Kultur

Ausgabe Nr. 17 · 25. April 2001

 

Verzweiflung und Sinnsuche

"Frühlings Erwachen" von Frank Wedekind - Theaterpremiere am 28. April

Noch heute erregt der "Bürgerschreck", Autor und Schauspieler Frank Wedekind (1864-1918) mit seinem skandalumwitterten Theaterstück "Frühlings Erwachen. Eine Kindertragödie" die Gemüter mancher Zuschauer. Noch immer werden Szenen aus diesem 1891 entstandenen Werk auf der Bühne als anstößig oder anrüchig angesehen:


Ein junges Mädchen, Wendla, wird durch den Gymnasiasten Melchior verführt, wird schwanger und durch eine unsachgemäße Abtreibung zu Tode gebracht. Ein befreundeter Schüler namens Hänschen befriedigt sich selbst, er und ein Freund empfinden erste homoerotische Anflüge in freier Natur. Schüler einer so genannten "Korrektionsanstalt" begehen in gemeinschaftlicher Runde unanständige Streiche. Moritz hält den Druck in der Schule nicht stand, bringt sich um und trifft seinen Freund Melchior mit seinem eigenen Kopf unter dem Arm auf dem Friedhof. Eine ehemalige Mitschülerin vertreibt sich ihr Leben als Modell in den Betten und in den Ateliers befreundeter Künstler...

Die Zensur in Deutschland um die Jahrhundertwende hatte mit diesen Szenen so große Probleme, dass das Werk erst fünfzehn Jahre nach Erscheinen des Druckes im Jahre 1906 an den Berliner Kammerspielen von Max Reinhardt uraufgeführt wurde. Was ist der Stein des Anstoßes eines Theaterstückes, das vor über hundert Jahren geschrieben wurde?

Geradezu kongenial, einmalig und über alle Zeiterscheinungen hinweg beschreibt ein deutschsprachiger Autor die ersten aufbrechenden sexuell determinierten Erregungen, Verdrängungen und Nöte einer heranwachsenden Generation, ihr Umgang miteinander, ihre Verzweiflung und Sinnsuche, aber auch den verklemmten oder auch bemüht verständnisvollen Umgang der Erwachsenen mit diesem Thema.

Wedekind umreißt mit diesem Theaterstück die Empfindungswelt einer jungen Generation, die sich zur damaligen Zeit vielleicht mit anderen gesellschaftlichen Engstirnig- und Rückständigkeiten auseinander setzen musste, von denen einige sicher inzwischen überwunden wurden, eine Welt, die uns dennoch heute - sowohl als Erwachsene wie als Jugendliche - von einer geradezu bedrückenden und eindringlichen Aktualität erscheint.

"Frühlings Erwachen" hat am kommenden Samstag, 28. April, um 19.30 Uhr im Theater der Stadt Heidelberg Premiere. Eine weitere Vorstellung wird am 30. April um 20 Uhr gegeben. Es spielen: Elisabeth Auer, Susanne Berckhemer, Peter Bernhardt, Carolin Conrad, Clemens Giebel, Daniel Graf, Christine Häußler, Tamara Hörschelmann, Patrick Khatamie, Sascha Nathan, Ulrike Requadt, Stefan Schießleder, Hannsjörg Schuster, Harald Schwaiger, Ulrich Vogel. Regie: Jule Ronstedt, Ausstattung: Christoph Hetzer.
   
  "... der erste deutsche Dramatiker, der wieder dem Gedanken den langentbehrten Zutritt auf das Theater verschafft hat"
 

Karl Kraus


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Stand: 24. April 2001