Thema der Woche

Ausgabe Nr. 11 · 17. März 1999

  Seit Januar 1999 sind alle Ämter der Stadt Heidelberg in der Dezentralen Ressourcenverantwortung
 

Verwaltungsreform auf der Zielgeraden

Verwaltungsmodernisierung ist keine Heidelberger Erfindung, aber man kann sagen, dass die Stadt schon eine gewisse Vorreiterrolle für andere Kommunen übernommen hat. Ein großes Etappenziel wurde zu Beginn des Jahres erreicht: Seit Januar 1999 ist die Dezentrale Ressourcenverantwortung (DRV) auf alle Ämter ausgedehnt worden.

Das bedeutet, dass nun alle Ämter der Stadtverwaltung mehr Eigenständigkeit in Fach-, Personal- und Finanzangelegenheiten haben. Da sie sich für das Haushaltsjahr selbst Ziele setzen und mit dem Gemeinderat und der Oberbürgermeisterin vereinbaren, welche Leistungen sie mit welchem finanziellen Aufwand erbringen, können sie am Jahresende auch feststellen, welche Ziele erreicht oder nicht erreicht wurden: Damit ist Entscheidungsfreiheit, aber auch Verantwortung, auf diejenigen verlagert worden, die sie auf Grund ihrer Ausbildung, Sachkenntnis und Erfahrung am besten wahrnehmen können.

Vorreiter war die Stadtbücherei, die sich seit Januar 1994 in der Dezentralen Ressourcenverantwortung befindet. Im September 94 folgten das Orchester und das Theater, Anfang 1995 das Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung und die Stadthalle.

Die Verwaltungsreform will zwei Ziele erreichen, die, vordergründig betrachtet, nicht zusammenpassen: Die Kosten sollen sich verringern, die Leistungen sich verbessern. "Wir wollen uns von einem Obrigkeitsverwalter zu einem modernen Dienstleister entwickeln", umschreibt der Leiter des Personal- und Organisationsamtes, Ludwig Fischer, die Aufgabe. Die Tatsache, dass in den über fünf Jahren DRV 25 Millionen Mark eingespart wurden und gleichzeitig positive Entwicklungen bei der Kundenorientierung und der Mitarbeiterzufriedenheit erreicht wurden, zeigt, dass beide Ziele erreicht werden können.

Doch für einen solchen Kraftakt müssen die Rahmenbedingungen stimmen: Ludwig Fischer weist darauf hin, dass es besonders hilfreich gewesen sei, dass Oberbürgermeisterin Beate Weber die Verwaltungsreform vorangetrieben und immer unterstützt hat. Roland Haag, Leiter der Abteilung Organisation und Personalwirtschaft, betont, dass die Reform nur funktioniert, weil sie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ämtern mitgetragen wird. "Ihre Erfahrungen und Meinungen sind sehr wichtig für den Erfolg", sagt er. Ebenfalls einen gewichtigen Anteil am Erfolg hat das Kämmereiamt, das in Kooperation mit dem Personal- und Organisationsamt vor allem den finanziellen Bereich der Verwaltungsreform regelt.

"Die sind für uns da": Wenn die Heidelbergerinnen und Heidelberger diese Einschätzung von ihre Verwaltung haben, hat die Reform ihr Ziel erreicht. Einen Großteil des Weges dorthin hat man sicher schon zurückgelegt. Da sich aber die Wünsche der "Kunden" in Zukunft durchaus ändern können, muss die Verwaltung flexibel genug sein, um auf Veränderungen reagieren zu können. Eine Verwaltungsreform ist nun mal kein endlicher Prozess, sondern eine Daueraufgabe. (neu)
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Sind für die Verwaltungsreform zuständig (v li.): Roland Haag, Leiter der Abteilung Ämterorganisation und Personalwirtschaft, Ludwig Fischer, Leiter des Personal- und Organisationsamtes, und Jürgen Heiß, Zentrale Controllingstelle. (Foto: Rothe)
Die Dezentrale Ressourcenverantwortung ist wesentlicher Teil der Verwaltungsreform

"Kundenorientiert, effizient"

Der Begriff "Dezentrale Ressourcenverantwortung" (DRV) ist ein wenig verständliches Wortungetüm. Was DRV mit der Verwaltungsreform zu tun hat, darüber sprach Eberhard Neudert-Becker mit Ludwig Fischer, Leiter des Personal- und Organisationsamtes, Roland Haag, Leiter der Abteilung Organisation und Personalwirtschaft, und Jürgen Heiß von der Zentralen Controllingstelle.

STADTBLATT: Was beinhaltet der Begriff "Dezentrale Ressourcenverantwortung?

Fischer: Die Dezentrale Ressourcenverantwortung (DRV) ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um durch eine Veränderung der inneren Organisation die Ziele der Heidelberger Verwaltungsreform zu erreichen. Ziel ist es, die Stadtverwaltung von einer Behörde in ein kundenorientiertes, effizientes Dienstleistungsunternehmen umzubauen.

Haag: Mit anderen Worten heißt das, mit weniger Geld bessere Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu erbringen.

