Kultur

Ausgabe Nr. 17 · 24. April 2002

 

Lampenfieber und Leselust beim Stückemarkt

Gastspiele aus Hamburg, Berlin, Hannover, Bochum und in diesem Jahr auch Italien begleiten das Forum junger Autoren


Schauspiel-Fans sehen mit Spannung dem Heidelberger Stückemarkt entgegen. Nicht nur weil die Aufführung von Renato Gabriellis Stück "Der Richter" in Italien zum Politikum wurde. Der Heidelberger Stückemarkt zählt inzwischen zu den wichtigsten deutschen Theatertreffen neben den Mühlheimer Theatertagen, den Autorentagen in Hannover und dem Berliner Theatertreffen.

Zehn Tage lang, vom 2. bis 11. Mai, präsentiert das Theater der Stadt ein hochkarätiges Gastspielprogramm und ermöglicht damit einen spannenden Überblick über die aktuellsten Strömungen der Gegenwartsdramatik. Nachdem im vergangenen Jahr Intendant Günther Beelitz den Stückemarkt um den "europäischen Gedanken" erweitert hat und mit Frankreich erstmals ein europäisches Nachbarland beim Stückemarkt vertreten war, ist diesmal Italien mit drei Inszenierungen zu Gast: "Novecento. Die Legende vom Ozeanpianisten" von Alessandro Baricco (Bernd Jeschek, Solo), eine Straßentheater-Produktion in der Tradition der Commedia dell'Arte von Giampolo Spinato, und "Giudici. Der Richter" von Renato Gabrielli (Teatro Santa Chiara di Brescia).

Letzteres, eine bittere Farce auf die zunehmende Einflussnahme der Politik auf Rechtsprechung und Gesetzesauslegung in Italien, hatte erst vor wenigen Tagen seine Uraufführung in Brescia. Die Einladung dieses Stückes zum Heidelberger Stückemarkt war der italienischen Botschaft Anlass, die finanzielle Unterstützung des italienischen Gastspielprogramms (5.000 Euro) zurückzuziehen. Mit Hilfe von Sponsoren soll es dennoch gelingen, das Stückemarkt-Programm wie geplant durchzuführen.

Außerdem stehen acht aktuelle Inszenierungen aus der Bundesrepublik auf dem Programm: "Unbeleckt" von Kristo Sagor (Theater der Stadt Heidelberg), "Leben bis Männer", von Thomas Brussig (Deutsches Theater Berlin), "Fight City. Vineta" von Fritz Kater (Thalia Theater Hamburg), "winner & loser" von Lutz Hübner (Schauspiel Hannover), "Es ist Zeit. Abriss" von Albert Ostermeier, Preisträger des Stückemarktes im Jahr 2000 für "Letzter Aufruf" (Schauspielhaus Bochum), "Spuren der Macht", von Herlinde Koelbl (Maxim Gorki Theater, Berlin), "Die Nudelfresser" von Wilfried Happel, dessen Stück "Mordslust" im Heidelberger Taeter Theater gespielt wird (Deutsches Theater, Berlin) und "Simon" von Judith Herzberg (Düsseldorfer Schauspielhaus). Nach allen Vorstellungen besteht wieder die Möglichkeit, im Zwinger 3 oder im Foyer mit den Autoren, Schauspielern, Regisseuren und anderen Künstlern ins Gespräch zu kommen.

Forum junger Autoren
Fester Bestandteil des Stückemarktes sind inzwischen die Lesungen im Werkraumtheater. In drei Autorennächten werden neue, noch nicht aufgeführte Bühnenstücke dem Publikum vorgestellt. Zum Auftakt am Freitag, 3. Mai, um 19 Uhr gibt es eine "Italienische Nacht" mit Werken von Pia Fontana, Fausto Paravidino und Luca De Bei, die Einblicke in das aktuelle Schaffen italienischer Bühnenautoren erlauben.

Aus insgesamt 32 eingesandten deutschsprachigen Stücken wählte die Heidelberger Dramaturgie sechs Werke aus, die in zwei Autorennächten am 9. und 10. Mai von Schauspielern des Heidelberger Ensembles halbszenisch gelesen werden. Mit dabei sind Stücke von: Daniel Goetsch, Alexis Bug/Andreas Laudert, Jan Friedhoff, Ulrike Syha, Rebekka Kricheldorf und Matthias Wittekindt. "Bei den Autoren ist eine Tendenz hin zu Familienstücken, jungen Themen mit märchen- und mythenhaften Strukturen zu beobachten", sagte Regisseur Matthias Lösch, in diesem Jahr verantwortlich für die Organisation des Stückemarkts.

