Stimmen aus dem Gemeinderat

Ausgabe Nr. 17 · 28. April 1999

CDU

CDU
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

der Gemeinderat hat sich in seiner letzten Sitzung zu vorgerückter Stunde wieder einmal mit dem Autonomen Zentrum (AZ) befassen müssen. Beratungsgrundlage war eine sogenannte "Informationsvorlage" der Stadtverwaltung unter der Überschrift: "Räumlichkeiten für die offene Jugendarbeit im Bahnausbesserungswerk Ochsenkopf: Anmietung, Renovierungsarbeiten".

In der Vorlage wird dargelegt, dass die Bundesbahn bereit ist, einen Teil des alten Bahnbetriebswerkes an die Stadt für die Benutzung durch das AZ zu vermieten. Nach dieser außergewöhnlich detaillierten Vorlage entstehen hierdurch in fünf Jahren Kosten für die Stadt in Höhe von 867.300 Mark(!), was einer monatlichen Belastung von 14.455 Mark entspricht. Um es auf den Punkt zu bringen, liebe Leserinnen und Leser: Damit sind Ihre Steuergelder gemeint!

Zwar hat die Oberbürgermeisterin betont, dass diese Vorlage (noch) keinen Vorschlag der Verwaltung darstellt. Aus den Umständen ergibt sich aber eindeutig, dass die Oberbürgermeisterin und leider auch die Mehrheit des Gemeinderates – gegen die CDU – wild entschlossen sind, das AZ am Ochsenkopf unterzubringen.

Jugendarbeit ohne Ziel
Von "offener Jugendarbeit" ist die Rede. Offen ist, was im AZ unter Jugendarbeit zu verstehen ist. Ich sehe keinen konstruktiven Ansatz für Jugendarbeit. Im Gegenteil: Hier lernen bereits Jugendliche, den Staat für ihre Zwecke in Anspruch zu nehmen und ihre Phantasien auf Kosten der Allgemeinheit zu realisieren. Ein Konzept der Stadt zur "offenen Jugendarbeit" im AZ gibt es gar nicht!

Woher kommt das Geld?
Wer in solchem Umfang Steuergelder ausgeben will, der braucht schon eine sehr gute Rechtfertigung. Gerade der Erste Bürgermeister Prof. Dr. Schultis muss sich dann fragen lassen, wie er gegenüber der örtlichen Presse behaupten kann, eine Stadt wie Heidelberg brauche ein AZ. Prof. Dr. Schultis hat in den vergangenen Jahren immer wieder darüber geklagt, dass für die Bauunterhaltung zu wenig Geld da sei. Und nun will er aus eben diesem engen Etat noch über 800.000 Mark abtreten. Diese 800.000 Mark werden fehlen bei der Instandhaltung von Schulen, öffentlichen Gebäuden und Straßen. Und wer sich in den Heidelberger Schulen regelmäßig umschaut, weiß um die Dringlichkeit so mancher Maßnahme, die aus Geldmangel bisher schon aufgeschoben wurde. Das wäre eine sinnvolle Jugendarbeit!

Fakten statt Floskeln
Die jahrelangen Erfahrungen mit dem AZ zeigen doch, welche Art von "offener Jugendarbeit" hier geleistet wird: Wie das baden-württembergische Innenministerium mir in diesen Tagen auf Anfrage mitteilte, überschreiten allein die Kosten für Polizeieinsätze in Verbindung mit dem AZ seit Januar 1998 deutlich die Millionen-Schallmauer.

Ganz oben auf der "Hitliste" der teuersten Polizeieinsätze liegt die Demonstration des AZ anlässlich der Kündigung und der Forderung nach einem adäquaten Ersatzobjekt vom Februar 1999 in Heidelberg. Etwa 1,15 Millionen Mark kostete der Einsatz der 1.150 Polizeibeamten. Dieser war nötig, nachdem der OB-Kandidat vom AZ massive Drohungen in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung ausgestoßen hatte. Auf Platz zwei rangiert der Polizeieinsatz während der Maifeier des AZ im Jahr 1998, dessen Kosten mit 174.930 Mark beziffert werden. Die polizeiliche Absicherung der Räumung des AZ zwischen dem 29. Januar und dem 1. Februar schlug mit etwa 135.000 Mark zu Buche.

