Thema der Woche

Ausgabe Nr. 9 · 28. Februar 2001



Gemeinsam mit anderen Partnern wollen Oberbürgermeisterin Beate Weber und Kriminaldirektor Bernd Fuchs über das "Präventive Jugendhilfe" Schülerinnen und Schüler vor Fehltritten schützen. (Foto: Alex)

Soziale Kompetenz von Jugendlichen stärken

Stadt und Polizeidirektion Heidelberg stellen neues Begleitkonzept "Präventive Jugendhilfe" für Heidelberger Schulen vor


Was für die Schulen überall gilt, ist auch in Heidelberg ein Thema: Vor allem an Haupt- und Förderschulen klagen Lehrkräfte immer wieder über mangelnde Aufmerksamkeit, geringe Bereitschaft, sich gegenseitig zuzuhören, und steigende Aggressivität in den Klassen. Die Stadt und die Polizeidirektion Heidelberg helfen mit dem neuen Begleitkonzept "Präventive Jugendhilfe" für Haupt- und Förderschulen, die soziale Kompetenz von Schülerinnen und Schülern zu stärken.

Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen zur Vorbeugung von Sucht, Gewalt unter Jugendlichen, Jugendkriminalität und Jugendarbeitslosigkeit. Mit einem verstärkten Begleitkonzept wollen Stadt und Polizei flächendeckend alle fünften bis neunten Klassen der Heidelberger Haupt- und Förderschulen ansprechen. Oberbürgermeisterin Beate Weber: "Wir wollen gemeinsam erreichen, dass die Schülerinnen und Schüler frühzeitig lernen, selbstständige Persönlichkeiten zu werden, die sich selbst und anderen gegenüber verantwortlich handeln."

Das Konzept "Präventive Jugendhilfe" ist ein Gemeinschaftswerk von Stadt, Polizei, der Aktionsgemeinschaft Drogen e.V. Heidelberg, der Arbeitsgemeinschaft für Gefährdetenhilfe und Jugendschutz in der Erzdiözese Freiburg, der Free Clinic e.V. und der "Werkstatt Gesundheit". Entstanden ist es im Rahmen der Aktivitäten zur Kommunalen Kriminalprävention. Kriminaldirektor Bernd Fuchs: "Um die Professionalität der präventiven Jugendhilfe weiter zu steigern, kommt es entscheidend darauf an, Synergien zu nutzen und lobenswerte Einzelaktivitäten konzeptionell zu bündeln. Das ist uns mit dem neuen Begleitkonzept gelungen."

In insgesamt vier Stufen werden die Präventionssachbearbeiter der zuständigen Polizeireviere und die Mitarbeiter des Heidelberger Kinder- und Jugendamtes unter intensiver Einbindung der Lehrerschaft sowie sämtlicher Kräfte der beteiligten Vereinigungen eine Vielzahl von Veranstaltungen, Projekten und Lehrveranstaltungen durchführen. Ziel ist es, die soziale Kompetenz und das Selbstwertgefühl der Schüler/innen zu stärken. Konkret sieht das Konzept folgende Schritte vor:

Klasse 5: Starterprogramm "Soziale Kompetenz"
In den fünften Klassen, in denen der Klassenverband erst neu gebildet wird, soll im Gruppentraining die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Schüler/innen gefördert werden.

Klasse 6: "Herausforderung Gewalt"
Unter die Lupe genommen werden nicht nur die Formen und Ursachen körperlicher Gewalt sondern auch Themen wie "Mobbing" und "Bullying" (Hänseln). Hier lernen Schüler/innen Konflikte zu vermeiden, zu schlichten und zu bewältigen.

Klasse 7: "Was tun gegen Sucht"
Legale und illegale Drogen, Suchtursachen und -vorbeugung stehen im Mittelpunkt der Veranstaltungen für Lehrer, Eltern und Schüler.

Klassen 8 und 9: Übergang von der Schule in den Beruf
Leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern wird bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Praktikumsplatz unter die Arme gegriffen.

Um die Wirkung des neuen Begleitkonzeptes überprüfen zu können, ist ab dem nächsten Schuljahr dessen wissenschaftliche Begleitung durch das Kriminologische Institut und die Kinderpsychiatrische Klinik der Universität Heidelberg beabsichtigt.

Bislang haben sich fünf Heidelberger Schulen dem Projekt angeschlossen: die Waldparkschule im Stadtteil Boxberg, die Geschwister-Scholl-Schule in Kirchheim, die Heiligenbergschule in Handschuhsheim, die Landhausschule in der Weststadt und die Fröbelschule in Wieblingen.

Informationen
Weitere Informationen zum Projekt "Präventive Jugendhilfe" gibt es beim Kinder- und Jugendamt der Stadt Heidelberg, Telefon 58-3804 und 58-3175 und bei der Polizeidirektion Heidelberg, Telefon 991250 und 991241. (eu)

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"Ich lache niemanden aus"

Was die Projektmitarbeiter konkret an den Schulen vermitteln und erleben


Jürgen Höing ist für die Stadt in Sachen soziale Kompetenz und Suchtprophylaxe an den Schulen tätig, Thomas Heilig von der Polizei als Jugendsachbearbeiter zum Thema Gewalt und Dirk Hofmann, ebenfalls städtischer Mitarbeiter, als Berater für den Übergang von Schule zu Beruf. Was sie konkret an den Schulen vermitteln und welche Reaktionen sie erhalten, schildern sie hier.
   

