Thema der Woche

Ausgabe Nr. 14 · 4. April 2001



Dr. h.c. Klaus Tschira vor der Villa Bosch, dem Sitz der von ihm gegründeten Stiftung, im Schloss-Wolfsbrunnenweg. (Foto: Rothe)

"Das Ansehen der Naturwissenschaften heben"

Die gemeinnützige Klaus Tschira Stiftung fördert wissenschaftliche und einige kulturelle Projekte - Ein Gespräch mit dem Stifter Dr. h.c. Klaus Tschira


Der Wahl-Heidelberger Dr. h.c. Klaus Tschira konnte jüngst seinen 60. Geburtstag feiern. Er hat 1972 das Unternehmen SAP AG mitgegründet, das heute weltweit Marktführer auf dem Gebiet betriebswirtschaftlicher Standardsoftware ist. Seit 1998 ist der Diplom-Physiker Mitglied des SAP-Aufsichtsrates. Im Dezember 1995 gründete er in Heidelberg die gemeinnützige Klaus Tschira Stiftung. Sitz der Stiftung ist die Villa Bosch, der ehemalige Wohnsitz des Nobelpreisträgers Carl Bosch (1874-1940). Im vorvergangenen Jahr erhielt Tschira als einer der größten Einzelstifter in Deutschland für seine besonderen Verdienste um das Stiftungswesen den Deutschen Stifterpreis.

Klaus Tschira hat die Villa Bosch stilgerecht renovieren und gleichzeitig mit modernster Technik ausstatten lassen. Sie beherbergt neben der Klaus Tschira Stiftung (KTS) auch das von ihm gegründete European Media Laboratory (EML) und ist Arbeitsplatz für rund vierzig junge Wissenschaftler/innen. Aus dem Anbau der Villa Bosch, dem früheren SDR-Studio, hat Tschira ein kleines, aber feines Konferenzzentrum gemacht. Die KTS fördert vor allem die Forschung in den Bereichen Angewandte Informatik, Naturwissenschaften und Mathematik, die internationale Zusammenarbeit in diesen Disziplinen sowie das allgemeine Verständnis für sie. Weiterhin wird die Lehre an staatlichen und privatrechtlichen Hochschulen unterstützt; Fördermittel erhalten auch einzelne Projekte aus dem Bereich der Heimat- und Denkmalpflege sowie der Kultur (Heidelberger Frühling, Zungenschlag). STADTBLATT-Redakteur Dr. Bert-Olaf Rieck sprach mit dem Stifter über seine Motive und die Aktivitäten in Heidelberg.

STADTBLATT: Ein kurzer Blick zurück: Worin liegt das Geheimnis des unglaublichen Erfolges von SAP - einfach die richtige Geschäftsidee zum richtigen Zeitpunkt?

Dr. h.c. Tschira: Das ist sicherlich ein wesentlicher Aspekt. Es war der richtige Zeitpunkt, weil damals durch die Änderung der Preispolitik der IBM und das Abkommen der IBM mit der Anti-Trust-Behörde in den USA ein neuer Markt entstanden ist für Software und Dienstleistungen. Die richtige Geschäftsidee war es insofern, als wir auf Softwareprodukte gesetzt haben und nicht auf Einzelprogrammierung, wie die vielen anderen Kollegen, die damals die IBM verlassen haben und in die Selbstständigkeit entfleucht sind. Wir haben einen Team-Ansatz gewählt und uns instinktiv stets bemüht, ein Arbeitsklima zu schaffen, das die Leute fordert und ihnen früh Verantwortung und Mitspracherechte gibt, damit das Arbeiten Freude macht.

STADTBLATT: Vor einigen Jahren haben Sie sich aus dem Tagesgeschäft bei SAP zurückgezogen, um sich neuen Aufgaben zu widmen. Was hat Sie dazu bewogen, einen großen Teil Ihres Vermögens in eine Stiftung einzubringen?

Dr. h.c. Tschira: Es waren im Grunde drei verschiedene Überlegungen: Zum einen hatte ich mir gedacht - die SAP ist am 1. April 1972 gegründet worden - 25 Jahre sollten reichen. Das Zweite war der steuerliche Aspekt. Ich habe den Eindruck, dass das Steueraufkommen nicht immer sinnvoll verwendet wird. Daher habe ich mich entschlossen, einen großen Teil meiner SAP-Aktien in die Stiftung einzubringen, um mit den Erträgen aus diesen Aktien Projekte zu fördern, die vom Gesetzgeber als gemeinnützig anerkannt sind.

Das dritte Motiv war die eigene Lebensgestaltung. Ich hatte in einem Vortrag gehört, dass die Sterblichkeit bei Pensionierung um den Faktor 15 steigt, sofern man nicht irgendetwas hat, das einen in Atem hält. Da habe ich beschlossen, ich muss die letzte Zeit im SAP-Vorstand darauf verwenden, mir parallel etwas aufzubauen, damit ich nach meiner Vorstandstätigkeit mehr Zeitsouveränität habe, mich aber andererseits so stark in eine sinnvolle Arbeit einbringen kann, wie ich will. Als gute Symbiose der drei verschiedenen Motive hat sich die Stiftung angeboten.

