Thema der Woche

Ausgabe Nr. 12 · 22. März 2000



Sechs von 60 Kindern: Das sind (von li.) Harun, Schahraschub, Harun, Kurdistan, Azab und Ayman aus einer der acht Gruppen für die tägliche Hausaufgabenbetreuung. (Foto: Neudert)

"Andere Gestalt angenommen"

Die aktive Schulsozialarbeit hat spürbar die Atmosphäre in der Emmertsgrund-Schule verbessert


Lernen in der Emmertsgrund-Schule scheint Spaß zu machen. Ayman, Azab, Harun und dem Mädchen Kurdistan fallen bei der Frage, welches Schulfach sie nicht mögen, keine Antwort ein. Als Einziger schreibt nach einigem Zögern Harun auf, dass er Technisches Werken nicht mag.

Die vier besuchen täglich die Hausaufgabenbetreuung im Schulgebäude, die Teil des Modellprojekts "Schulsozialarbeit an der Emmertsgrund-Schule" ist. Mit Ihnen sind noch das Mädchen Schahraschub und ein weiterer Junge namens Harun von 14 bis maximal 16 Uhr in einem Klassenzimmer zusammen, um sich bei den Hausaufgaben von Ute Löser helfen zu lassen. Über 60 Kinder in acht Gruppen nehmen das Angebot in Anspruch.

"Wir erreichen die, die wir erreichen wollen", beantwortet Sozialarbeiter Georg Kaiser die Frage, ob die Kinder das Angebot nutzen, die es auch wirklich nötig haben. Es sind vor allem ausländische Kinder und Kinder von Aussiedlern, die Hausaufgabenhilfe brauchen. 300 Mark zahlen ihre Eltern im Schuljahr dafür als Unkostenbeitrag.

"Die Schulsozialarbeit an der Emmersgrund-Schule hat die Aufgabe, geeignete Maßnahmen umzusetzen, um der ganzheitlichen Förderung und sozialen Integration von Kindern gerecht zu werden und Chancengleichheit zu ermöglichen", heißt es im Bericht für das Schuljahr 1998/1999 von päd-aktiv, dem Verein, der von der Stadt Heidelberg mit der Durchführung des Projekts betraut wurde. Im Schuljahr 1997/98 startete das Vorhaben, der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 24. Februar die Mittel für die nächsten drei Jahre frei gegeben.

"Die Schulsozialarbeit hat sich sehr positiv auf Atmosphäre, Arbeit und Umgang an der Schule ausgewirkt", bilanziert Rektor Wolfgang Böhler. Erfolgsursachen erkennt er mehrere: Neben den vielen, auf die verschiedenen Problemfälle zugeschnittenen Hilfs- und Beratungsangebote (siehe Artikel unten) war für ihn die gute Vorbereitung entscheidend: "Um Fehler nicht zu wiederholen, haben wir uns in ganz Deutschland informiert." Und mit Georg Kaiser von päd-aktiv stimmt er überein, dass gerade die direkte Anbindung der Schulsozialarbeit an die Schule wichtig sei: Kaiser und seine Kollegin Susanne Gruber haben ein Büro- und einen Gruppenraum im Gebäude: So sind sie für Kinder, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer leicht erreichbar.

Damit die Angebote auch die Kinder und nicht zuletzt deren Eltern erreichen, ist ein Klima des Vertrauens notwendig: "Wir besetzen den Begriff Schulsozialarbeit positiv", sagt dazu Georg Kaiser. Eltern verhaltensauffälliger Kinder werden nicht als Angeklagte, sondern als Partner bei der Lösung von Problemen behandelt. Schule wird nicht als isolierte Bildungseinrichtung, sondern als Teil des Lebensumfelds verstanden: In der Emmertsgrund-Schule ist die Anmeldung zur Schule für Erstklässler kein bürokratischer Akt, sondern ein Fest. Unterricht beinhaltet nicht nur das Lernen von Mathe und Deutsch. Hier gibt es regelmäßig Schulstunden, in denen man spielerisch soziales Verhalten und Lösungsmöglichkeiten bei Konflikten lernen kann.

Dies sind nur einige Elemente der Schulsozialarbeit, wie sie an der Emmertsgrund-Schule verstanden werden. "Schule geht nicht nur bis 13 Uhr", verdeutlicht Wolfgang Böhler, dass sich alle Beteiligten über das Normalmaß hinaus engagieren. Aber es zahle sich aus, sagt der Rektor: "Die Schule hat eine andere Gestalt angenommen."