Zu den reinen Polizeikosten kamen bei der Räumung des AZ noch beträchtliche Sachschäden. Anzeige gegen Unbekannt wurde erstattet, die Täter konnten jedoch nicht ermittelt werden. Insgesamt haben allein die Polizeieinsätze im Zusammenhang mit dem AZ vom Januar 1998 bis zum 7. Februar 1999 das Land Baden-Württemberg fast 1,5 Millionen Mark gekostet. Eingesetzt waren dabei 2.372 Beamte, die über 20.202 Stunden Dienst leisteten. Nur weil die Stadt und die Deutsche Bahn AG auf Strafanzeigen verzichteten, blieben die "Besetzungen" verschiedener Gebäude in der Stadt straffrei.

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr Werner Pfisterer
Stellv. Vorsitzender der CDU Gemeinderatsfraktion und Landtagsabgeordneter
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SPD

1. Mai: Neues Handeln. Für unser Land.

Das ist das Motto des DGB-Maifestes, das in diesem Jahr auf dem Theaterplatz stattfindet. Neues Handeln – nach vielen Jahren des Stillstandes und der stetigen Verschlechterung der Arbeitsmarktlage war es dringend erforderlich, Maßnahmen einzuleiten, die die soziale Gerechtigkeit in unserem Land wiederherstellen. Sicherlich, Patentlösungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der sozialen Schieflage gibt es nicht, vielmehr ist eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich, um endlich wieder eine Verbesserung der Beschäftigungszahlen zu erreichen. Und dies auf vielen Ebenen – kommunal, bundesweit und auf europäischer Ebene.

Die Bundesregierung hat schon einiges erreicht: Das Bündnis für Arbeit wurde wiederbelebt, das 100.000-Stellen-Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit wurde beschlossen, wodurch auch in Heidelberg vielen arbeitslosen Jugendlichen eine Ausbildungsstelle vermittelt werden konnte. Die Gesetzesänderungen gegen die Scheinselbständigkeit und das 630-DM-Gesetzes sowie die Steuerreform sind Bausteine, die Grundlagen für eine zukunftsgerichtete Beschäftigungspolitik bilden.

Immer wichtiger für unsere Gesellschaft sind die Maßnahmen, die auf europäischer Ebene getroffen werden. Nachdem die Politik in Europa bisher beschränkt war auf Finanzpolitik, konnten durch geänderte politische Konstellationen endlich auch soziale und beschäftigungspolitsche Initiativen gestartet werden, die für ein Zusammenwachsen Europas auch für die BürgerInnen unabdingbar und ein Garant für ein "Erfolgsmodell" Europa sind. Der europäische Beschäftigungspakt, ein Kernpunkt sozialdemokratischer Europapolitik, enthält Leitlinien für eine europäische Beschäftigungspolitik und ist Bestandteil des Vertrags von Amsterdam. Die europäische Sozialdemokratie hat sich im Mailänder Manifest verpflichtet, neuen Ideen und Initiativen für die Schaffung von Arbeitsplätzen einzubringen. Wir wollen durch Koordinierung der Steuerpolitiken, der Modernisierung der Sozialsysteme und durch die Förderung von Existenz-Grundlagen sowie durch Aus- und Weiterbildung bestehende Arbeitsplätze sichern und neue schaffen helfen.

Deshalb steht an unserem Infostand am 1. Mai das Thema Europa ganz im Vordergrund, denn nur wenn nach den Europawahlen am 13. Juni ein Signal für die Fortsetzung sozialdemokratischer Politik auf europäischer Ebene gesetzt wird, kann das Schiff Europa weiter den Kurs einer gerechten und solidarischen Politik steuern.

Und last but not least, seit vielen Jahren setzen wir uns auf kommunaler Ebene für Projekte ein, die mit den uns hier zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Arbeitslosigkeit und soziale Schieflage wirksam sind. Unsere Initiativen für den zweiten Arbeitsmarkt und den dritten Beschäftigungssektor sind wichtige Bausteine, um insbesondere Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Wir haben die Rahmenbedingungen für Existenzgründung und Wirtschaftsförderung verbessert, eine Politik, die für die Schaffung neuer Arbeitplätze in Heidelberg unabdingbar war und jetzt durch den Focus-Test, worin Heidelberg als bester Standort für UnternehmensgründerInnen in Deutschland abgeschnitten hat, ihre Bestätigung erfahren hat.