Jürgen Höing

"In unserem Begleitkonzept für Heidelberger Haupt- und Förderschulen bin ich für die Maßnahmen in den Klassenstufen 5 und 7 zuständig. Freundlicherweise hat uns der Stadtjugendring für diese Veranstaltungen seine Räumlichkeiten überlassen. Dort sind die Voraussetzungen für eine konzentrierte Arbeit ideal. Mein Ziel im Starterprogramm (Klasse 5) ist es, soziale Kompetenz zu fördern. Die Schüler können an den drei Vormittagen folgende grundlegenden Verhaltensweisen für den Umgang miteinander lernen: Ich lache niemanden aus! Ich höre genau zu! Ich biete meine Hilfe an!

Das Einhalten dieser Grundregeln wird in aufeinander abgestimmten Kommunikationsübungen und erlebnispädagogischen Spielen geübt. Am Ende haben die Schulklassen gelernt, mehr Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.

Verantwortliches Handeln hat auch im Programm "Was tun gegen Sucht" zentrale Bedeutung. Hier werden Schülerinnen und Schüler mit Gruppenaufgaben konfrontiert, die schwierig und nur gemeinsam zu lösen sind. Dies erhöht die Frustrationstoleranz und zwingt zu gemeinsamen Überlegen und Handeln. Zudem haben die 7. Klassen die Möglichkeit, eine Heidelberger Suchtberatungsstelle kennen zu lernen.

Beide Ansätze kommen bei den Schülern gut an. Dies erkennen wir an den steigenden Nachfragen und an den Rückmeldungen der Schüler, die Bestandteil jedes Projektes sind."
   

Thomas Heilig

"Die Projektarbeit wird von sechs Jugendsachbearbeitern des Polizeireviers Heidelberg Mitte geleistet und findet an vier Schulen in acht Klassen der Klassenstufe 6 statt. "Herausforderung Gewalt" besteht aus vier Lernabschnitten an fünf Tagen und erstreckt sich über ein halbes bis dreiviertel Schuljahr.

Als erstes wird der Begriff "Gewalt" erarbeitet und diskutiert, ein Kurzfilm betrachtet und in Gruppen aufgearbeitet. Danach folgt das Empathie-Training, der Umgang mit eigenen Gefühlen und Gefühlen anderer, durch Spiele. Anschließend gibt es ein Rollenspiel mit Besprechung und einer weiteren Abfrage zum Thema Gewalt. In der Abschlussveranstaltung werden die beiden Abfragen zum Thema Gewalt besprochen und ein Ergebnis des gesamten Unterrichts erarbeitet.

Die Schülerinnen und Schüler zeichnen sich durch eine rege Teilnahme an den einzelnen Unterrichtseinheiten ab. Das offenkundig große Interesse am Thema Gewalt spiegelt sich in vielen Fragen wider und in den guten, teilweise phantasievollen Beiträgen, die in den Unterricht eingebracht werden. Es scheint, als ob die Aufklärungsarbeit durch den Unterricht sehr gut ankommt."
   

Dirk Hofmann

"In den 9. Klassen lasse ich mir von jedem Schüler einen Fragebogen ausfüllen, den ich anschließend mit jedem Einzelnen bespreche. Die Jugendlichen werden gefragt, wie es nach der 9. Klasse weitergehen soll, ob sie weiter eine Schule besuchen oder eine Ausbildung machen wollen. Ich möchte ihre Schulnoten wissen, ob und wo sie ein Praktikum gemacht haben und womit sie ihre Freizeit verbringen. Bei der Besprechung versuche ich formulierte Wünsche zu konkretisieren und gegebenenfalls auf ein realistisches Maß zurückzuschrauben. Gerade bei der Konkretisierung des Berufswunsches arbeite ich eng mit den Berufsberatern des Arbeitsamtes zusammen. Ich besuche jede 9.Klasse mehrmals und konzentriere mich auf diejenigen, die noch unversorgt sind. Ich kooperiere mit ausbildenden Betrieben und vermittle so manchen Praktikumplatz, woraus sich direkt ein Ausbildungsverhältnis entwickeln kann. Mit Beginn des Schuljahres habe ich die Klassenstufe 8 mit in mein Konzept aufgenommen. Je früher ich Kontakt zu den Jugendlichen bekomme, umso größer ist die Chance, die individuell beste Perspektive zu finden.

Ich mache den Schülerinnen und Schülern klar, dass sie ohne aktiven Einsatz kaum einen Ausbildungsplatz finden werden. Das verstehen sie auch. Ich verlange von ihnen, dass sie sich im Berufsinformationszentrum über Ausbildungsberufe informieren, dass sie die ausbildenden Betriebe selbst aufsuchen und in den Ferien ein freiwilliges Praktikum machen. Gerade in kleineren Betrieben können Jugendliche mit Tugenden wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Einsatz und Interesse sich einen Ausbildungsplatz ergattern.

Immer wieder rufen mich auch Jugendliche an, die meinen Rat hören möchten oder auch nur berichten, was sie seit unserem letzten Treffen unternommen haben."

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Stand: 27. Februar 2001