Er muss es wissen, denn er ist seit fast 20 Jahren Rektor an der Emmertsgrund-Schule. (neu)

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Die Elemente der Schulsozialarbeit

Ein umfassendes Konzept, das unmittelbar im Lebensraum Schule ansetzt


Die Emmertsgrund-Schule ist mit zur Zeit 430 Schülerinnen und Schüler Heidelbergs größte Grundschule. Auf Grund der Sozialstruktur im Stadtteil häuften sich hier soziale und familiäre Probleme. Um ein mögliches Abgleiten der Kinder in Verwahrlosung und Gewalt zu verhindern, startete die Stadt Heidelberg zum Schuljahr 97/98 das Modellprojekt Schulsozialarbeit.

Das Kinder- und Jugendamt und das Schulverwaltungsamt der Stadt Heidelberg, der Rektor, das Lehrerkollegium und natürlich päd-aktiv waren an der Ausarbeitung des Konzepts beteiligt. Susanne Gruber, Sozialpädagogin bei päd-aktiv, ist überzeugt davon, dass gerade die Vielfältigkeit der Schulsozialarbeit an der Emmertsgrund-Schule der Schlüssel zum Erfolg ist. Die Angebote sind miteinander verwoben, das Konzept stadtteilorientiert und es bezieht alle am Erziehungsprozess der Kinder beteiligten Personen und Institutionen ein. Folgende Elemente beinhaltet das Modellprojekt:

Aktive Pause
In jeder großen Pause bieten die Lehrerinnen und Lehrer Spielaktionen an, um Kräfteüberschüsse auszugleichen, zu entspannen und um Spielregeln einzuüben. Auf Wunsch der Kinder fand im vergangenen Jahr zwei mal eine "Mini-Playback-Show" statt. 550 Kinder, teils aus den Kindergärten, waren beim Sport- und Spieltag im Juni 99 dabei, den Eltern, Lehrer und Sozialarbeiter gemeinsam organisiert hatten.

Klassenbetreuung
Sie beinhaltet ein regelmäßiges Sozialtraining in allen Klassen, um den Umgang mit Konflikten und soziale Kompetenz zu erlernen. Es soll sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schülern, Lehrern und Sozialarbeitern entwickeln, Klassengemeinschaften gestärkt werden und frühzeitig Verhaltensauffälligkeiten erkannt werden. Nach jeder Sozialtrainingsstunde zeigen die Kinder mit einer grünen oder roten Karte, ob ihnen die Stunde gefallen hat. Die Sozialarbeiter betreuen die Klassen durchgehend von der ersten bis zur vierten Klasse.

Hausaufgabenhilfe
Montags bis freitags zwischen 14 und 16 Uhr können Kinder mit Sprach- oder Lernschwierigkeiten in der Hausaufgabenbetreuung an der Schule ihre Aufgaben erledigen. Sie erhalten dort selbstverständlich Unterstützung und Förderung.

Gruppenarbeit
Verhaltensauffällige Kinder können in einer Kleingruppe über spieltherapeutische Angebote unter anderem Konfliktbewältigung erlernen, ihre Kommunikationsfähigkeit verbessern, ihr Selbstbewusstsein stärken, um so die Integration in die Klasse zu erleichtern. Das Angebot erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Eltern und Lehrern.

Einzelfallhilfe
Schüler mit akuten familiären und schulischen Problemen erhalten Einzelfallhilfe. Die Schulsozialarbeiter sind Ansprechpartner und Berater für Lehrer, die solche Kinder in ihre Klasse haben. Gemeinsam mit den Eltern versucht man, Lösungsmöglichkeiten bei Problemen zu finden.

Außerdem nehmen die Sozialarbeiter an den Elternabenden teil und führen mit Eltern zu verschiedenen Gelegenheiten Beratungsgespräche. 1999 wurde auch ein Informationsabend "Gewalt an der Schule ó was können Eltern tun?" veranstaltet, an dem über 100 Eltern teilnahmen. Zudem treffen sich die Sozialarbeiter regelmäßig mit Vertretern andere Einrichtungen für Kinder und Jugendliche im Stadtteil, um Informationen und Erfahrungen auszutauschen. (neu)

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Stand: 21. März 2000