Stimmen aus dem Gemeinderat

Ausgabe Nr. 20 · 19. Mai 1999

CDU

Liebe Heidelberger,

das Geschehen um die Boschwiese beschäftigt seit einiger Zeit Presse und Politik dieser Stadt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich persönlich zu diesem Thema äußern, auch wenn meine Meinung nicht die der gesamten CDU-Fraktion darstellt.

Die Klaus-Tschira-Stiftung hat eine gültige Baugenehmigung, die ehemaligen SDR-Studios neben der Villa Bosch in ein Seminargebäude umzubauen. Die Bauarbeiten sind in vollem Gange. Der Betrieb des Seminargebäudes wird KFZ-Verkehr verursachen und Besucher sowie Mitarbeiter werden Parkraum beanspruchen. Die für die Baugenehmigung notwendigen Stellplätze sind nachgewiesen. Dem Betrieb des Gebäudes steht nichts mehr im Wege.

Dennoch, ein wissenschaftlich und kulturell erfolgreiches Institut wird unzweifelhaft für eine gewisse Anzahl von Veranstaltungen mehr Parkraum benötigen. Es müssen daher, wie es bereits jetzt Realität ist, Mitarbeiter und Besucher (auch angrenzender Firmen) zum Teil im Schloß-Wolfsbrunnenweg parken. Dieses Bild und die dadurch bedingten Verschlechterungen der Verkehrssituation vor Auge, veranlasst den Betreiber bereits im Vorfeld, den Bau einer Tiefgarage zu beantragen, um die absehbare, zum Teil jetzt schon vorhandene Parkraumknappheit zu entschärfen und um das Erscheinungsbild des Schloß-Wolfsbrunnenweges eben nicht nachteilig zu verändern.

Eine vernünftige Möglichkeit mehr Parkraum zu schaffen ist, abgesehen von ein paar utopischen Vorstellungen, dies auf dem Gelände der Villa Bosch zu versuchen, eine Tiefgarage auf der gegenüberliegenden Boschwiese zu realisieren.

Also Boschwiese auf, Tiefgarage hinein, Boschwiese wieder zu (mit identischen Geländeverlauf und Begleitung durch den Naturschutz), und in ein paar Jahren ist, im wahrsten Sinne des Wortes, Gras über die Angelegenheit gewachsen. So einfach wäre dies andernortes, aber wir sind ja in Heidelberg. Da melden sich nun Bedenkenträger jedweder Couleur zu Wort, erklären die Boschwiese und alles darunter liegende kurzerhand zum öffentlichen Sakralgewann, und stilisieren ein örtlich begrenztes Bauvorhaben zu einer Angelegenheit von stadtweitem Interesse. Man ist dagegen - teils aus grundsätzlich-ökologischen Gründen (das kann man ja noch ansatzweise verstehen), teils aus fundamental-juristischen Überlegungen (dann könnte ja jeder…), teils weil man sich nicht festlegen will oder andere Scheinalternativen vorschlägt (da braucht es erst mal einen Schlossberghangentwicklungsplan und mit dem Fahrrad kommt man schließlich überall hin), teils aus historischen Gründen etc. Das geht so weit, das man in der Öffentlichkeit, die ebenso unpassende wie unverschämte Frage nach der Käuflichkeit der Stadtspitze stellt.
Das Gesamtbild dieser Situation ist symptomatisch für diese Stadt, wenn jemand hier etwas erschaffen will, wird aus jeder Mücke ein Elefant gemacht, und jede Kleinigkeit wird so zerredet, dass einem schnell die Lust vergeht weiterzumachen.

Was in der Öffentlichkeit nicht diskutiert wird, ist die Frage, was hat denn die Tschira-Stiftung überhaupt vor. Meines Erachtens ist der Stiftungszweck nicht der Betrieb von überteuerten Tiefgaragen in entlegenen Gebieten. Die Stiftung möchte zukunftsweisende wissenschaftliche Projekte an der Nahtstelle zwischen Naturwissenschaft, Geis-teswissenschaft und Wirtschaft erörtern. Dies, so meine ich, ist eine Chance für den Wissenschaftsstandort Heidelberg. Es ist eine Chance für den Namen der Stadt und für die Arbeitsplätze der Zukunft, auch wenn diese nicht unmittelbar in der Stiftung geschaffen werden. Es ist etwas, um das uns andere Städte beneiden.