STADTBLATT: Und das kann wirklich funktionieren?

Fischer: Bei den bisherigen Ämtern in der DRV sind, ohne dass der Bürger eine nennenswerte Einschränkung bemerkt hat, bisher rund 25 Millionen Mark Kosten eingespart worden. Im Gegenteil, die Qualität der Leistungen der Stadtverwaltung wurde in vielen Bereichen erhöht. Beispiele: die Bürgerämter, die Ausweitung der Öffnungszeiten in verschiedenen ÄmternÖ

Heiß: Öoder die Erweiterung der Dienstleistungen, etwa das Angebot von Freitagnachmittags- und Samstagstrauungen.

Haag: Wir versuchen, die Verwaltung auch aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger zu organisieren und fragen deshalb nach, was in verschiedenen Lebenslagen wichtig ist. Wir nennen das konsequente Kundenorientierung.

Heiß: So was ist natürlich nur möglich mit einer Effizienzsteigerung in den Ämtern, da man ja mit dem gleichen Personalbestand auskommen muss.

STADTBLATT: Wie wird die Effizenzsteigerung erreicht?

Haag: Wir optimieren Abläufe, nutzen die Kreativität der Beschäftigten und suchen nach Lösungen gemeinsam mit den Betroffenen. Die DRV ist ein Instrument, um unter Einbeziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Aufgaben wirtschaftlicher zu bewältigen.

Fischer: Bessere Qualität, Bürgerfreundlichkeit und höhere Effizienz sind eigentlich kein Widerspruch: Durch höhere Effizienz ist nämlich größere Kundenfreundlichkeit zu erreichen.

Haag: Im gewerblichen Bereich nimmt natürlich die verbesserte Wirtschaftlichkeit einen höheren Stellenwert ein. Im klassischen Verwaltungsbereich, etwa beim Bürgeramt, steht die verbesserte Kundenorientierung im Vordergrund. Dort wo städtische Stellen in Konkurrenz zu privaten Anbietern Dienstleistungen erbringen, haben Effizienz und Kostenreduzierung einen höheren Stellenwert.

Heiß: Wir haben in der Stadtbücherei in den letzten fünf Jahren erhebliche Einsparungen erwirtschaftet und haben jetzt die höchsten Entleihungen, die es je dort gegeben hat. In ähnlicher Weise wurden Kosten gesenkt und Leistungen erweitert beispielsweise bei der Unterhaltung und Reinigung der Straßen, den Grünanlagen, Friedhöfen, Schwimmbädern, Sportplätzen und der Müllabfuhr.

Haag: Durch die Umsetzung der Dezentralen Ressourcenverantwortung werden auch erstmals für die Bürger die Leistungen und Kosten transparent. Transparenz entsteht natürlich auch für die Gemeinderäte. Sie können dann Entscheidungen auf der Grundlage fundierter Informationen treffen.

STADTBLATT: Bringt das wirklich nicht mehr Kosten?

Fischer: Nein. Die Verwaltungsreform hat nicht das Ziel, dass der Bürger mehr zu zahlen hat, sondern dass die Kosten gehalten oder sogar gesenkt werden können.

Haag: Kostentransparenz kann dazu führen, dass Gebühren gerechter verteilt werden. Höhere Effizienz führt dazu, dass Gebühren nicht erhöht werden müssen beziehungsweise Erhöhungen moderater ausfallen.

Heiß: In den letzten Jahren wurden, mit Ausnahme der Hundesteuer, keine kommunalen Steuern erhöht und die wichtigsten Gebühren wurden zumindest gehalten.

STADTBLATT: Wie sieht es mit der Belastung der Mitarbeiter aus?

Fischer: Die Mehrzahl unserer Mitarbeiter ist hochqualifiziert. Es gilt, diese Potentiale auszuschöpfen. Die bisherigen Modellprojekte haben gezeigt, dass die Arbeitszufriedenheit steigt: Zufriedene Kunden produzieren zufriedene Mitarbeiter und umgekehrt.

Heiß: Zufriedene Mitarbeiter sind natürlich leistungsfähiger und leistungsbereiter. Das große Defizit der alten zentralen Verwaltung war, dass man den Beschäftigten zuwenig Verantwortung zugetraut hat. Mitarbeitern, die privat Häuser bauen oder Autos kaufen, hat man die Fähigkeit abgesprochen, einen Bleistift zu beschaffen.

Haag: Die Beschäftigten sind die Träger der Verwaltungsreform und müssen in die Veränderungsprozesse einbezogen werden. Die dafür notwendigen Bewußtseinsveränderungen können nun mal nicht verordnet, sondern nur durch gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen herbeigeführt werden.

Fischer: Wir trauen den Mitarbeitern heute mehr zu. Natürlich können damit auch gewisse Mehrbelastungen verbunden sein. Die meisten sind hierzu bereit, aber: Wer zur Verwaltung geht, um in einem geheizten Zimmer in Ruhe seiner Pensionierung entgegen zu sehen, wird sich in der Heidelberger Verwaltung schwer tun.
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Stand: 16. März 1999