Umwelt

Ausgabe Nr. 17 · 25. April 2001



Dr. Angelika Zahrnt, Bundesvorsitzende des BUND - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V (Foto: privat)

"Der Verkehrsbereich ist zentral"

Ein Gespräch mit Dr. Angelika Zahrnt, Mitglied im "Rat für nachhaltige Entwicklung" bei der Bundesregierung


Seit gut zwei Jahres ist die Neckargemünderin Dr. Angelika Zahrnt Bundesvorsitzende des "BUND - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V"., der deutschen "Friends of the Earth". Von Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde sie jüngst in den "Rat für nachhaltige Entwicklung" bei der Bundesregierung berufen. STADTBLATT-Redakteur Dr. Bert-Olaf Rieck sprach mit der engagierten Umweltexpertin.

STADTBLATT: Frau Dr. Zahrnt, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Berufung in den "Rat für nachhaltige Entwicklung"! - Welche Chancen bietet das neue Gremium?

Dr. Angelika Zahrnt: Die Chance liegt darin, dass in diesem Gremium Personen sind, die nicht wie Politiker auf den nächsten Wahltermin sehen müssen und daher auch unpopuläre Dinge sagen können. Sie können längerfristig denken und sagen, was notwendig ist. Nachhaltigkeit heißt ja, die langfristige Perspektive in den Blick zu nehmen, zu überlegen, was müssen wir heute tun, damit künftige Generationen noch gute Lebenschancen haben und auch die Länder im Süden sich entwickeln können. Beispiel Ökosteuer: Der Kanzler sagt: "Keine weiteren Benzinpreiserhöhungen."Die wären aber unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit dringend nötig, weil der Verkehr ganz massiv zur Klimaerwärmung beiträgt. Das ist natürlich unter Wahlgesichtspunkten eher schwierig. Da ist so ein Rat sehr viel unabhängiger. Und er soll das Konzept Nachhaltigkeit bekannter machen. Gegenwärtig wissen laut Umfragen nur dreizehn Prozent der Bundesbürger, was es bedeutet.

STADTBLATT: Der BUND tritt - anders als etwa Greenpeace - weniger durch spektakuläre Aktionen in Erscheinung. Wo liegen die Schwerpunkte der Arbeit?

Dr. Angelika Zahrnt: Greenpeace ist sehr stark zentral organisiert. Von der Hamburger Zentrale aus werden die meisten Aktivitäten geplant und durchgeführt, während der BUND basisdemokratisch aufgebaut ist mit Orts- und Kreisgruppen, Landesverbänden und Bundesverband. Wir haben 2.000 Gruppen, die sehr viel unspektakuläre Arbeit machen. Sie beteiligen sich an kommunalen Verfahren, etwa Umgehungsstraßen oder Bebauungsplänen. Sie machen Alltagsdinge wie Umweltberatung, zum Beispiel in Heidelberg, sie betreuen Schutzgebiete, also sehr viel Kleinarbeit für die Umwelt. Und das ist meist nichts, was in den überregionalen Medien auftaucht - im Gegensatz zu einer Schornstein-Ersteigung.

Wir halten es für wichtig, als Verband die ganze Breite der Themen abzudecken, um dann auch die Querverbindungen zu sehen, zwischen dem Verkehr, regionalem Wirtschaften und der Landwirtschaft zum Beispiel. Trotzdem muss es natürlich auch Schwerpunkte geben. Die sind bei uns zurzeit Atom, weil sich mit dem Atomkonsens das Thema für uns in keiner Weise erledigt hat. Wichtig ist auch Verkehr. Da steht jetzt die Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans an. Baden-Württemberg hat zum Beispiel so viele Anmeldungen gemacht, dass es für die nächsten hundert Jahre reichen würde. Da sind wir für eine ganz strikte Durchforstung auch unter Umweltgesichtspunkten.