Hier gilt es abzuwägen zwischen der Chance, einer zukunftsweisenden Institution einen Platz in dieser Stadt zu geben, oder einer kurzzeitigen Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes einer Wiese. Ich habe meine Entscheidung bereits getroffen.

Dr. Jan Gradel
Stadtrat der CDU
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SPD

Liebe Heidelbergerinnen und Heidelberger,

kennen Sie "die Liste", in der sich Zukunftsorientierung und Zuver-lässigkeit mit moderner Beschäf-tigungs- und Verkehrspolitik verbindet? Vom Polizeibeamten bis zum Unternehmensberater, von der Kindergärtnerin bis zum ÖPNV-Betriebsleiter, vom Handwerksmeister bis zum Gewerkschaftssekretär, vom Chemie-Laboranten bis zur Journalistin, von der Biologielehrerin bis zur Jungunternehmerin, von der Krankengymnastin bis zum Rechtsanwalt, von der Kunstmalerin bis zum Betriebsschlosser, von der Europäerin bis zum Parteilosen, vom Straßenbahnfahrer bis zum Sozialarbeiter, vom Mathematiklehrer bis zum Elektriker, vom Rentner bis zum Finanzdezernenten der Universität - die SPD-Heidelberg hat ihre Kommunalwahlliste für die Kommunalwahlen im Herbst erstellt. Für jede fachliche Spezialfrage und aus vielen gesellschaftlichen Kreisen und Berufsfeldern finden Sie auf dieser Liste kompetente Persönlichkeiten. Sprechen Sie uns an: für Kritik und Vorschläge sind wir offen und dankbar.

Diese Liste spiegelt unsere Gesellschaft wider und diese Liste ist politisch nicht ausgewogen. Sie ist einseitig: Alle SPD-Kandidatinnen und Kandidaten stehen einseitig für Umweltschutz und gegen Umweltzerstörung, sie stehen einseitig für die Schaffung von Arbeitsplätzen und gegen Arbeitslosigkeit und sie stehen einseitig für soziale Gerechtigkeit aber gegen Kinderarmut - um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Aufstellung einer solchen Liste ist immer eine sehr spannende Angelegenheit, weil alle, oder jedenfalls viele, gern auf den ersten Plätzen stehen möchten. Aber auf solche Aufgaben sind eine demokratische Partei und ihre Kandidaten natürlich spezialisiert: ein streng demokratisches Verfahren führt zur Wahl der Reihenfolge auf der Liste. Und im Ergebnis sind alle auf ihrem Platz solidarisch mit der gesamten Liste. Neben dem Expertenwissen aus den Stadtteilen, werden viele weitere Kriterien bei der Listenaufstellung berücksichtigt: so muss bei der SPD auch darauf geachtet werden, dass die Quotierung eingehalten wird (60:40% Frauen und Männer oder umgekehrt.) Es ist auch wichtig, dass neben "altgedienten" Stadträtinnen und Stadträten auch "Newcomer" und junge Politiker und Politikerinnen eine reale Chance erhalten, in den Gemeinderat einzuziehen. Damit es dazu kommt, haben sich einige Stadträte freiwillig dazu bereit erklärt, auf hinteren Plätze zu kandidieren, z.B. Kai Seehase auf Platz 17 und Ingo Imbs auf Platz 20.

Mehr über die SPD-Kommunalwahlliste im nächsten STADTBLATT.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Lothar Binding, Stadtrat und MdB
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GAL

Die Zukunft der Telekommunikation gehört den Frauen!

Im Zeitalter der digitalisierten Informations- und Kommunikationsgesellschaft, in der Telekommunikation, Datenverarbeitung und audiovisuelle Medien zusammenwachsen und Multimedia ermöglicht wird, werden vor allem im Bereich der neuen Technologien Arbeitsplätze geschaffen. Die Beschäftigten müssen sich auf veränderte Arbeitsmarktchancen, Arbeitsbedingungen und Qualifizierungsanforderungen einstellen. Frauen starten in diesen Prozess in vielen Fällen von anderen Ausgangspositionen als Männer.