STADTBLATT: Welche Ziele verfolgen Sie mit der Klaus Tschira Stiftung?

Dr. h.c. Tschira: Wir Deutschen bezeichnen uns ja gern als das Volk der Dichter und Denker. Leider ist seit Goethe, glaube ich, unsere Kultur gespalten, in einen schöngeistigen Teil und einen mehr den Naturwissenschaften und dem Ingenieurwesen zuneigenden Teil. Ich gehöre eindeutig zum letzteren, finde aber, dass - wie bei den alten Griechen - die Beschäftigung mit Mathematik und der Natur ebenso selbstverständlich zur Kultur gehören muss wie die Auseinandersetzung mit Musik und Kunst. Zudem werden die Grundlagen unseres Wohlstandes langsam ausgezehrt, wenn der naturwissenschaftliche Teil immer ein bisschen despektierlich betrachtet wird.

Ich möchte dazu beitragen, dass das Ansehen der Naturwissenschaften, der Mathematik und der Informatik wieder etwas gehoben wird. Wir achten bei allen von der KTS geförderten Projekten darauf, dass der Nutzen vermittelbar ist, ohne allzu große komplizierte Erklärung. Die informatiklastigen Projekte, die wir im European Media Lab unterstützen, zielen beispielsweise alle auf die Entwicklung von Prototypen, bei denen der Nutzen unmittelbar einsehbar ist, wie z.B. bei dem elektronischen Touristenführer für Heidelberg oder Tesa-Film als Speichermedium für Westentaschencomputer.

STADTBLATT: Als Sitz der Stiftung haben Sie die Villa Bosch gewählt. Fühlen Sie sich Heidelberg in besonderer Weise verbunden?

Dr. h.c. Tschira: Ich wohne ja erst neun Jahre hier, und so schnell wird man von den richtigen Alteingesessenen nicht als Kurpfälzer oder Heidelberger anerkannt. Ich wohne gerne hier und freue mich, wenn ich erfahre, dass Heidelberg in einer Studie der Firma Feri als viertbester Wirtschaftsstandort in der Bundesrepublik bezeichnet wird.

STADTBLATT: Der "Garagen-Streit" hat Ihrer Liebe zu Heidelberg keinen Abbruch getan?

Dr. h.c. Tschira: Ich bin froh, dass die politischen Gremien nach aller Diskussion letztlich mehrheitlich für den Bau einer Tiefgarage gegenüber der Villa Bosch gestimmt haben. Auf diese Weise wird die Parksituation in der Umgebung des Studios in Zukunft entspannt; die Autos der Tagungs- und Workshopteilnehmer werden unter die Wiese verbannt werden.
   
 

EML - European Media Laboratory

  Die European Media Laboratory GmbH ist ein privates Forschungsinstitut für Informationstechnik (IT) und ihre Anwendungen. Im Zentrum des Interesses steht die Demonstration neuer intelligenter Methoden der Informationsverarbeitung, die ein hohes Anwendungspotenzial aufweisen. Die Forschung erfolgt bevorzugt in Kooperation mit universitären und außeruniversitären Forschungslabors sowie gelegentlich mit industriellen Partnern. Das EML hat zum Ziel, die Alltagstauglichkeit der Ergebnisse erfolgreicher Forschungsprojekte nachzuweisen. Die Produktion und Vermarktung selbst gehören nicht zu den Geschäftszwecken. Großes öffentliches Interesse fand vor zwei Jahren ein im Heidelberger Schloss vorgestellter erster Prototyp eines elektronischen Touristenführers. Ein wichtiger Schwerpunkt ist der Bereich Bioinformatik: Drei Arbeitsgruppen des EML befassen sich u.a. mit der Simulation, Visualisierung und Modellierung von biochemischen Prozessen. Dem EML-Motto "Think Beyond the Limits!" entsprechend denken die EML-Forscher auch im Projekt OptiMem: Sie entdeckten, dass Tesa-Film ein hervorragendes Speichermedium ist. Derzeit bearbeitet das EML im wesentlichen Forschungsprojekte der gemeinnützigen Klaus Tschira Stiftung. Weitere Informationen über das European Media Lab finden Sie unter www.eml.villa-bosch.de.
   
 

KTS - Klaus Tschira Stiftung

  Die 1995 ins Leben gerufene KTS, eine gemeinnützige GmbH, hält ein größeres Paket von Aktien der SAP AG. Aus den Erträgen der Aktien, die die Stiftung nicht verkaufen darf, werden eigene Aktivitäten finanziert und Projekte anderer gefördert. Ziel der Stiftung ist die Förderung der Wissenschaften und der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Derzeit konzentriert sich die Stiftung vor allem auf die Förderung von Forschungsvorhaben aus den verschiedenen Bereichen der angewandten Informatik und angrenzender Gebiete. Weiterhin wird die Lehre an staatlichen und privatrechtlichen Hochschulen unterstützt. Weitere Informationen über die Klaus Tschira Stiftung finden Sie unter www.kts.villa-bosch.de.

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Stand: 3. April 2001