Und dann jetzt natürlich die Wende in der Landwirtschaft, wo wir sehr erfreut sind, dass das, was Umweltverbände seit zwanzig Jahren sagen, dass die industrielle Massentierhaltung eine Sackgasse ist und zu hohen Umweltbelastungen führt, mit der BSE-Krise so deutlich geworden ist und zu einer offiziellen Kurskorrektur geführt hat. Ferner der Naturschutz, die ökologische Steuerreform und in diesem Jahr verstärkt die internationale Schiene mit Rio plus zehn. Im September 2002 ist in Johannesburg die nächste große Konferenz, da muss es im Vorfeld Aktivitäten geben: Wo steht die Politik in der Bundesrepublik zehn Jahre nach Rio?

STADTBLATT: Wie können sich Städte und Gemeinden im Umweltbereich noch stärker engagieren?

Dr. Angelika Zahrnt: Da, denke ich, ist der Verkehrsbereich zentral, und es gibt ja nun wirklich gute Beispiele, sei es Karlsruhe mit der Stadtbahn oder der kostenlose Busverkehr im belgischen Hasselt. Da könnte sich meines Erachtens noch viel mehr tun, Stadtbussysteme in kleineren Orten zum Beispiel. Und ich glaube, es ist wichtig, stärker die Vernetzung zwischen den verschiedenen Bereichen zu sehen. Zum Beispiel die Dezentralisierung der Verwaltung, wie sie in Heidelberg gemacht wird mit den Bürgerämtern, was eben auch Auswirkungen auf den Verkehrsbereich hat.

Ein großes Problem, das die Kommunen weitgehend in der Hand haben, ist der Umgang mit der Fläche. Das ist ein zu wenig beachtetes Umweltthema. Da muss man viel stärker zum Flächen-Recycling, zum flächensparenden Bauen kommen. Das Statistische Bundesamt hat errechnet, dass in achtzig Jahren die Bundesrepublik zubetoniert ist, wenn die Zersiedelung so weitergeht.

STADTBLATT: In Heidelberg steht gerade die Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans (VEP) an. Wie sähe Ihr ganz persönlicher VEP für Heidelberg aus?

Dr. Angelika Zahrnt: Der sieht vor, dass es keinen Neckarufertunnel gibt, weil das unverhältnismäßig wäre, was da an Geld verbuddelt würde, ohne dass es effektiv viel bringt. Das wäre mehr Kosmetik, als dass es Verkehrsprobleme löst. Und ganz persönlich wünsche ich mir eine durchgehende Radwegverbindung von Neckargemünd nach Heidelberg, auf der ich auch abends ungefährdet fahren kann.

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Der BUND vor Ort

In der Hauptstraße 42 (Rückgebäude im Hof des Schloss-Kinos) ist der BUND in Heidelberg zu finden. Das Umweltzentrum bietet Raum für die Umweltberatung und für verschiedene BUND-Gruppen. Es ist regionale BUND-Geschäftsstelle. Der Regionalverband Unter Neckar und die Kreisgruppe Heidelberg haben hier ihren Sitz. Der Regionalverband geht von Mannheim bis Buchen und von Hemsbach bis Wiesloch. Die Ortsgruppe Heidelberg-Wieblingen residiert im Stadtteil Wieblingen als eigene aktive Gruppe. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist der Altneckar.

Seit etwa 15 Jahren macht der BUND in Heidelberg Umweltberatung. Seit 1991 bekommt er dafür einen Zuschuss von der Stadt Heidelberg. Zwei Halbtagskräfte arbeiten zurzeit in der Umweltberatung. Neben der eigentlichen Beratungstätigkeit sind die Öffentlichkeitsarbeit und Kooperationsprojekte mit dem Handwerk weitere wichtige Aufgaben. Damit sollen möglichst viele Menschen für den Umweltschutz interessiert und motiviert werden.
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Hauptstraße 42
 

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Stand: 24. April 2001