Dies betrifft ihre Stellung im Erwerbsleben, also beispielsweise ihre Präsenz in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern und Hierarchiestufen, ihre Qualifizierungschancen sowie Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Zudem greifen immer noch traditionelle Rollenvorstellungen, denen zufolge die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oftmals einseitig und ohne hinterfragt zu werden, zu Lasten von Frauen geht.

Das Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit in Nordrhein-Westfalen hat 1997 festgestellt, dass die Erwerbsarbeit in den neuen Technologien sich positiv auf die Erwerbschancen von Frauen auswirkt. Um diesen Trend zu fördern, ist es notwendig auch in Heidelberg Projekte zu starten, die die Chancen neuer Technologien nutzen, um Frauen eine stärkere berufliche und ökonomische Unabhängigkeit zu geben.

Im Rahmen des Programm experimenteller Wohnungsbau (EXWOST), gefördert durch das Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen, wird jetzt in Heidelberg die Projektidee eines Frauengewerbezentrum umgesetzt. Das Amt für Frauenfragen initiiert hier mit dem Weiterbildungsträger Balance ein Teleservicezentrum für Frauen.

Frauen haben die Möglichkeit einen Telearbeitsplatz in diesem Gewerbezentrum zu mieten und erhalten die erforderliche Infrastruktur wie Computer und Modem, um mit dem Arbeitgeber via Internet zu kommunizieren, um Aufträge zumeist in der Buchhaltung oder Bürodienst-leistungen zu erledigen.

(Fortsetzung im nächsten STADTBLATT)

Angelika Scholbeck
Stadträtin der GAL
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FWV

Liebe Heidelberger und Heidelbergerinnen,

Ende April wurde nach mehrfachen Beratungen im Bezirksbeirat, Bauausschuss und Gemeinderat grünes Licht für die Erweiterung des Technologieparks gegeben. Die positive Entwicklung der Institute und Firmen des bestehenden Technologieparks haben durch akuten Raumbedarf eine zügige Abwicklung des Entscheidungsprozesses notwendig gemacht. Dabei wurde die Bürgerbeteiligung in einem Workshop und im Bezirksbeirat demonstriert, die Beteiligten haben viel Zeit und Einsatz investiert. Was jetzt realisiert wird, entspricht praktisch keinem der lange diskutierten Pläne, sondern verwirklicht in erster Linie die Wünsche der Benutzer nach Raumbedarf und Raumaufteilung. Die zur endgültigen Entscheidung vorgelegten Pläne wurden nahezu unmittelbar vor den entscheidenden Sitzungen vorgelegt. Wie weit auch die Heidelberger-Handschuhsheimer mit der Architektur als solcher glücklich werden, bleibt abzuwarten.

Die FWV hat sich von Anfang an für das Projekt entschieden, begrüßt auch die für Heidelberg ungewöhnlich rasche Realisierung. So werden wir die wenig überzeugende Wirksamkeit der Bürgerbeteiligung hinten anstellen. Wir würden uns allerdings freuen und appellieren an die Verwaltung, wenn auch dringend notwendige Projekte anderer Heidelberger Bürger und Unternehmer ähnlich zügig barabeitet werden könnten. Ich denke an ein Hotel im Pfaffengrund, das seit fünf (!) Jahren auf die Genehmigung zur dringend notwendigen Modernisierung wartet. Der Bebauungsplan sollte Ende 1998 diskutiert werden, auch im Mai ist im Gegensatz zu den Ankündigungen dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung des Bauausschusses. Hier sehen die Freien Wähler dringenden Handlungsbedarf.

Dr. Ursula Lorenz
Stadträtin der FWV
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F.D.P.

