsautoren eine Plattform.
In szenischen Lesungen werden in diesem Jahr dem Publikum sechs ungespielte Stücke deutschsprachiger Dramatiker vorgestellt (siehe Kästen). Sie alle sind Kandidaten für den mit 20.000 Mark dotierten "Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes", den das Theater in diesem Jahr erstmals mit dem Frankfurter S. Fischer Verlag vergibt. Die Entscheidung über den Preisträger trifft eine überregionale Jury, der diesmal die Münchner Kritikerin Ingrid Seidenfaden, die Berliner Regisseurin Karin Henkel sowie der Preisträger des vergangenen Jahres, Marius von Mayenburg, angehören.

Der Stückemarkt wird in diesem Jahr wieder von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet, das ZEIT-Feuilletonchefin Sigrid Löffler am Sonntag, 6. Juni, um 17.15 Uhr mit dem Vortrag "Das Theater in den Zeiten des Kapitalistischen Realismus - Anmerkungen zur gegenwärtigen Lage" eröffnet. (eu)

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Jens Roselt
LESUNG 1

"Desperados"

Der skrupellose Meinungsforscher Maus wird von einer Organisation engagiert, die Lage der öffentlichen Meinung zu erkunden. Maus ist der beste Mann seines Gewerbes, doch selbst für ihn ist diese Aufgabe schwierig: es gibt kein Thema, zu dem er die Menschen befragen soll. Trotzdem macht er sich auf die Suche nach der öffentlichen Meinung. Bald stellt sich heraus, dass die Auftraggeber von Maus die uneingeschränkte geistige Kontrolle aller Bürger anstreben. Sie machen sich alles, was Maus von der "Meinungsfront" berichtet, zu eigen. Nur Falk, der zu nichts eine Meinung hat, gefährdet das Projekt der absoluten KontrolleÖ
Donnerstag, 10. Juni, 14 Uhr
 

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Gerd Fuchs
LESUNG 2

"Liebesmüh"

In der Bahnhofsgaststätte einer Provinzstadt trifft die zur Abreise entschlossene Rechtsanwältin Wolken auf den Antiquitätenhändler Korn. Es entwickelt sich ein Spiel von Anziehung und Resignation, Flirt und Flucht, von Wollen und nicht Können: die Liebe ist den älteren Herrschaften nicht mehr alleine Lust, sie ist auch schon einige Müh. Die beiden lassen sich nicht leicht aus der Fassung bringen. Wie sie sich im Verlauf des Stückes gegenseitig immer wieder Mut machen, wie ihre Müh sich allmählich zu lohnen scheint, und wie schließlich (maßvoll) in Erfüllung geht, was sie kaum noch zu hoffen wagten, das ist ebenso komisch wie anrührend.
Donnerstag, 10. Juni, 16.30 Uhr
 

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Helmut Krausser
LESUNG 3

"Diptychon"

Mutter ist die Beste! Das weiß die Mutter selbst, und das weiß auch ihr Sohn. Dennoch muss dieses Wissen ab und zu überprüft werden. Darum wird hin und wieder eine Anna ins Haus bestellt und auf ihre Tauglichkeit als Frau überprüft. An einem Tag sitzt Elkeanna im trauten Heim der Familienzelle, und während sie noch denkt, sie sei zu einem erotischen Abenteuer gebeten, hat der Sohn bereits kapituliert. Keine andere als seine Mutter taugt etwas. Das Todesurteil ist gesprochen. Elkeanna wird, wie all die Annas vor ihr, umgebracht. Tags darauf räumt Mutter auf: Sie trägt verschnürte Plastiktüten zum MüllcontainerÖ
Freitag, 11. Juni, 14 Uhr
 

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Vera Kissel
LESUNG 4

"Mondkind"

Die Putzfrau Anka hat einen fast 30-jährigen schwer geistig behinderten Sohn. Anton, den seine Mutter "ihr Mondkind" nennt, hat die mentale Entwicklung eines Fünfjährigen. Wenn Anka einmal nicht auf ihn aufpassen kann, bindet sie ihn in der Küche an einer Kette fest. Sie ist überzeugt, durch ihren Sohn eine selbstverschuldete Strafe abbüßen zu müssen. Längst hat Anka resigniert und sich damit abgefunden, dass sie und ihr Sohn eben nicht gesellschaftsfähig sind. Als sie Rudi kennen lernt, scheint ihr Leben eine Wende zu nehmen. Doch als sie schwanger wird, wächst ihre Angst vor einem zweiten "Mondkind"...
Freitag, 11. Juni, 16.30 Uhr
 

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Roger Lille
LESUNG 5

"Südwärts"

Eine Frau, ein Mann: ein Abschied am Sterbebett, Bruchstücke einer gemeinsamen Geschichte. Gefangen in der Einsamkeit des Erinnerns sinnen sie ihrer Liebe nach, deren Scheitern sich in gemeinsam verbrachten Tagen im Süden Frankreichs kristallisiert. Lilles Text gleicht in seiner Komposition einer Fuge: zwei voneinander isolierte Monologe, die jedoch vereinzelt miteinander kommunizieren, sich ineinander verzahnen. Ein wellenförmiges Annähern und Abdriften, Sich-Erkennen und Suchen in der Erinnerung. Doch die Bilder der Vergangenheit laufen aneinander vorbei. Der Versuch sich ein letztes Mal zu begegnen, bleibt vergeblich. Die ehemals Liebenden bleiben einander fremd.
Samstag, 12. Juni, 13 Uhr

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Anna Langhoff
LESUNG 6

"Papageienfleisch"

Ein Ort wie Dubrovnik oder Groznyi am Meer... Wer die Stadt verlassen will, landet im Café Papagei neben dem Busbahnhof. Hier findet sich an einem Tag im Waffenstillstand eine desolate Reisegruppe ein. Alle werden um das Fahrgeld in die "bessere Welt" betrogen, während nur wenige Kilometer entfernt Touristen aus dem Norden schon wieder die Strände bevölkern. Sechs Frauen und ein Mann mit Handy. Alle haben sie den Bürgerkrieg gerade so überlebt. Trotz Apathie und Misstrauen geraten sie ins Reden und aneinander. Allmählich setzen sich die Geschichten um Verrat, Mord und Vergewaltigung zu einem beklemmenden Bild der Zerstörung zusammen.
Samstag 12. Juni, 15.30 Uhr

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Stand: 25. Mai 1999