Thema der Woche

Ausgabe Nr. 18 · 2. Mai 2001

Die E-Teams an den Schulen, hier das E-Team der Albert-Schweitzer-Schule vor seiner Solaranlage, sollen sich in Zukunft verstärkt für den Klimaschutz einsetzen. (Foto: privat)

Dr. Eckart Würzner

"Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen"

Interview mit dem neuen Bürgermeister und Umweltdezernenten Dr. Eckart Würzner


Seit Anfang April 2001 ist Dr. Eckart Würzner Bürgermeister und Umweltdezernent. STADTBLATT-Redakteur Eberhard Neudert-
Becker sprach mit dem ehemaligen Leiter des Amts für Umweltschutz, Energie und Gesundheitsförderung über die zukünftigen Schwerpunkte der Umweltpolitik in Heidelberg.

STADTBLATT: Ihr Amtsantritt als Umweltdezernent war begleitet von Äußerungen des amerikanischen Präsidenten, das Klimaschutzabkommen von Kyoto nicht zu unterzeichnen. Macht es noch Sinn, in Heidelberg den Klimaschutz zu forcieren, wenn der weltgrößte Energieverbraucher USA sich verweigert?

Dr. Würzner: Auf jeden Fall. Die Frage ist doch: Übernehmen wir die Verantwortung für unser Handeln? Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass derzeit 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der fossilen Energieträger nutzen und damit auch für die entsprechenden CO2-Emissionen Verantwortung tragen. Führende internationale Forschungseinrichtungen weisen nachdrücklich darauf hin, dass wir in den kommenden Jahrzehnten Klimaveränderungen in einer Zeitphase erleben werden, die für viele Ökosysteme dramatische Folgen haben. Temperaturveränderungen, die sich bisher in 10 000-Jahresabschnitten abgespielt haben, vollziehen sich heute in wenigen Jahrzehnten.

Es geht also letztlich darum, dass wir uns in Heidelberg unserer Verantwortung bewusst werden und sie auch übernehmen, auch wenn andere dies nicht tun.

STADTBLATT: Der gerade erschienene CO2-Umsetzungsbericht bilanziert wieder eine Zunahme des gesamtstädtischen CO2-Ausstoßes um sechs Prozent. Was kann die Verwaltung noch unternehmen, um die beschlossene 20-prozentige Reduzierung des Ausstoßes bis zum Jahr 2005 noch zu erreichen?

Dr. Würzner: Eine ganz wichtige Frage auch im Hinblick auf unsere Glaubwürdigkeit. Denn die Stadt Heidelberg muss eine Vorbildfunktion einnehmen. Wir haben bewiesen, dass wir in der Lage sind, den Energieverbrauch und damit die CO2-Emissionen um über 20 Prozent zu reduzieren. Als Verantwortliche für den kommunalen Gebäudebestand hat die Stadt von 1993 bis zum Jahre 2000 den Energieverbrauch und damit die CO2-Emissionen um über 30 Prozent reduziert. Das heißt, die Erfüllung dieser ehrgeizigen Verpflichtung ist machbar.

Bisher noch nicht in befriedigendem Umfang gelungen ist uns die Einbindung weiterer Akteure. Dazu gehören beispielsweise die Universität, aber auch Gewerbebetriebe und besonders kleine und mittelständische Betriebe. Die höchsten Steigerungsraten beim Energieverbrauch hatte in Heidelberg nach dem CO2-Umsetzungsbericht gerade dieser Bereich.

Für die Zukunft heißt das, wir müssen diese Akteure stärker mobilisieren als in der Vergangenheit. Ich stelle mir vor, dass ein strategischer Runder Tisch mit diesen Akteuren gemeinsam Handlungsstrategien entwickelt, welche Möglichkeiten der Energieverbrauchsreduzierung bestehen.

STADTBLATT: Heidelberg wächst und gedeiht. Überall entstehen neue Quartiere, Geschäftsräume, Hotels. Gehen da nicht auch unwiederbringlich wertvolle Naturflächen verloren?

Dr. Würzner: Nicht zwangsläufig. Eine ungezügelte Innenentwicklung, die nur auf einen maximalen Ertrag ausgerichtet ist, führt sicherlich zu diesen negativen Folgen für die Natur. Die grünen Lungen in der Stadt braucht aber der Mensch zur Erholung. Daher ist es auch eines meiner erklärten Ziele, im innerstädtischen Bereich die Freiflächen durch ein entsprechendes Nutzungskonzept zu erhalten und zu entwickeln. Zentrale Flächen und Plätze sollten so revitalisiert werden, dass sie eine hohe Attraktivität für die Menschen ausstrahlen und gleichzeitig zur Klimaverbesserung und besseren Durchgrünung beitragen.

Ansonsten halte ich es für ganz entscheidend, dass wir die Chance nutzen, die sich uns durch den neuen zentral gelegenen Stadtteil "Bahnstadt" bietet. Dort haben wir hervorragende verkehrliche Anbindungen für die Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten. Wir können dort ein Konzept realisieren, das höchsten ökologischen Anforderungen genügt.

STADTBLATT: Diese Entwicklung bringt auch noch mehr Einpendler in die Stadt. Muss der ÖPNV dafür nicht noch viel stärker ausgebaut werden?

Dr. Würzner: Wir haben sehr viele, fast 70.000 Einpendler pro Tag nach Heidelberg. Von denen kommt der größte Anteil aus Nachbargemeinden im südlichen und westlichen Bereich. Und diese Einpendler fahren zu 69 Prozent mit dem PKW. Das liegt allerdings auch daran, das muss man ganz offen sagen, dass es nicht die ÖPNV-Angebote gibt, die notwendig sind, damit diese Pendler auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. Dem schienengebundenen Nahverkehr kommt hier eine zentrale Rolle zu. Ich setze große Hoffnungen darauf, dass die S-Bahn so schnell wie möglich kommt.