Die von der RNZ am 16. Mai veranstaltete Debatte über das Theater bzw. den neuen Intendanten/die neue Intendantin war meines Erachtens nötig, wenn natürlich auch viele Punkte nur angeschnitten werden konnten. In dieser Stadt wird nämlich viel zu wenig über Kultur diskutiert. Kein Wunder auch, die Kulturamtsleitung war nach dem Weggang von Dr. Hoff mehrere Jahre nicht besetzt und der Kulturdezernent hat zu kulturellen Themen nicht gerade den leidenschaftlichsten Bezug. Was kann ich in der Kürze dieses zur Verfügung stehenden Platzes nun festhalten: Ein Problem bei der Diskussion über die neue Intendanz liegt darin, dass keine Grundsatzüberlegungen und daher auch keine Grundannahmen über die Rolle des Theaters heute in der Stadt und bei den Stadträten diskutiert werden. Provokativ gefragt: Herrscht eigentlich Klarheit darüber, warum wir in unserer Kommune ein Theater mit 17 Millionen jährlich subventionieren? Das Mannheimer Theater liegt doch nicht weit entfernt. Ich habe schon Stimmen gehört, die meinten, es käme uns "billiger", wenn wir den Heidelberger Theaterinteressierten die Taxifahrten nach Mannheim bezahlten...

Was soll Theater heute in unserer Medien-Event-Plural-Gesellschaft? Wird das Bekenntnis zur Notwendigkeit des Theaters nur reflexartig artig daher geplappert, weil es sich so gehört in unserer Kultur — oder steckt ein tatsächlicher kultureller Ansatz dahinter? Wie verhält es sich mit unseren Seh- und Hörgewohnheiten? Finden wir Mozartopern wunderbar, weil wir die Musik einfach nur konsumieren und den teilweise revolutionären Inhalt aus unserer heutigen Sicht gar nicht mehr wahrnehmen und das Moderne mögen wir nicht, weil wir nicht gelernt haben, uns damit auseinander zu setzen? Diese und weitere Fragen müssten zuerst grundsätzlich geklärt bzw. besprochen werden, um deutlich zu machen, wer welches Theater warum möchte. Ich denke, dass wir -ungeachtet der hausgemachten Krise- auf keinen Fall das Tanztheater opfern sollten. Dies wäre kulturpolitsch falsch. Ich halte es für die vielseitigste und interessanteste Sparte des heutigen Theaters. Fazit: Ich weiss nicht, wie wir es vor diesem Hintergrund der ungeklärten grundsätzlichen Fragen überhaupt schaffen wollen, vor den Sommerferien einen neuen Intendanten/eine neue Intendantin auszuwählen, zumal in der Personalfindungskommission die künstlerische Seite in der Minderheit ist.

Dr. Annette Trabold
F.D.P.-Stadträtin
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W. Beck

Bomben sind das falsche Mittel!

Vertreibungen gehören zu den großen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und das nicht erst, seit es in der Charta der Vereinten Nationen so steht. Milosevic, der die Albaner aus ihrem jetzt angestammten Wohngebieten vertreibt (letzter Stand der Vertriebenen: 620000), ist ein Schwerverbrecher und sollte von der Gemeinschaft der Länder, die sich auf Demokratie und Menschenrechte verpflichtet haben, auch als ein solcher auf der politischen Weltbühne behandelt werden. Was heißt das für den so genannten "Kosovo-Konflikt", der in Wirklichkeit ein serbischer Angriffskrieg gegen eine Zivilbevölkerung ist? Die Ursache des Krieges selbst muss bekämpft werden. Statt Tanklager und Eisenbahnbrücken müsste die Nato Milosevic bombardieren, statt scheinheilig zu sagen "Wir führen keinen Krieg gegen Milosevic" (Erklärung vom 22. April). Ja, gegen wen denn sonst? Ein Übel beseitigen, heißt immer, seine Ursache beseitigen. Wie viel Leid wäre Deutschland und Europa erspart geblieben, wenn die Amerikaner Hitlers Wolfsschanze bombardiert hätten statt der deutschen Zivilbevölkerung und der Kunstschätze Dresdens!

(Fortsetzung in der nächsten Ausgabe)

Werner Beck
Stadtrat
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Stand: 18. Mai 1999