Kultur

Ausgabe Nr. 19 · 9. Mai 2001



Vor der Kulisse des Bibliotheksbaus wird die Neuinszenierung des "Student Prince" zu erleben sein. Auch der gotische Erker ist beim Operetten-Spiel miteinbezogen. (Foto: SSG)

Schlossfestspiele in neuer Gestalt

Vom 6. Juli bis 2. September - Programm und Konzept vorgestellt

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Ein auf zwei Monate erweiterter Festspielsommer mit Oper, Operette, Tanztheater und Konzerten steht bevor. Zusätzliche Spielorte in der romantischen Kulisse werden erschlossen und eröffnen dem Publikum neue Perspektiven auf die malerische gelegene Ruine.


Ein Besuch der Schlossfestspiele soll in Zukunft das "Sahnehäubchen" eines jeden Schlossbesuches im Sommer sein. "Im Zeitalter der Event-Kultur wollen wir aus der Beliebigkeit der unzähligen Festivals etwas Einmaliges am besonderen Ort kreieren", so Intendant und Festspielleiter Günther Beelitz.

Ein unverwechselbares, speziell für Heidelberg konzipiertes Festspiel-Programm wird sich in die räumlichen Gegebenheiten das Schlossareals einfügen. Auf Theater- und Konzertgastspiele will man verzichten und ausschließlich Eigeninszenierungen präsentieren, die von den Kräften des Heidelberger Orchesters und Theaters bestritten werden.

In Zusammenarbeit mit der Schlossverwaltung konnten neue Spielorte auf dem romantschen Areal ausgewählt werden. So ist Mozarts Choroper "Idomeneo" ab 6. Juli in der "Bädergrotte" auf der oberen Terrasse zu erleben. Der Englische Bau wird ab 12. Juli den "Jedermann" in einer Inszenierung für Tanztheater, A-Capella-Gesang und Schauspiel umrahmen.

Der August gehört auch weiterhin Sigmund Rombergs "Student Prince". Nach 26 Jahren erfährt der Heidelberg-Klassiker nun eine Neuinszenierung von Ingo Waszerka und ist außerdem vor neuer Kulisse, dem Bibliotheksbau, weiterhin im Schlosshof zu erleben. Die neue Ausrichtung ermöglicht, dass Orchesterklang und Solisten akustisch in engem Zusammenhang, ohne zeitliche Verzögerung, stehen.

Neu ist auch die künstlerische Zusammenarbeit mit der Mannheimer Hochschule für Musik, die in Zukunft an Stelle des amerikanischen Eastman Philharmonia Orchesters das Romberg-Musical begleiten wird. Über die Mitwirkung bei den Schlossfestspielen hinaus ist eine langfristige Kooperation geplant.

Die Konzertreihe des Philharmonischen Orchesters, bisher unter dem Titel "Serenadenkonzerte" bekannt, verspricht mit Mozart-Gala, Wiener Abend und den "Vier Tenören" ein herausragendes Erlebnis zu werden. Zwei neue Konzertreihen sind vorgesehen: drei Matinéen im Englischen Bau und vier Orchesterkonzerte im Schlossgarten, die die besondere Akustik auf der oberen Terrasse nutzen.

In diesem Jahr werden alle Veranstaltungen unter freiem Himmel stattfinden. Günther Beelitz vertraut auf gutes Wetter in den Sommermonaten, denn: "Wenn Openair, dann richtig Openair." (doh)

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Erwin Wickert im Gespräch mit Michael Buselmeier (Foto: Rothe)

"Erleben, sehen und erkennen"

Erwin Wickert zu Gast bei "Erlebte Geschichte - erzählt"


"Mut und Übermut", der Titel des ersten Bandes seiner Lebenserinnerungen könnte ebenso gut als Motto über Erwin Wickerts Leben stehen. Er war zu Gast bei "Erlebte Geschichte - erzählt", anlässlich der 6. Literaturtage nicht im Spiegelsaal des Prinz Carl, sondern im Spiegelzelt auf dem Universitätsplatz.

Sichtlich beeindruckt von dem weltumspannenden Leben Erwin Wickerts, befragte Michael Buselmeier den Vater des bekannten Tagesthemen-Moderators, wie denn der Schriftsteller, der Journalist, der Abenteurer und der Diplomat zu vereinbaren gewesen seien? Nun, er habe halt versucht möglichst viel zu erleben, zu sehen und zu erkennen, so der Gast. Im übrigen habe er sich an die englische Definition des Wortes Diplomat gehalten, nämlich auf "stille, diskrete Art zu vermitteln" versucht.

Die vielen Stationen seines Lebens konnten nur gestreift und schlaglichtartig beleuchtet werden. 1915 geboren in der Mark Brandenburg, fühlt er sich beheimatet in zwei Städten: in der Lutherstadt Wittenberg, wo er von 1922 bis 1932 das Humanistische Gymnasium besucht, und in Heidelberg, wo er 1937 das Studium der Kunstgeschichte und Philosophie unter anderem bei Karl Jaspers aufnimmt.

Lange begleitet ihn der Konflikt mit dem Vater, der - Antisemit und völkisch gesinnt - seinen Sohn gerne als Offizier gesehen hätte. Erwin Wickert hingegen sieht seine Zukunft eher als Komponist oder Schriftsteller. So studiert er einige Jahre in Berlin, arbeitet journalistisch bei dem Studentenblatt "Der Aktivist", geht mit einem Stipendium als Austauschstudent nach Pennsylvania und studiert Volkswirtschaft und Politikwissenschaften. Von Toleranz und demokratischem Geist, die er in den USA erlebt, lässt er sich begeistern.

Dann fährt er auf einem Güterzug nach Los Angeles und gelangt mit einem Auswandererschiff nach Japan, setzt über nach China, besucht Korea und die Mandschurei. Was ihn interessiert, ist das Leben der Arbeiter in Asien. Ohne Geld und immer noch zerstritten mit dem Vater, kehrt er 1937 nach Heidelberg zurück, wo er die Frau fürs Leben findet. Stolz blickt er auf 63 Jahre Ehe zurück.

1940 geht er als Rundfunkattaché nach Schanghai und wird 1941 nach Tokio versetzt. 1947 wird er repatriiert und kehrt mit seiner Frau und den Söhnen Wolfgang und Ullrich nach Heidelberg zurück. Als Autodidakt gelingt es ihm nach kurzer Zeit, sich als Hörspiel-Autor zu etablieren.

1955 tritt Erwin Wickert in den Auswärtigen Dienst ein, ist in Paris und Bonn, Gesandter in London, Botschafter in Bukarest und von 1976 bis 1980 in China. Er schreibt Romane und Sachbücher, darunter den Bestseller "China von innen gesehen". 1991 erscheint "Mut und Übermut", Teil eins seiner Lebenserinnerungen. Der zweite Band "Die glücklichen Augen" wird im Herbst erscheinen. Hier berichtet Erwin Wickert über die Nachkriegszeit in Heidelberg. (doh)

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Stand: 8. Mai 2001