Thema der Woche

Ausgabe Nr. 20 · 16. Mai 2001


Anders als die meisten Schulen

Die Internationale Gesamtschule Heidelberg feiert in diesem Jahr ihren 25. Geburtstag


Sie ist eine der letzten drei von vielen Gesamtschulen in Baden-Württemberg, die in den 70er Jahren gegründet wurden. Überlebt haben nur je eine Gesamtschule in Mannheim, Freiburg und Heidelberg. Die Internationale Gesamtschule Heidelberg (IGH) hat die vergangenen 25 Jahre gut überstanden. Im Jahre ihres Jubiläums präsentiert sie sich lebendig wie selten.

Ganz offensichtlich ist die Schule moderner denn je, denn heute werden von vielen Bildungspolitikern Gesamtschulen wie die IGH wieder gefordert, um das Schulsystem an veränderte gesellschaftliche Entwicklungen anzupassen: Eltern, die beide arbeiten (müssen) oder Einzelerziehende brauchen Schulen, die ihren Kindern nicht nur Wissen vermitteln, sondern wo sie sich sicher sein können, dass nach dem Unterricht eine Betreuung stattfindet und beispielsweise Hausaufgabenhilfe angeboten wird. In der IGH ist das seit 25 Jahren alltägliches Geschäft.

Schulleiter Gerd Hammer
(Foto: privat)

"In unserer Schule wird vorweg genommen, was allgemein Schulalltag werden soll", bestätigt Gerd Hammer, der Schulleiter. Denn auch Englischunterricht in der Grundschule ab der Klasse 3 praktiziert die Schule seit 25 Jahren und in diesem Jahr wird versuchsweise Englisch schon bei den Erstklässlern unterrichtet. Jetzt soll Englisch an Grundschulen überall eingeführt werden...

Internationalität
Doch nicht wegen Englisch in der Grundschule nennt sich die Gesamtschule "international". Vielmehr hatten die Gründungsväter (und zwei Gründungsmütter) "die Erziehung zu internationaler Verständigung und Friedensgesinnung" als großes Ziel vor Augen. Denn bei der Planung der IGH dachte man auch an die Kinder der vielen ausländischen Wissenschaftler und Forscher in den neu entstehenden Instituten in der Stadt, die ja irgendwo in die Schule gehen mussten. Da bot sich eine Internationale Gesamtschule natürlich an und damit die Kinder aus aller Welt sich schnell mit den Einheimischen verständigen können, lernte man schon in der Grundschule gemeinsam Englisch.

"Die internationale Idee ist zwischenzeitlich Realität geworden", sagt Gerd Hammer. Rund 1.300 Kinder und Jugendliche aus 50 Nationen werden zurzeit von den 150 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. Und jede politische Veränderung oder gesellschaftliche Katastrophe irgendwo auf der Welt registrierte man an der Schule, machte die IGH noch ein bisschen mehr multinational. Hier landeten Boatpeople aus Vietnam und ab den 90er Jahren klangen auffallend viele Namen von Schülerinnen und Schüler osteuropäisch.

Internationalität zeigt die IGH auch in anderer Hinsicht. Mit Schulen in vielen Ländern bestehen Partnerschaften und enge Verbindungen: Schülerinnen und Schüler aller siebten Klassen können zum Gruppenaustausch in die Highschool Duneblane im Süden Schottlands oder ins College Camille Claudel nach Montpellier. Mit der Mittelschule Nr. 3 in Simferopol besteht eine Beziehung mit Tradition, mit dem Heretaunga College in Neuseeland ein Partnerschaftsvertrag und ein Austauschprogramm. Spanisch als dritte Fremdsprache im A-Zug hat zu verstärkten Studienreisen in Richtung Süden geführt, mit dem Nemeth-Laszlo-Gymnasium in Budapest findet ein alljährlicher Gruppenaustausch statt. Eine besondere Beziehung besteht seit über zehn Jahre zu einer kleine Landschule in Nicaragua, die mit Geld und Unterrichtsmaterialien unterstützt wird. Auch in Deutschland gibt es eine Partnerschule: Mit der Pestalozzi-Mittelschule in Leipzig findet ein ständiger Schüleraustausch statt.

Die integrative Schule
Viele Kinder und Jugendlichen aus 50 Nationen, die in die IGH kommen, können kaum Deutsch. Bei diesem gravierenden Problem zeigt sich die Stärke der Gesamtschule. Sie bietet Förderklassen denjenigen an, die wegen mangelnder Sprachkenntnisse dem Unterricht nicht folgen können. So schnell wie möglich sollen sie in den Regelunterricht integriert werden.
 