STADTBLATT: Mit welchen Projekten kann der Umweltgedanke in Heidelberg noch stärker in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger gerückt werden?

Dr. Würzner: In der Vergangenheit sind gerade im Kinder- und Jugendbereich sehr erfolgreiche Projekte gelaufen, beispielsweise die Energieteams in den Schulen. Dort versuchen wir die Jüngsten für das Thema Energiesparen zu sensibilisieren. Das muss in Zukunft auf jeden Fall fortgeführt und ausgebaut werden. Darüber hinaus möchte ich auch stärker Vereine und Verbände in die Umweltarbeit mit einbeziehen.

STADTBLATT: Wie beurteilen Sie die Chancen, gemeinsam mit der Wirtschaft bessere Umweltstandards zu erreichen?

Dr. Würzner: Die Stadt pflegt eine enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Wir werden demnächst das Projekt nachhaltiges Wirtschaften starten, mit dem wir kleinen und mittelständischen Betrieben fast kostenneutral einen Service anbieten, wie sie ein Umwelt-, Energie- und Abfallmanagementsystem aufbauen können. Das halte ich für sehr sinnvoll, weil diese Betriebe teilweise auch personell nicht in der Lage sind, solche Systeme ohne Unterstützung zu entwickeln.

Ich würde mir wünschen, dass die größeren Betriebe in der Stadt, wie Heidelberger Druckmaschinen, Teroson und andere, als Mentoren für die kleineren Betriebe auftreten und ihr Umwelt-Know-how an diese weitergeben.

Impulse für die Wirtschaft in Heidelberg und der Region verspreche ich mir auch durch den geplanten Umwelttechnologiepark, den ich nach Kräften unterstützen werde.

STADTBLATT: Welche Umweltprojekte von Bedeutung stehen denn in naher Zukunft an?

Dr. Würzner: Ich wünsche mir, dass wir für die neuen Stadtteile Bahnstadt und Schollengewann Konzeptionen entwickeln, die einen hohen Grünflächenanteil beinhalten und ein zukunftsfähiges Parkkonzept. Dass die Maßnahmen im Klimaschutz auch regional noch verstärkt werden. Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, die erste regionale Energieeffizienzagentur zusammen mit Mannheim, Ludwigshafen und anderen Städten aber auch mit großen Wirtschaftsunternehmen sowie anderen Einrichtungen zu gründen.

Gemeinsam mit dem Staatlichen Forstamt wollen wir eine Zertifizierung des Stadtwaldes durchführen, um deutlich zu machen, dass wir unseren Wald nachhaltig bewirtschaften.

Gemeinsam mit dem Landwirtschaftsamt wollen wir die ökologische Ausrichtung der Landwirtschaft in Heidelberg unter dem Label "Ökologische Landwirtschaft im Ballungsraum" fördern und außerdem die regionale Direktvermarktung ausbauen, um den Erhalt landwirtschaftlicher Betriebe zu sichern.

Ich möchte darüber hinaus betonen, dass ich nicht nur Umweltdezernent, sondern auch Bürgermeister für die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner, die Berufs- und freiwilligen Feuerwehren bin. Das sind wichtige Partner, die ich gerne nach meinen Kräften fördern möchte. Zudem möchte ich die Natur- und Artenschutzmaßnahmen in enger Kooperation mit den Natur-, Artenschutz- und Umweltverbänden konsequent ausbauen. Denn sie sind vor Ort Garant dafür, dass unsere ökologischen Kriterien umgesetzt werden können. Sie übernehmen eine wesentliche Vermittlerrolle und verbreiten die Idee einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

Außerdem werde ich die schon angelaufene Nachrüstung im Kompostwerk konsequent voranbringen und auch noch ergänzende Maßnahmen prüfen lassen, um die Geruchsbelastung in Wieblingen so weit wie möglich zu reduzieren. Darüber hinaus setze ich mich für eine Reduzierung der Lärm- und Abgasbelastung durch den Militärflughafen Pfaffengrund und eine Sanierung der Deponie Feilheck ein.

Viele weitere Gedanken und Konzepte möchte ich jetzt gerne erst einmal gemeinsam mit den Fachbereichen in der Stadtverwaltung konkret ausarbeiten, dem Gemeinderat zur Entscheidung vorlegen und sie dann qualifiziert umsetzen.
   
 

Zukünftige Handlungsschwerpunkte im Umweltbereich

  • Kooperationsprogramm Umweltmanagement-Strukturen in Betrieben
  • Aufbau eines Umwelttechnologieparks
  • Förderprogramm ökologische Landwirtschaft in Ballungsräumen
  • Kooperationsprojekt regionale Vermarktung heimischer Produkte
  • Zertifizierung des Heidelberger Waldes
  • Entwicklung der Bahnstadt zu einem ökologischen Vorzeigestadtteil
  • Kongresshaus zu einem Kongresszentrum der Zukunft entwickeln
  • Reaktivierung des Kinderspielplatz-Konzeptes
  • Neues Park- und Platzkonzept für die Stadt Heidelberg
  • Einrichtung eines Klimaschutzfonds
  • Umsetzung Natur- und Artenschutzkonzept
  • Sanierung der Deponie Feilheck
  • Konsequente Nachrüstung des Kompostwerks Wieblingen
  • Reduzierung der Lärm- und Abgasbelastung durch den Militärflughafen

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Stand: 30. April 2001