Liebe Heidelbergerinnen und Heidelberger, zur Unterstützung der Politik für mehr Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit möchten wir Sie einladen, am 1. Mai an der DGB-Maifeier teilzunehmen. Um 11 Uhr findet der Demonstrationszug zum 1. Mai vom Gewerkschaftshaus in der Hans-Böckler-Straße aus zum Theaterplatz statt, wo ab 12 Uhr die Kundgebung und das Maifest stattfinden.

Lothar Binding wird als Redner bei der Kundgebung auf die Maßnahmen der Bundesregierung für eine zukunftsfähige Beschäftigungs- und Sozialpolitik eingehen. Wir laden Sie auch herzlich zu den Ständen des SPD-Kreisverbandes mit dem Ortsverein Altstadt und der Jusos Heidelberg ein.

Mit freundlichen Grüßen

Ingo Imbs
Stadtrat der SPD
   

GAL

Liebe Heidelbergerinnen und Heidelberger,

Die GAL-Fraktion erreichte die folgende Zuschrift der Initiative "Heidelberg boykottiert Siemens", die wir Ihnen gerne zur Kenntnis geben:

"Am Montag dieser Woche haben wir, ein Bündnis aus verschiedenen Heidelberger Ärzte-, Umwelt- und politischen Gruppen aus Anlass des 13. Tschernobyl-Jahrestages an die weiter existierenden Gefahren der "friedlichen Nutzung der Kernenergie" erinnert. Zwar hat die Bundesregierung den allmählichen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, doch ist bereits jetzt erkennbar, mit welchem hinhaltenden Widerstand seitens der Atomindustrie dabei zu rechnen ist. Nach wie vor laufen in der Bundesrepublik 19 Reaktoren, davon allein 7 im engeren Umkreis von Heidelberg. Alle sind von der Firma Siemens gebaut, werden von ihr gewartet und mit Brennelementen beliefert.

Dabei gibt es seit Jahren schlüssige Konzepte, wie der Energiebedarf in Zukunft auch ohne Atomstrom gedeckt werden kann: Durch Abbau der Überkapazitäten, bessere Energieausnutzung, verbesserte Gerätetechnik und verstärkten Einsatz von Sonne, Wind, Wasserkraft und anderen regenerativen Energien.

Siemens setzt weiter auf Atomenergie
Doch Siemens plant und baut weiter und das jetzt verstärkt in Osteuropa: In der Slowakei, in der Ukraine und in Rußland. Da diese Länder natürlich nicht mit Devisen bezahlen können, werden Kredite, auch bei staatlichen und europäischen Banken, beantragt, mit staatlichen Bürgschaften abgesichert – und letztlich soll mit Stromlieferungen bezahlt werden. Unser Atomstrom soll also in Zukunft auch aus Osteuropa kommen – zu Niedrigstpreisen. Und das Risiko des Betriebs und der Entsorgung des lästigen Atommülls bleibt verstärkt diesen Ländern überlassen. Aber letztendlich betrifft es uns alle.

Heidelberg boykottiert Siemens
Gegen dieses Engagement von Siemens haben wir mit der Aktion vom Tschernobyl-Jahrestag eine mehrwöchige Kampagne in Heidelberg begonnen. Siemens hat es in der Hand, aus dieser Risikotechnologie auszusteigen und statt dessen verstärkt seine Bemühungen in Richtung umweltfreundlicher Energiegewinnung zu verlagern. Seit Jahren wird Siemens von Umweltgruppen hierzu aufgefordert. Doch eine Änderung ist nicht in Sicht. Wir als VerbraucherInnen haben es in der Hand, Druck auf Siemens auszuüben, endlich diese Verlagerung in der Geschäftspolitik vorzunehmen. Wir werben deshalb dafür, Siemens gegenüber nunmehr ein spürbares Zeichen zu setzen und Siemens-Produkte zu boykottieren.

Erste Erfolge in der Politik?
In der letzten Woche wurde bekannt, dass nach den Grünen nun auch die SPD-Bundestagsfraktion beschlossen hat, einen beantragten Großkredit bei der "Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung" zur Fertigstellung zweier völlig veralteter ukrainischer Atomkraftwerke abzulehnen. Auch an diesem Auftrag wäre Siemens wiederum maßgeblich beteiligt. Umso mehr möchten wir auch Siemens ermuntern, eine entsprechende Richtungsänderung einzuschlagen."