"Es ist beruhigend zu sehen, dass die Idee der Friedensschule immer noch ihre Früchte trägt und die Schule ihren Anspruch, eine internationale Schule zu sein, mit unendlicher Kreativität und Einsatzbereitschaft täglich verwirklicht."

Beate Weber, Lehrerin an der IGH
von 1975 bis 1979

  Dieses integrative Moment ist eine weitere Stärke der Schule und wird auch im durchlässigen Zugsystem deutlich. In den Klassen 5 und 6 besuchen alle Schülerinnen und Schüler die so genannte "integrierte Orientierungsstufe". Erst ab Klasse 7 entscheidet sich, wer in den C-Zug (Hauptschule), B-Zug (Realschule) oder A-Zug (Gymnasium) "steigt". Dennoch gibt es auch nach der 6. Klasse keine scharfe Trennung zwischen den Zügen, bei entsprechenden Leistungen ist ein Wechsel möglich. Zudem gibt es weiterhin einen gemeinsamen Sportunterricht und auch die zahlreichen freiwilligen Arbeitsgemeinschaften werden allen Zügen gemeinsam angeboten.

Grundsätzlich integrationsfördend ist auch die zweistündige Mittagspause und natürlich der Ganztagescharakter der Schule. In einer großzügigen Mensa können alle Schülerinnen und Schüler einen Mittagstisch aus Ökoprodukten zu sich nehmen. In der Sport- und Schwimmhalle bieten Lehrerinnen und Lehrer Freizeitaktivitäten an. Außerdem ist das Spielzimmer rund um die Uhr geöffnet. Als Rückzugspunkt dient die Zweigstelle der Stadtbücherei im Schulgebäude selbst.

Eine Friedensschule
"Eine Friedensschule" nennt sich die IGH. Denn die Schülerinnen und Schüler sollten eine "Erziehung zum Frieden" erhalten, so plante es Professor Hermann Röhrs 1971 in seinem Gründungsgutachten. Ganz konkret werden sie jeden Tag mit diesem Auftrag konfrontiert, weil sie lernen müssen, ganz selbstverständlich mit Schulkameraden aus verschiedenen Kontinenten friedlich zusammen zu leben. Und falls das einmal nicht klappt, ist man vorbereitet: Seit Mai 1999 gibt es ein Mediationsteam aus Lehrern und Schülern, die Konflikte an der Schule schlichten.

Öko-Schule
"Friedenschule bedeutet aber auch, dass wir unsere Schülerinnen und Schüler zur Achtung vor ihrer Umwelt erziehen", ergänzt Gerd Hammer. Und da wird im Unterricht nicht nur erzählt, was gut für die Umwelt ist. Die IGH hat sich der strengen Öko-Auditierung neutraler Gutachter unterworfen und muss nun gesetzte Umweltstandards einhalten und kontinuierlich verbessern. Das geht nur, wenn alle, Lehrerkollegium, Schülerinnen und Schüler und die Hausmeister an einem Strang ziehen und beim Wasser- oder Energieverbrauch, bei der Abfallmenge oder dem Einsatz umweltfreundlicher Materialien die selbst auferlegten Ziele einhalten. Womöglich ist das in einer Ganztagesschule einfacher zu erreichen als an einer normalen, weil die längere Aufenthaltsdauer an der Schule das informelle Gespräch zwischen Erziehern und Erziehenden erleichtert. Da ergeben sich auch viel häufiger Gelegenheiten, an dem gemeinsamen Ziel zu arbeiten.

UNESCO-Projektschule
Grenzüberwindende Partnerschaft mit Schulen anderer Länder, internationale Verständigung und interkulturelles Lernen, offen für neue Ideen und vernachlässigte Themen, eine Kultur des Friedens: das praktiziert die Internationale Gesamtschule Heidelberg seit 25 Jahren. Das fordern auch die Grundsätze des UNESCO-Projektschulen-Programms. Deshalb wird die IGH auch jetzt zu ihrem 25. Geburtstag in den Kreis der rund 6.000 UNESCO-Projektschulen weltweit aufgenommen.

Es hat sich also auch schon bei den Vereinten Nationen herumgesprochen, dass die Internationale Gesamtschule Heidelberg den Zusatz Friedensschule praktiziert. (neu)
   
 

IGH-Fest

  Am Samstag, 19. Mai, 11 Uhr, wird die IGH, Baden-Badener-Straße 14, in einem öffentlichen Festakt in den Kreis der UNESCO-Projektschulen aufgenommen. Danach stellt sich die Schule bei einem Tag der offenen Tür allen Interessierten vor.

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Stand: 15. Mai 2001