Kultur

Ausgabe Nr. 11 · 15. März 2000

Schöpfer poetischen Universums

Clemens Brentano Preis der Stadt Heidelberg wird am 21. März verliehen


Oswald Egger und Hendrik Rost sind die diesjährigen Preisträger des mit 20.000 Mark dotierten Clemens Brentano Preises, den die Stadt Heidelberg zu gleichen Teilen den beiden Lyrikern verleiht. Oswald Egger erhält den Preis für seine 1999 erschienenen Lyrikbände "Herde der Rede" und "Der Rede Dreh" und Hendrik Rost für seinen im selben Jahr erschienen Gedichtband "Fliegende Schatten".

Die Jury begründete ihre Entscheidung für den in Wien lebenden Oswald Egger damit, dass er Schöpfer eines poetischen Universums sei und zugleich unser Sprachbewusstsein auf vielfältige Art erweitere. Hendrik Rost, der als Schriftsteller in Hamburg lebt, wird ausgezeichnet, weil seine Gedichte der zeitgenössischen Lyrik entscheidende Impulse geben, indem sie sprachliche Grenzen ausloten und erweitern.

Den mit 20 000 Mark dotierten Preis vergibt die Stadt Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Germanistischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität seit 1993 jährlich wechselnd in den Sparten Erzählung, Roman, Essay, Drama und Lyrik. Den Literaturförderpreis erhielten 1993 Günter Coufal, 1995 Gabriele Kögel, 1996 Barbara Köhler und Jörg Schieke, 1997 Daniel Zahno, 1998 Benjamin Korn und 1999 Norbert Niemann. Der Jury gehörten der Literaturkritiker Helmut Böttiger, der Lyriker Uwe Kolbe, die Lektorin Tatjana Michaelis, der Schauspiel-Dramaturg Matthias Schubert und die Germanistik-Studentinnen Astrid Fassbender, Simone Voyé und Judith Ulmer an.

Mit dem Clemens Brentano Preis wurde eine wertvolle Tradition begründet. Die Idee, dass eine Jury über die Vergabe des Preises entscheidet, die sich zu gleichen Teilen aus namhaften Fachleuten des literarischen Lebens und Heidelberger Studenten zusammensetzt, hat sich bewährt. Jedes Jahr wird aufs Neue ein Dialog zwischen Literaturkritikern, Autoren, Verlegern, Lektoren und der Universität angeregt, in dessen Mittelpunkt das Engagement für die Literatur der Gegenwart steht. Der Preis bereichert das vielfältige literarische Leben Heidelbergs und fördert junge Autoren, die noch keine breite Öffentlichkeit erreicht haben. (doh)
   

Hendrik Rost
wurde 1969 in Burgsteinfurt geboren und studierte Germanistik und Philosophie in Kiel und Düsseldorf. Er veröffentlichte in Anthologien und Literaturzeitschriften und ist Mitherausgeber der Heine-Anthologie Ich liebe doch das Leben. (Insel Verlag, 1997). Hendrik Rost erhielt bislang verschiedene Preise und Stipendien, darunter den Ersten Düsseldorfer Lyrikpreis, das Stipendium der Akademie Schloss Solitude, Stuttgart, und den Förderpreis für Literatur der Freien Hansestadt Hamburg.
 


Kontraste

Einmal im Nachspann, als ein
Foul wiederholt wurde, sah ich erst
dann zwischen den Spielern
eine Elster in Panik vom Rasen
abheben. Unerwartet aufgeschreckt,
folgte die Kamera in Zeitlupe ihrem
Flug, während der Tumult
im Hintergrund langsam belanglos
unscharf wurde - bis sich die
Linse abrupt aus ihrem Sog löste,
zurück auf die fallenden Körper.

(Hendrik Rost)

 

Oswald Egger
1963 in Lana geboren, lebt heute in Wien. Er schloss sein Studium an der Universität Wien mit einer Arbeit über die Poetik des Hermetischen ab. Verschiedene Stipendien ermöglichten Oswald Egger Aufenthalte in New York, Wien, Berlin und Rom. Von 1988-1998 war er Herausgeber der Zeitschrift Der Prokurist sowie der edition per procura. Oswald Egger veröffentlichte in Künstlerkatalogen, Anthologien und Zeitschriften, darunter Akzente, Schreibheft, manuskripte und Sprache im technischen Zeitalter.
 


Der Rede Dreh (Auszug)

Wenn ich den Gesichtskreis über den
Erdkreis abrolle, entwickelte sich
jene eine Wellenlinie, die vor dem ru-
henden Auge vorüberzieht und mich um
sich verführte, ihre Reize zierde nachzu-
zeichnen. Weil die Fazies aber viel mehr
als reigende Ereignisse versäumt,
Gedritterschein und Anmuts-Zeiger der
Grazie rädelnd fortspinnt, phasenver-
schoben, sehe ich, wenn ich rede, eine
Kette ineinsgreifender, Reihen von
Paragraphen infolge, die mir angeben,
wo ich an die Sprache grenze.

(Oswald Egger)

   
 

Preisverleihung

  Oswald Egger und Hendrik Rost sind die Träger des Clemens Brentano Preises 2000. Oberbürgermeisterin Beate Weber wird den mit 20 000 Mark dotierten Förderpreis am 21. März um 20 Uhr im Spiegelsaal des Prinz Carl übergeben. Die Laudatio hält Hermann Wallmann, Literaturkritiker und Redakteur der Literaturzeitschrift "Schreibheft". Oswald Egger liest Auszüge aus "Herde der Rede" und "Der Rede Dreh" und Hendrik Rost aus seinem Gedichtband "Fliegende Schatten". Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.

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Stand: 14. März 2000