Für die Initiative: Ulrich Dowe

Dr. Barbara Greven-Aschoff
Stadträtin der GAL
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FWV

Liebe Heidelberger und Heidelbergerinnen!

Am 22.4.1999 hat der Gemeinderat mit der bekannten äußerst knappen Mehrheit von 21:19 Stimmen über die Altstadtstraßenbahn entschieden. Zwar geht es zunächst "nur" um einen Grundsatzbeschluss für die Erarbeitung eines Zuschussantrages nach dem GVFG. Einen solchen Antrag stellt aber nur jemand, der auch hinter dem Projekt steht. Die FWV gehört nicht zu den Befürwortern. Der für alle Verkehrsteilnehmer zur Verfügung stehende öffentliche Raum ist in der Altstadt zwangsläufig durch die Lage zwischen Fluss und Berg nicht vermehrbar. Die Altstadt ist zur Zeit durch Busse hervorragend an das übrige Netz angeschlossen, eine Taktverbesserung wäre noch wünschenswert und vielleicht möglich. Die periphere Lage der gedachten Straßenbahn in der Ebertanlage erfüllt nur bedingt den Wunsch nach einer besseren Erschließung der Hauptstraße. Hier wäre ein kleiner Elektrobus denkbar. Die GAL stellt sich das Thema Stadt am Fluss durch Schließung des Verkehrs am Neckarufer ohne Tunnel (!) vor, das hieße zusätzlich Verdopplung des Fahrzeugaufkommens in der Ebertanlage, wo der Verkehrsfluss durch das Abbiegen der Straßenbahn im ca. Dreiminutentakt gestoppt würde. So überzeugend das Verkehrsmittel Straßenbahn grundsätzlich ist, erscheint es uns bei den Voraussetzungen in der Altstadt bei realistischer und nicht ideologischer Betrachtung leider als nicht geeignet. Ein solches Projekt sollte eine breite Zustimmung – egal in welcher Richtung – haben. Leider wurde auch unser Antrag auf Verschiebung des Beschlusses bis nach der Kommunalwahl mit 2 Stimmen Mehrheit abgelehnt. Von den Kosten wurde gar nicht erst geredet, hier herrscht das Zauberwort vom Kostenzuschuss und nicht der Rechenschieber: der Bürger zahlt so und so.

Ich wiederhole: Die FWV bedauert diesen Beschluss zum jetzigen Zeitpunkt und würde ihn mit einer überzeugenden Mehrheit eher mittragen.

Dr. Ursula Lorenz
Stadträtin der FWV
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LD

Keine Tiefgarage unter der Boschwiese!

Gerade einmal ein Jahr alt ist der Bebauungsplan "Schlierbach – Bereich zwischen Elisabethenweg und Rombachweg". Er wurde vom Gemeinderat beschlossen, um diesen Bereich der Stadt vor größeren baulichen Eingriffen zu schützen. In der Begründung für diesen Bebauungsplan wurde u. a. die kulturhistorische Bedeutung des Schloss-Wolfsbrunnenweges zusammen mit seiner bisherigen Bebauung als "romantischer Spazierweg und als das Orts- und Landschaftsbild Heidelbergs prägende Gesamtanlage" angeführt. Jetzt soll er – so der Antrag eines Interessenten – schon wieder geändert werden: Unter der Boschwiese soll eine Tiefgarage gebaut werden, damit die Gäste des neuen Schulungszentrums in der Villa Bosch mit dem Auto bis vor die Tür anreisen können.

Damit ist eine gravierende Veränderung der Landschaft und der bestehenden städtebaulichen Situation verbunden. Die Bewohner des Schloss-Wolfsbrunnen-Weges und Schloss-bergs werden durch zusätzlichen Autoverkehr mit Lärm und Abgasen belastet. Die Boschwiese wird als hochwertiges Biotop zerstört.

Zu einer Schulungsveranstaltung müssen die Teilnehmer nicht mit dem Auto anreisen, zumindest nicht durch die Altstadt und bis vor die Haustür. Den Zubringerverkehr kann die Bergbahn bzw. ein kleiner Pendelbus des Veranstalters übernehmen.

Dr. Arnulf Lorentz,
Stadtrat der LD
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  Zur Inhaltsangabe STADTBLATT



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Stand: 27. April 1999