Thema der Woche

Ausgabe Nr. 16 · 17. April 2002



"Die Bilanz ist positiv. Auch wenn es noch viel zu tun gibt", sagen Dörthe Domzig, Leiterin des Gleichstellungsamtes und Doris Rasch, stellvertretende Amtsleiterin: "Gleichstellung wird zunehmend zum Qualitätsmerkmal der Arbeit in der Stadt Heidelberg." (Foto: Rothe)

Ein politischer Auftrag bekommt Profil

Das Amt für Frauenfragen feiert sein zehnjähriges Bestehen - Jetzt erfolgt die Umbenennung in Amt für die Gleichstellung von Frau und Mann


Weil ein Jubiläum immer auch Anlass zum Rückblick gibt, hat das Amt für Gleichstellung eine Dokumentation herausgegeben, die, unter dem Titel "Ein politischer Auftrag bekommt Profil", zehn Jahre engagierte Arbeit für die Gleichstellung von Frau und Mann schildert. Pünktlich zur offiziellen Feier des Jubiläums am Dienstag, 23. April, im Großen Rathaussaal ist sie druckfrisch zu haben.

Natürlich hat das Amt für Gleichstellung eine lange Vorgeschichte in den frauenbewegten Jahren seit '68, in denen engagierte Heidelbergerinnen bereits den Frauennotruf, das Frauenhaus und zahlreiche Frauenbildungsprojekte ins Leben gerufen hatten. Zur Einrichtung dieses Amtes, dessen Aufgaben sich nicht nur auf die Stadtverwaltung beschränken, kam es im Jahr 1991 und im April 1992 konnte die Amtsleiterin und Frauenbeauftragte Dörthe Domzig ihre Arbeit aufnehmen.

Das klar definierte Ziel lautete, den Auftrag des Grundgesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in den Verwaltungsalltag zu übersetzen. Initialprojekte waren das "Frauen-Nachttaxi" zum Thema Gewaltprävention, die "Dienstvereinbarung zur Gleichstellung" zur Verbesserung der Arbeitssituation von Frauen in der Stadtverwaltung, und die Einrichtung von "Zukunftswerkstätten" in allen Stadtteilen, zur Stärkung der Beteiligung von Frauen an kommunalen Entscheidungen.

Es folgte eine große Zahl von Initiativen und Projekten, die in enormer Breite aufzeigen konnten, wo typische und wichtige Gleichstellungsprobleme im Verantwortungsbereich der Stadt Heidelberg bestehen und wie sie bearbeitet werden können. Beispiele sind die Studie zur Arbeitssituation von Heidelbergerinnen und das Gründerinnenzentrum zur Stärkung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Ebenso Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit wie die Studie zu Angsträumen und die engagierte Umsetzung der dort gemachten Empfehlungen oder der Runde Tisch zur wirksamen Bekämpfung von Gewalt in Beziehungen. Wichtig für die Vernetzung: Das "Handbuch für Frauen" erscheint zum 23. April neu als Internet-Handbuch auf der Homepage des Amtes (www.heidelberg.de/frauen).

Zehn Jahre engagierte Arbeit für die Gleichstellung von Frau und Mann werden am Dienstag, 23. April, ab 18.30 Uhr im großen Rathaussaal gefeiert. Oberbürgermeisterin Beate Weber, Gleichstellungsbeauftragte Dörthe Domzig und die Mitarbeiterinnen des Amtes: Doris Rasch, Eva Maierl, Beate Lüdtke, Britta Günther und Miriam Backfisch laden ein zu einem unterhaltsamen Programm mit Musik, Filminterviews (mit ganz jungen und mit ganz bekannten Heidelberger/innen) und einem Live-Gespräch über die "Höhen und Tiefen der Frauenpolitik".
   

Dörthe Domzig

Gerechte Verteilung der Ressourcen

Ein Gespräch mit Dörthe Domzig, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Heidelberg


Bei der Verwirklichung der Gleichstellung von Frau und Mann sind alle gefragt. Vieles konnte das Amt für Frauenfragen in den letzten zehn Jahren auf den Weg bringen. Warum weiterhin Handlungsbedarf besteht erläutert Dörthe Domzig im STADTBLATT-Interview.

STADTBLATT: Welches waren die wichtigsten Ziele des neu gegründeten Amtes vor zehn Jahren?

Dörthe Domzig: Es waren die gleichen Ziele, die es auch heute noch sind: den Gleichstellungsprozess von Frauen und Männern beschleunigen, sowohl in der Stadtverwaltung als auch in der Kommune Heidelberg. Das sind z. B. Beiträge zur Sicherung der Beteiligung und Mitbestimmung von Frauen oder Beiträge zu einer Gestaltung des Berufs- und Alltagslebens, damit auch Männer keine Probleme mehr haben, den gleichen Anteil der Arbeit und Aufgaben im Privatleben zu übernehmen. Das sind Beiträge zur Verhinderung von Gewalt und Diskriminierung gegenüber Frauen und Mädchen und zum Abbau von Geschlechtsrollenklischees. Und natürlich geht es auch um die gerechtere Verteilung der Ressourcen - insbesondere der knappen wie Zeit und Geld - zwischen Frauen und Männern.

STADTBLATT: Die Beteiligung von Frauen an städtischen Entscheidungsprozessen war und ist Ihnen ein großes Anliegen, welche Maßnahmen waren hier besonders wirkungsvoll?