Heidelberger Theaterpreise
Den Bühnenautoren winken erstmals in diesem Jahr insgesamt vier Preise. Drei davon wird eine Fach-Jury, bestehend aus: Kritik (Knut Lennartz, Die Deutsche Bühne), Regie (Martin Kusej) und Autorenschaft (Bernd Studlar, Gewinner des Autorenpreises des Stückemarktes 2001) vergeben, einer liegt in den Händen des Publikums. Im Rahmen des deutschsprachigen Autorenwettbewerbs wetteifern die jungen Dramatiker um den vom Heidelberger Theater mit 10.000 Euro dotierten "Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts", um den "Autorenpreis der deutschsprachigen Theaterverlage", die insgesamt 5.500 Euro gestiftet haben, und den begehrten Publikumspreis, der wieder mit Spannung erwartet wird.

Erstmals vergeben wird in diesem Jahr unter den italienischen Theatergästen der mit 5.000 Euro dotierte "Europäische Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts", den das baden-württembergische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst auf Anregung von Staatssekretär Michael Sieber neu eingerichtet hat. Sieber wird den Preis am 4. Mai im Anschluss an das italienische Gastspiel "Giudici" verleihen. Danach findet im Foyer unter dem Motto "Vino e musica - Eine italienische Nacht" ein Fest zu Ehren der italienischen Gäste statt.

Podiumsgespräche
Gespannt sein darf man auch auf zwei Podiumsgespräche. Am Samstag, 4. Mai, um 17 Uhr führt die italienische Autorin und Regisseurin Sonia Antinori im Foyer der Städtischen Bühne in die Theaterlandschaft Italiens ein. Dabei werden Ausschnitte aus der Inszenierung von Giampaolo Spinatos Stück "Da lontano vi uccidono con l'onda" gezeigt. An dem sich anschließenden Gespräch nehmen neben den anwesenden Autoren und Regisseuren auch die Kulturwissenschaftlerin und Kritikerin Sabine Heymann teil.

Am Samstag, 11. Mai, um 18 Uhr, ebenfalls im Foyer, leitet Guido Huller, Verleger und ehemaliger Chefdramaturg am Heidelberger Theater, ein Podiumsgespräch unter dem Titel "Schreiben lernen - Szenisches Schreiben als Studiengang", an dem Autoren des Wettbewerbs sowie der Autor und Dozent für szenisches Schreiben Tankred Dorst teilnehmen. Raum für Begegnungen und Gespräche sowie Informationen über Theater-Verlage bietet wieder das Festivalzelt in der Theaterstraße.

Der Kartenvorverkauf...
... hat bereits begonnen. Karten für alle Gastspiele und Autorennächte gibt es unter Telefon 58-2000 bei HeidelbergTicket und in der Theaterstraße 4. Das vollständige Programm des Heidelberger Stückemarktes ist dem Mai-Leporello zu entnehmen und im Internet unter www.heidelberg.de/kultur/theater zu finden.
   


(Foto: Theater)
"Unbeleckt"...
... , mit der Uraufführung von Kristo Sagors Stück wird das Heidelberger Theater den Stückemarkt am Donnerstag, 2. Mai, um 20 Uhr im Werkraumtheater eröffnen. Der Berliner Autor erhielt für sein Stück bei der Autorenlesung im letzten Jahr den Publikumspreis. In dem sado-masochistischen Internet-Beziehungs-Drama geht Sagor der Frage nach dem Verlust der Unschuld radikal auf den Grund; im Bild v. l.: Jens Wachholz, Ulrich Vogel und Ulrike Requadt.
   


(Foto: Theater)
"Giudici. Der Richter"...
... ist eine zeitgenössische Farce über Italien, mit der Renato Gabrielli in einem Feuerwerk von Szenen die Polemik, die Gewissenlosigkeit und den Zynismus der aktuellen Regierung gegen die Justiz in Italien zeigt. Gabrielli präsentiert eine Galerie skurriler Gestalten, die geradewegs einem Stück von Dario Fo, einem Comic oder der Werbung entsprungen sein könnten. Das Gastspiel des "Teatro Santa Chiara" aus Brescia wird in italienischer Sprache am Samstag, 4. Mai, um 20 Uhr auf der Städtischen Bühne zu sehen sein.
   


(Foto: Theater)
"Leben bis Männer"...
... , ist der Titel des neuen Stückes von Thomas Brussig, dessen Wende-Roman "Helden wie wir" bereits in Heidelberg auf dem Spielplan steht und dessen Drehbuch "Sonnenallee" von Leander Haussmann erfolgreich verfilmt wurde. Abermals arbeitet er in der Form eines Monolog-Stücks jüngste Deutsch-Deutsche-Vergangenheit auf. Hier blickt der Trainer eines ehemals betriebseigenen Fußballvereins zurück und erinnert sich nicht nur an die Glanzzeiten seiner Fußballkarriere. Es spielt Jörg Gudzuhn vom Deutschen Theater Berlin - am Sonntag, 5. Mai um 19 Uhr im Theater der Stadt.

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Stand: 23. April 2002