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Ausgabe Nr. 21 · 23. Mai 2001 |
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Sabine Peters |
"Unerschöpfliche Neugier auf die Welt" |
Clemens Brentano Preis 2001 für Sabine Peters Für ihren Erzählband "Nimmersatt" erhält Sabine Peters den Clemens Brentano Preis 2001. Den Literatur-Förderpreis vergibt die Stadt Heidelberg alljährlich in Zusammenarbeit mit dem Germanistischen Seminar der Universität. 1961 in Neuwied geboren, studierte Sabine Peters Germanistik, Politologie und Philosophie in Hamburg. Seit 1988 lebt sie im Rheiderland in Ostfriesland und arbeitet als Autorin und Literaturkritikerin für diverse Zeitungen und Sender. Mit ihrem Werk "Nimmersatt" zeichnet die Preisträgerin ein Porträt unserer Zeit. Sie präsentiert 32 Personen, die in monologischer Rede über ihr Leben, ihre Lebensumstände, ihre Freuden und Sorgen berichten. Ulrike Hacker, Germanistin und ehemalige Jurorin, sprach mit der Preisträgerin. Ulrike Hacker: Welchen Menschen begegnen wir in "Nimmersatt?" Sabine Peters: Die Figuren sind so beschädigt, verletzt, freundlich, verwirrt, bescheuert und beschränkt, wie ich uns wahrnehme, aber es steckt auch Komisches und Kraftvolles in der Art, wie sie sich ausdrücken, wie sie übertreiben, wie sie sich an ihren Gefühlen aufputschen - da wollte ich, dass Energie und Intensität spürbar werden, die es nicht erlauben, sie ausschließlich als Leidende und Opfer zu sehen. Hacker: Wie sah der Entstehungsprozess zu "Nimmersatt" aus? Peters: Als ich wusste, dass das neue Projekt den Gefühlen und Stimmungen, den Stimmen von Zeitgenossen nachhorchen soll, klärte sich allmählich die Form. Anfangs dachte ich, eine übergeordnete Handlung, eine Geschichte konstruieren zu müssen, aber dann stellte sich heraus, das würde nur eine Ablenkung von der eigentlichen Arbeitsabsicht bedeuten: nämlich die Wahrnehmung auf den Sprachfluss der jeweiligen Figur zu konzentrieren. Hacker: Die erste und die letzte Episode in Ihrem Erzählband scheinen eine Klammer zu bilden und gerade die letzte Episode zeichnet sich aus, indem sich da der Ton ändert. Ruhe und Abgeklärtheit kehren ein. Peters: Im ersten Text erfährt man, dass die Autorin Marie an einem Projekt schreibt, das sie "Stimmungen und Stimmen" nennt. Der letzte Text setzt da an, wo ihr Mann Rupert diese Texte gelesen hat. Die Figur Rupert sollte gewissermaßen begütigen: All das Ach- und Wehgeschrei, das Zetern, Hetzen, auch das Jubilieren, das hat, wie schräg auch immer, sein Recht und seine Gültigkeit, es ist unvermeidbar. Oder so: Es macht das Menschsein aus, Rede-Wesen zu sein; wir kommen nicht daran vorbei, permanent die Welt und den eigenen Zustand zu deuten, zu kommentieren, zu missdeuten.... Das Reden ist sozusagen organisch, es ist ein Teil des Körpers, es ist eine Art fortgesetztes Atmen solange, bis wir tot sind. Hacker: Wie gelingt es den Redefluss von 32 Personen einzufangen? Peters: Also, ich sitze nicht mit Papier und Stift neben meinen Zeitgenossen, da käme ich mir vor wie ein Schmetterlingsjäger. Die Texte, die mir selbst am besten gefallen, sind nicht "abgeschriebene Rede", sondern sie können durch Verdichtung, Konzentration und Übertreibung für sich selbst stehen und sind etwas Eigenes. Außerdem geht es ja nicht darum, eine wirkliche Person aufs Korn zu nehmen. Hacker: Wie groß ist Ihr Anteil an den Protagonisten in "Nimmersatt"? Beobachten und schreiben Sie eher aus der Distanz oder sind sie ganz und gar involviert in den Text? Peters: Beim Schreiben geht es hin und her zwischen Nähe und Distanz. Ein leidenschaftlicher Autofahrer zu Beispiel, das ist eine Figur, unter der ich mir erst mal nichts oder nicht viel Gutes vorstellen kann. Aber dann sucht man Worte für ihn und seinen vielleicht fast kindlichen Stolz und erwärmt sich; man schreibt tatsächlich, als säße man fiebrig hinters Steuer geklemmt. Und die Arbeit am Text besteht eben auch im Abkühlen. Man tritt zurück, und versucht, dem kindlich schönen, rauschhaften Größenwahn noch in der Rede der Figur Brüche zu geben, Zwischentöne, so das diese Stimmung, wie auch andere, zumindest ambivalent wird. Hacker: "Nimmersatt" - ein negativ besetzter Begriff? Sabine Peters - eine Kulturpessimistin? Peters: Die Bezeichnung "Nimmersatt" ist für mich absolut positiv besetzt, als unerschöpfliche Neugier auf die Welt und auf die Menschen. Bei "Nimmersatt" hat mich vor allem Gegenwärtiges interessiert, und ich halte mich nicht für kulturpessimistisch, allenfalls für kulturkritisch. |
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