Domzig: Ja, das stimmt, denn beim Thema Gleichstellung haben wir es mit einem ständigen Aushandlungsprozess zu tun, der nicht für, sondern nur mit den Frauen praktiziert werden kann. Ein ganz wichtiges Projekt waren die Zukunftswerkstätten, die wir in allen Stadtteilen durchgeführt haben. Durch sie sind dem Gemeinderat eine Menge konkreter Anliegen von Frauen zur Entscheidung vorgelegt worden. In unserem Bericht über die Arbeit der letzen 10 Jahre lässt sich genau nachlesen, was alles umgesetzt wurde. Bei der internen Gleichstellungsarbeit konnten Regelungen für die möglichst paritätische Besetzung der Auswahlgremien sowie aller Arbeits- und Projektgruppen vereinbart werden. Das schlägt sich auch positiv in der Statistik nieder. Trotzdem besteht bei diesem Thema nach wie vor Handlungsbedarf.

STADTBLATT: Zahlreiche Projekte zur Stärkung der Position von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wurden auf den Weg gebracht, hat sich der Einsatz gelohnt?

Domzig: Die Nutzerinnen unserer Angebote sagen: ja! Wir konnten sowohl bestehende Dienstleistungen von Frauen für Frauen in Heidelberg erfolgreich stärken als auch neue Angebote schaffen, Angebote, die im Alltag weiterhelfen, wenn es darum geht, eine eigene Existenz zu gründen, eine geeignete Fortbildung zu finden oder den beruflichen Wiedereinstieg zu starten. Gleichstellungspolitik lohnt sich immer. Sie ist nicht nur ein moralisches Gebot, sondern eine rechtliche Verpflichtung. Mit ihr werden auch gesellschaftliche Modernisierungsmotoren aufgetankt, z.B. um einseitige Orientierungen an der traditionellen männlichen "Normal-Biographie" aufzubrechen, damit alltagstaugliche Flexibilität Platz hat, und typischerweise polarisierte private und öffentliche Lebenswelten vernünftig integriert werden können. Und nicht zuletzt heißt es, wirtschaftlich zu denken. Diskriminierung von Frauen verursacht nicht nur Imageschäden, sondern auch Kosten. Überdies ist jede zweite Kundin eine Frau; sei es von Betrieben, von Verwaltung oder von Politik. Wer will es sich leisten, auf diese Kundinnen zu verzichten.

STADTBLATT: Das Amt für Frauenfragen wird jetzt umbenannt in Amt für die Gleichstellung von Frau und Mann. Drückt sich darin auch eine inhaltliche Verlagerung seiner Aufgaben aus?

Domzig: Wir möchten auch auf diese Weise das häufigste Missverständnis nicht länger nähren, die Überwindung des alten "Geschlechtervertrages" sei lediglich eine "Frauenfrage", die am besten an Frauen zu delegieren ist. Der neue Name kann nicht nur unsere bisher geleistete Arbeit und die Herausforderungen des Gleichstellungsauftrages besser auf den Punkt bringen, er soll auch dazu beitragen, die Verantwortung aller zu unterstreichen, den unteilbaren Anspruch auf die tatsächliche Umsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen ernsthaft umzusetzen.
   

OB Weber

Liebe Heidelbergerinnen, liebe Heidelberger,

Mit der Einrichtung des Amtes für Frauenfragen im Jahr 1992 konnte ich ein politisches Versprechen einlösen, der Politik für Frauen und Gleichberechtigung als eigenständiger kommunaler Aufgabe eine klare Kontur zu geben. Die Bilanz der Arbeit stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass es sich gelohnt hat. Ein politischer Auftrag hat in Heidelberg Profil bekommen: Frauenthemen und Gleichstellungsinteressen konnten vom Randthema zum Erfolgsfaktor gedeihen. In der enormen Bandbreite kommunaler Arbeit sind vielfältige Probleme bei der Verwirklichung von Chancengleichheit anschaulich vermittelt, konkrete praxisnahe Maßnahmen zum Abbau von Benachteiligungen entwickelt und in Zusammenarbeit mit den Fachämtern wie auch mit der Unterstützung des Gemeinderates, im Bereich der Personalentwicklung mit der des Gesamtpersonalrates, umgesetzt worden. Die Erfolge sprechen für sich.

Der Rückblick auf diese zehn Jahre hat deshalb auch den Charakter eines Handbuches für gleichstellungspolitisch Interessierte. Hier wird nicht nur gezeigt, wo wir erfolgreich waren, sondern auch, wo weiterhin Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten bestehen, damit die typischen Probleme bei der Verwirklichung der Gleichstellung abgebaut werden. Einmal mehr wird bestätigt, dass dieses Thema auf allen Ebenen kommunalen Handelns greifen muss und institutionalisierter Unterstützung bedarf. Und natürlich wird ebenso deutlich, dass noch viel zu bewegen ist, um das Ziel zu erreichen.

Als Oberbürgermeisterin dieser Stadt werde ich auch in Zukunft dafür einstehen, dass die Umsetzung dieses Auftrages ernst genommen wird. Mein Dank gilt der Frauenbeauftragten der Stadt Heidelberg, Dörthe Domzig und ihren engagierten Mitarbeiterinnen. Ich freue mich, dass dieser großartige Einsatz durch die guten Ergebnisse belohnt wird. Aus Anlass des Jubiläums möchte ich den Wunsch der Mitarbeiterinnen erfüllen, mit einer Namensänderung die bisherige Entwicklung und den weiteren Auftrag des Amtes besser zu verdeutlichen. In Zukunft wird es den Namen "Amt für die Gleichstellung von Frau und Mann" oder kurz "Amt für Gleichstellung" tragen.

Beate Weber,
Oberbürgermeisterin

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Stand: 16. April 2002