Thema der Woche

Ausgabe Nr. 21 · 23. Mai 2001



Am vergangenen Freitag traf das erste Exemplar einer neuen Straßenbahn-Generation bei den Zürcher Verkehrsbetrieben ein. Die "Cobra-Tram" wird von der Heidelberger Delegation mit großem Interesse besichtigt. (Foto: Rieck)





Dichter Straßenbahn- und Trolleybusverkehr in der Berner Fußgängerzone (Foto: Rieck)

"Dem Tram gehört die Zukunft"

Zürich und Bern erweitern ihr Straßenbahnnetz - Informationsfahrt des Gemeinderates


"Dem Tram"? Nein, das kein Druckfehler, denn für die Schweizer ist es nicht "die", sondern "das Tram", dem die Zukunft gehört. Wie konsequent unsere eidgenössischen Nachbarn den Ausbau ihrer Trambahnnetze betreiben, dazu hatten am letzten Wochenende Stadträtinnen und Stadträte, Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung sowie Vertreter der Medien Gelegenheit, sich vor Ort zu überzeugen. Der Besuch einer Heidelberger Delegation unter der Leitung des Ersten Bürgermeisters Prof. Dr. Raban von der Malsburg galt den Verkehrsbetrieben in Zürich und Bern, die - ebenso wie eine Reihe anderer Städte in der Schweiz - gerade dabei sind, ihr Liniennetz zu erweitern.

Während langer Zeit auch in der Schweiz als veraltetes Transportsystem geschmäht, gilt die Straßenbahn dort heute - nicht zuletzt dank technischer Fortschritte wie der Niederflurtechnik - aus verkehrspolitischer, wirtschaftlicher und ökologischer Sicht wieder als interessante und kostengünstige Alternative im öffentlichen Verkehr. Neben Zürich und Bern setzen auch Genf, Lausanne, Basel, Luzern und Zug auf die Tram als Stadtverkehrsmittel der Zukunft.

Zürich ist Weltspitze: 470 Fahrten pro Jahr
Erste Station der Reise war Zürich, die mit rund 360.000 Einwohnern größte Stadt der Schweiz. Das Zürcher Tramnetz, das mit 68 Kilometern Länge heute schon das ausgedehnteste der Schweiz ist, soll in den kommenden Jahrzehnten um rund fünfzig Prozent erweitert werden, wie Peter Stirnemann von den Verkehrsbetrieben der Stadt Zürich (VBZ) den Heidelberger Gästen erläuterte.

Jeder Zürcher fährt im Jahr durchschnittlich 470 mal - also mehr als einmal pro Tag - mit Straßenbahn, Bus oder S-Bahn. Das ist Weltspitze und zeigt die große Akzeptanz des öffentlichen Nahverkehrs in Zürich. Rund des zwei Drittel des Verkehrs in der Stadt wird mit Bussen und Bahnen zurückgelegt.

Öffentlichen Verkehr bevorzugen
Ein Grundsatzbeschluss des Zürcher Gemeinderates - vergleichbar mit unserem Heidelberger Verkehrsentwicklungsplan - weist die städtische Exekutive an, "den öffentlichen Verkehr grundsätzlich zu bevorzugen". Die Verwaltung setzt das in die Tat um, indem unter anderem keine neuen Parkmöglichkeiten mehr geschaffen werden.

Zwei neue Strecken sind in Zürich derzeit in Planung. Die "Tram Pfingstweid" soll einen neuen Stadtteil mit 7.000 Einwohnern und 30.000 Arbeitsplätzen erschließen. Bei der "Renaissance-Tram" handelt es sich im wahrsten Sinne des Wortes um eine Wiedergeburt: Auf der Linie 1, die 1954 aufgegeben wurde und derzeit von einem Oberleitungsbus bedient wird, soll künftig wieder eine Straßenbahn fahren.

Der Zufall wollte es, dass die Heidelberger Gäste Gelegenheit hatten, an einer ganz besonderen Premiere teilzunehmen. Am vergangenen Freitag traf das erste Exemplar einer neuen Straßenbahn-Generation in Zürich ein: die von Bombardier hergestellte "Cobra-Tram". "Es ist eine Seltenheit", zeigte sich VBZ-Direktor Thomas Portmann beeindruckt, "wenn man alle dreißig bis vierzig Jahre eine neue Tramgeneration bestellen kann." Bisher besteht der Zürcher Fuhrpark noch überwiegend aus älteren Fahrzeugen, der mehrere Jahrzehnte alten "Mirage" und der rund 25 Jahre alten "Tram 2000", beide aus Schweizer Produktion.

