Kultur

Ausgabe Nr. 20 · 19. Mai 1999



Festivalleiter Thorsten Schmidt (Foto: privat)



Frühlings-Bilanz: Festivalleiter Thorsten Schmidt zum Heidelberger Frühling 1999

Volltreffer Familienfrühling

Noch rund 300 Tage bis Generalmusikdirektor Thomas Kalb den Auftakt zum Heidelberger Frühling 2000 geben wird. Vorerst ist aber Luftholen angesagt. Drei Tage nach dem furiosen Finale des Heidelberger Frühlings 1999 hat Festivalleiter Thorsten Schmidt eine erste Bilanz gezogen: Besucherzahlen, Bestseller, Flops und Überraschungen... so war der Frühling ’99:

STADTBLATT: Herr Schmidt, der Heidelberger Frühling klingt zwar noch nach, aber vielleicht wagen Sie trotzdem eine erste Bilanz: Welches waren die "Bestseller" beim Heidelberger Frühling ’99?

Schmidt: Der diesjährige Heidelberger Frühling war der bisher erfolgreichste. Ich kann schon jetzt sagen, dass wir die von uns gesetzten Ziele erfüllt haben. Aber trotzdem ist "Bestseller" ein falsches Kriterium für ein Festival, das sich vornehmlich mit klassischer Musik befasst. Der Erfolg von Veranstaltungen lässt sich nicht nur nach dem Kriterium des Verkaufs beurteilen. So war zum Beispiel das Eröffnungskonzert mit dem "War Requiem" von Benjamin Britten für alle, die dieses Konzert besuchten, tief beeindruckend - und das nicht, weil es ausverkauft war!

STADTBLATT: Wie steht’s mit Überraschungen?

Schmidt: Wir waren in diesem Jahr beispielsweise vom Andrang bei den Veranstaltungen des Familienfrühlings überwältigt. Es gibt auch immer wieder Konzerte, die aus ganz unterschiedlichen Gründen einen ganz besonderen Eindruck hinterlassen: Nehmen Sie das junge Kammerer Trio hier aus Heidelberg, deren unmittelbarer Freude am Musizieren man sich nicht entziehen konnte oder die unglaubliche Virtuosität und Ausstrahlung des zwölfjährigen Geigers Stefan Tarara. Auch das Konzert mit den Tailed Commedians in der Stadthalle hat uns überrascht, weil der Andrang unsere Erwartungen um hundert Prozent überstiegen hat. Besonders freut es uns, wenn wir miterleben, wie das Publikum die programmatische Idee eines Abends miterlebt und etwa einem "modernen" Oktett von Matthus ebenso begeistert und gebannt lauscht wie einem Oktett von Schubert.

STADTBLATT: Gab’s auch Flops im Programm?

Schmidt: Das dürfen Sie mich nicht fragen. Wir haben das Programm erarbeitet und sind daher natürlich von jedem Konzert überzeugt. Ich hätte mir vielleicht eine etwas größere Resonanz für die beiden klassischen Konzerte in der Klingenteichhalle gewünscht. Die Halle ist zwar außergewöhnlich, aber akustisch sehr gut und auch atmosphärisch reizvoll. Die Kinderkonzerte wurden dort sehr gut angenommen, das klassische Konzertpublikum blieb jedoch etwas zurückhaltend. Ich finde aber trotzdem, dass man solche Versuche machen muss und sich nicht ausschließlich auf die eingeführten Konzertorte beschränken sollte.

STADTBLATT: Mal über den Daumen gepeilt: wie viele Besucher/innen hat das Musikfestival angelockt?

Schmidt: Die genauen Zahlen liegen noch nicht vor, aber grob geschätzt und inklusive der Veranstaltungen unserer Kooperationspartner waren rund 18.000 bis 19.000 Menschen zu Gast beim Heidelberger Frühling.

STADTBLATT: Sie haben 1999 zum ersten Mal das Programm von ursprünglich sechs auf vier Wochen verkürzt und verdichtet. Hat sich das Konzept bewährt?

Schmidt: Die sechs Wochen des Brahmsfestes 1997 waren einfach zu lang. Das ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht umsetzbar. Wir haben uns vorgenommen, das Festival langsam zu entwi-ckeln. Dazu gehört auch, dass man mit der Programmstruktur und der Dauer des Festivals spielt. Nach den bisherigen Erfahrungen wird sich die Festivaldauer wohl bei zwei bis drei Wochen einpendeln.

STADTBLATT: Neu war in diesem Jahr der "Familienfrühling", ein Extra-Angebot für Kinder und Jugendliche. Hat’s eingeschlagen?

Schmidt: Der Familienfrühling war ein echter Volltreffer. Das Konzept ist aufgegangen und die Umsetzung hat unglaublich viel Spaß gemacht. Das schöne bei dieser Reihe war das positive Feedback, das wir von Kindern und Eltern bekamen. Der Auftakt dieser Reihe im Atrium von Heidelberger Druckmaschinen hatte zeitweise so viele Menschen angezogen, dass wir fast an die Kapazitätsgrenze kamen. Genauso ging es mit dem Fest in der Backstube Mantei weiter. Aber auch die Aktionen im Vorfeld des Festivals, wie der Plakatwettbewerb und das Bemalen des HSB-Busses kamen sehr gut an.

STADTBLATT: Im Jahr 2000 wagt der Heidelberger Frühling unter dem Motto "Wendezeichen II" einen Blick in die Zukunft. Lassen Sie uns doch kurz Hellseher spielen....

Schmidt: Ich kann nur soviel verraten, dass wir beim nächsten Heidelberger Frühling auf Zukunftspfaden wandeln werden und die Frage des Wohin in der Musik im Zentrum des Festivals stehen wird. Natürlich wird auch der Familienfrühling weiter ausgebaut. Eines ist sicher: Das Festivalteam wird wieder ein außerordentlich abwechslungsreiches und spannendes Programm zusammenstellen. (eu)

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Stand: 18. Mai 1999