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Ausgabe Nr. 12 · 20. März 2002 |
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Dialog zwischen Wissenschaft und Politik: Professor Hans-Georg Gadamer und Oberbürgermeisterin Beate Weber am Rande des Festaktes zum 100. Geburtstag des Philosophen, als ihm das Ehrenbürgerrecht der Stadt Heidelberg verliehen wurde. (Foto: Rothe) Hans-Georg Gadamer - wie man ihn in den letzten Jahren kannte. (Foto: Rothe) |
Ständige Bereitschaft zum Gespräch |
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Zum Tode des Philosophen und Ehrenbürgers der Stadt Heidelberg Hans-Georg Gadamer Am vergangenen Mittwoch, 13. März, ist der Philosoph und Heidelberger Ehrenbürger Hans-Georg Gadamer gestorben, wenige Wochen nachdem er in seinem Haus im Stadtteil Ziegelhausen seinen 102. Geburtstag feiern konnte. Hans-Georg Gadamer lehrte seit 1949 als Nachfolger von Karl Jaspers an der Ruprecht-Karls-Universität. Er war Träger des Karl-Jaspers-Preises und Träger der Bürgermedaille der Stadt Heidelberg. Hans-Georg Gadamer hat die Philosophie des 20. Jahrhunderts entscheidend mit geprägt. Er galt schon seit langem als Klassiker sowohl im deutschen als auch im romanischen und im angelsächsischen Sprachraum. Sein Denken befruchtet Philosophen und Geisteswissenschaftler in aller Welt. Am 11. Februar 1900 in Marburg geboren, lebte Hans-Georg Gadamer in drei Jahrhunderten und durchmaß das 20. Jahrhundert in dessen ganzer Länge: Kindheit und Jugend in der Kaiserzeit, Abitur während des ersten Weltkrieges, Antrittsvorlesung in der Weimarer Republik. Es folgten der Nationalsozialismus, gegen den er seine Unabhängigkeit bewahrte, die sowjetische Besatzung nach dem Krieg, die er als Rektor in Leipzig durchstand, der Wiederaufbau in Frankfurt und Heidelberg. Er wurde 1968 emeritiert. Mehr als ein halbes Jahrhundert war Hans-Georg Gadamer Bürger Heidelbergs, die beiden letzten Jahre auch Ehrenbürger. Auf die Frage "warum Heidelberg?", die ihm das STADTBLATT anlässlich seines 100. Geburtstags im Jahre 2000 stellte, antwortete er: "Eine unzerstörte Stadt, eine unzerstörte Bibliothek, unzerstörte Seminare und eine im Neuaufbau begriffene Fakultät erfüllten wichtige Bedingungen". Und: "Wo ist sonst eine Universitätsstadt, in der die Wälder bis an die Stadtränder und damit an die Hörsäle reichen?" In Heidelberg entstand sein Hauptwerk "Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik". Ein, so Gadamers Biograph Jean Grondin, "imposantes Buch, eine der seltenen exportfähigen und -würdigen Leistungen der deutschen Nachkriegsphilosophie". Gadamers Grundthese in der Zusammenfassung Grondins: "Wir kommen immer zu spät, wenn wir ganz zu begreifen und zu methodisieren trachten, was wir eigentlich verstehen. Das Verstehen selbst lässt sich nicht recht begründen, weil es der Grund, der Boden ist, auf dem wir immer schon stehen." Jean Grondin und Günter Figal, Schüler Gadamers und Herausgeber des Buches "Begegnungen mit Hans-Georg Gadamer", zog auch Oberbürgermeisterin Beate Weber als Zeitzeugen für ihre Würdigung des Philosophen heran, als sie am 11. Februar 2000 Hans-Georg Gadamer an dessen 100. Geburtstag das Ehrenbürgerrecht der Stadt Heidelberg verlieh. Unter anderem führte Beate Weber damals Folgendes aus: "Die Faszination, die Gadamer auf uns alle ausübt, liegt unter anderem darin, dass er mit dem, was er sagt, eine umfassende Beschäftigung mit der Wirklichkeit erkennen lässt, die einen immer wieder zum Erstaunen bringt. Und mit der Art, wie er es sagt, spricht er Menschen gleichermaßen an. Es ist ein unvergessliches Ereignis, einen Menschen und Philosophen zu erleben, der gleichermaßen intensiv spricht und zuhört - den Dialog wirklich lebt, das heißt den Zuhörenden und den Sprechenden gleichermaßen wertschätzt. Dass er mit den Inhalten seiner Reden und seinen Fähigkeiten junge Menschen zu Hunderten in Veranstaltungen fesselt und ihm atemlos zuhören lässt, verwundert da nicht. Wenn das möglich ist, dann können sich Menschen wie ich, die in der Politik versuchen, jungen Menschen den Zugang zum Nachdenken über ihre Wirklichkeit zu öffnen, Menschen insgesamt zum Dialog über ihre 'Polis' zu bringen, zuversichtlich auf den Weg begeben. Damit befinden wir uns wieder im Einklang mit Gadamer: der Mensch kann nicht ohne Hoffnung leben, so sagt er oft. Damit ist nicht die Hoffnung auf ein jenseitiges Leben gemeint, sondern die Lebenszuversicht, der Kampf alles Lebendigen um sein eigenes Überleben." Über Gadamers Bedeutung zum Beginn des neuen Jahrhunderts, sagte Beate Weber: "Seine Nähe zum Leben zeigt sich an der nicht nachlassenden Bereitschaft zum Gespräch mit unterschiedlichsten Menschen dieser Stadt. Was den Umgang mit der Jugend betrifft, so liegt sein Faszinosum darin, dass er das traditionelle Lehrer-Schüler-Verhältnis auflöst, um gleichzeitig Lehrender und Lernender zu sein, gemäß dem Titel des Buchs zum Vortrag 'Erziehung ist sich erziehen'. Das mögliche Recht, ja die Überlegenheit des Gesprächspartners im Voraus anzuerkennen, gehört zu Gadamers persönlicher Grundausstattung. Offenheit und die Bereitschaft zur Revision der eigenen Meinung sind die Voraussetzungen für ein gelingendes Gespräch. Denn Toleranz macht die Differenz erst möglich, Differenz aber verlangt Toleranz. Wir versuchen in der praktischen Arbeit in unserer Stadt solche Erkenntnisse umzusetzen und betreiben eine Politik des ständigen Dialogs, um zu besseren Entscheidungen für die Polis zu kommen. 'In der Diskussion der Wahrheit näher zu kommen' - wie Gadamer es ausdrückt - ist der Sinn von Workshops zu großen Planungen und stadtteilbezogenen Entwicklungen." Und an den Ehrenbürger direkt gewandt: "Sie sehen, viele haben von Ihnen gelernt." Aus der Schule Gadamers gingen unter anderem die Gelehrten Dieter Henrich, Friedrich Fulda, Reiner Wiehl, Wolfgang Wieland und Rüdiger Bubner hervor. Dieter Henrich, heute Professor für Philosophie in München, nahm in der Süddeutschen Zeitung mit folgenden Worten Abschied von Hans-Georg Gadamer: "Die Trauer darüber, ihn nicht mehr bei uns wissen zu können, wird überragt von der Dankbarkeit dafür, dass er da war." (br.) |
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Vita |
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