Bern: Tram statt Trolley
Auch Bern ist eine Stadt des öffentlichen Nahverkehrs. Jede Bernerin, jeder Berner fährt pro Jahr im Durchschnitt 420 mal mit den Bussen und Bahnen von "Bernmobil", wie sich die Verkehrsbetriebe seit diesem Jahr nennen. Die Schweizer Bundeshauptstadt ist von ihrer Größe (130.000 Einwohner) und ihrem Einzugsgebiet (330.000 Einwohner) mit Heidelberg sehr gut vergleichbar. Drei Straßenbahnlinien, fünf Trolleybuslinien und elf Dieselbuslinien erbringen jeweils etwa ein Drittel der Verkehrsleistung (Heidelberg: vier Straßenbahn- und 17 Buslinien).

Zwei der Oberleitungsbuslinien, auf denen in Spitzenzeiten alle sechs Minuten ein Bus verkehrt, "sind an der Sättigung angelangt", wie Hans Berger, Technischer Direktor bei Bernmobil, erläuterte. Eine Wirtschaftlichkeitsstudie hatte zudem ergeben, dass der Straßenbahnbetrieb längerfristig die kostengünstigere Variante darstellt. 1998 hat die Stadt Bern deshalb die Umstellung dieser beiden Buslinien auf Straßenbahnbetrieb beschlossen. Der für die Schienen notwendige Platz wird durch einen Rückbau der Straße geschaffen.

Für die Planung hat man einen Ideenwettbewerb ausgelobt, der durch einen "quartierbezogenen Mitwirkungsprozess", wie man in der Schweiz sagt, begleitet wird. Hans Stucki, Sprecher der "Quartierkommission" (entspricht in Heidelberg dem Bezirksbeirat): "Es ist für ein so großes Projekt außerordentlich wichtig, dass die Bewohner frühzeitig einbezogen werden." Man habe, so Stucki, zum Projekt im Stadtteil "ja, aber" gesagt und die Chance genutzt, Wünsche nach "weiträumigen flankierenden Maßnahmen" bei der Stadtverwaltung geltend zu machen.

Bern verfolgt das Fernziel, wie der Leiter des Stadtplanungsamtes Dr. Jürg Sulzer ausführte, "wirtschaftliche Ökostadt" werden. Mit der Umstellung der Buslinien auf Straßenbahnbetrieb kommt die Stadt diesem Ziel einen Schritt näher. Nicht nur die Gesamtstadt ist der Gewinner, sondern ebenso die Stadtteile. Hans Stucki: "Vergessen Sie nicht die Aufwertung eines Quartiers, die durch die Entflechtung des Verkehrs ermöglicht wird. Das bringt Lebensqualität." Und die Geschäfte in den Stadtteilen? Sie konnten ihren Umsatz steigern, denn "man fährt durch die Straße wie durch eine Vitrine" wie Heidelbergs Erster Bürgermeister bemerkte. (rie)

 

 

Tram beliebter als Bus

Die Züricher Nahverkehrsbetriebe, die sowohl Straßenbahnen als auch Oberleitungsbusse (Trolleybusse) einsetzen, haben die Fahrgäste nach ihrer Einschätzung dieser beiden Verkehrsmittel befragt. Die Straßenbahn kommt dabei in allen Punkten deutlich besser weg als der Oberleitungsbus. Insbesondere werden der Tram die Attribute "fortschrittlich", "sympathisch", und "angenehm" zugesprochen. Auch bezüglich der Einschätzung von Sicherheit, Schnelligkeit und Pünktlichkeit ist sie dem Bus überlegen.
   
 

Attraktiv, preisgünstig, komfortabel

  So sieht man in Bern die Straßenbahn:

"Das Tram ist leistungsfähiger als der Bus
Ein Tram transportiert mit gleich viel Personal 50 Prozent mehr Fahrgäste als ein Bus. Je höher die Zahl der Fahrgäste und je größer die Distanzen, umso vorteilhafter wird das Tram.

Das Tram erhöht den Fahrkomfort
Ein schienengeführtes Verkehrsmittel fährt ruhiger und konstanter als ein Bus. Damit steigt der Reisekomfort. Das Tram reduziert die Verkehrsmenge. Die Umstellung auf Trambetrieb entlastet den Straßenverkehr. Für die gleichen Transportkapazitäten sind weniger Fahrzeuge erforderlich, zudem soll das Tram wo immer möglich ein Eigentrassee erhalten.

Das Tram unterstützt die städtebauliche Entwicklung
Mit der neuen Linienführung richtet sich das Tram Bern West auf die künftige Nachfrage aus (...) Das Tram ist Voraussetzung dafür, dass sich die stadtplanerischen Zielsetzungen in Bern West umsetzen lassen."

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Stand: 22. Mai 2001