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Ausgabe Nr. 3 · 14. Januar 2004



Viel Beifall gab es für das junge Kammerorchester Heidelberg unter der Leitung von Gudni Emilsson und die Tanzsporteinlagen der Paare Diana-Roas Reinig und Ricardo de Freitas sowie Marion Mäurer und Markus Mäurer vom Tanzsportclub Grün-Gold Heidelberg. (Foto: Rothe)
"Wir benötigen Selbstvertrauen, um alle Herausforderungen zu meistern"
Neujahrsempfang der Stadt Heidelberg im Kongresshaus Stadthalle - Schwimmerin Petra Dallmann als Gastrednerin


Zum Neujahrsempfang der Stadt Heidelberg lädt Oberbürgermeisterin Beate Weber Anfang Januar alljährlich in die Stadthalle. Vergangenen Sonntag füllten wieder unzählige Vertreterinnen und Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen den großen Saal des Hauses.

Als besondere Gäste waren wegen des Europäischen Jahrs der Erziehung durch Sport Menschen eingeladen, die in diesem Bereich aktiv, ehrenamtlich tätig oder in anderer Weise engagiert sind. Gastrednerin war deswegen auch eine Sportlerin. Die erfolgreiche Schwimmerin und Medizinstudentin Petra Dallmann sprach in ihrer Neujahrsrede darüber, wie sie Sport und Studium gleichzeitig zu bewältigen versucht.

Nachfolgend geben wir die Rede von Oberbürgermeisterin Beate Weber und den Gastbeitrag in Auszügen wieder.

"Es sind erst zwei Wochen her, dass die Welt durch eine Schreckensnachricht in Bestürzung und Trauer versetzt wurde: In Sekunden wurde zerstört, was für die Ewigkeit bewahrt werden sollte, die iranische Stadt Bam. (...) Aus wohlhabenden Menschen sind über Nacht Nomaden geworden (...) Obwohl man weiß, dass es zwecklos ist, möchte man nach einer solchen Tragödie gegen die Gleichgültigkeit der Natur aufbegehren. Doch erneut hat sich die Ohnmacht mit dem Schrecken auf fundamentale Weise zu arrangieren.

(...) Drei Viertel aller Deutschen haben laut Forsa kein Vertrauen in den Sozialstaat und in die Altersvorsorge, sie haben Angst vor der Osterweiterung der EU, vor Arbeitslosigkeit und sozialer Eiszeit, vor Vergreisung und Bildungsdefiziten. Angst und Misstrauen sind die Gefühle des Jahres 2003.

Es scheint bei uns geradezu epidemisch geworden zu sein, erst einmal misstrauisch abzuwarten, um dann festzustellen: das war wohl nichts mit dieser Reform, die greift doch zu kurz, die Einschnitte sind einfach zu grausam... Es wird von der Politik erwartet, dass sie Signale der Hoffnung aussendet und Aufbruchstimmung verbreitet. Tut sie es tatsächlich, ist man misstrauischer denn je.

(...) Eine große Portion Selbstvertrauen benötigen wir, um alle die Herausforderungen zu meistern, die uns erneut erwarten. Es sind nämlich die gleichen, die ich im vergangenen Jahr angesprochen habe:

Erhaltung des Friedens
(...) Unsere Aufgabe für dieses Jahr ist es, die Chance zu nutzen, durch das Zusammenwachsen des größeren Europa die Demokratie in den neuen Mitgliedsstaaten zu stabilisieren, indem wir eine nachhaltige Entwicklung fördern und sichern.

Dabei dürfen wir Länder wie Bosnien-Herzegowina nicht aus dem Blick geraten lassen... Unser städtischer Beitrag dazu ist die Unterstützung der Stadt Mostar beim Wiederaufbau einer zukunftsfähigen Verwaltung und einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Ich freue mich, dass zu meinem Geburtstag bis Ende Dezember 6.442 Euro gespendet worden sind, die in den "Blindentreff Mostar" investiert werden sollen, und danke all denen, die dazu beigetragen haben. (...)

Bessere Bildungschancen
(...) Seit Jahrhunderten verbindet man Heidelberg mit Wissen und Lernen. Neben einem guten Angebot an Grund- und weiterführenden Schulen bietet Heidelberg den herausragenden Standort für wissenschaftliche und forschende Einrichtungen. (...) Vor allem die Verbindung von Natur- und Geisteswissenschaften macht Heidelberg zu einem einzigartigen Zentrum. Deshalb bewirbt sich Heidelberg mit all diesen Partnerinnen und Partnern als "Stadt der Wissenschaft 2005". (...)

Dazu bewerben wir uns hoffentlich erfolgreich um die Aufnahme in die UNESCO-Liste als Weltkulturerbe.

Die demografische Entwicklung
(...) Der "Demografische Wandel" ist ein wichtiges Thema für die zukünftige Entwicklung Heidelbergs. (...) Es ist mir sehr wichtig, dass wir uns in Heidelberg mit den lokalen Auswirkungen des demografischen Wandels auseinandersetzen. Es geht um die Auswirkungen auf die Infrastruktur, den Arbeitsmarkt und die bebaute Stadt. In einer Universitätsstadt wie Heidelberg werden Migration und Alterung in den einzelnen Stadtteilen ein unterschiedliches Gewicht haben. Wie wirken sich die Veränderungen auf Kindergärten, Schulen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, auf den Gesundheits- und Pflegesektor oder auf den Wohnungsmarkt aus? Welche Art von Wohnungen brauchen wir künftig? Welche Leistungen können noch finanziert werden und wo ist der Rückzug aus der staatlichen Förderung notwendig und angebracht? Wie ist "Overprotecting" vermeidbar? Wie kann das bürgerschaftliche Engagement einer multi-ethnischen Gesellschaft schöpferisch (besser) genutzt werden?

(...) Der Haushalt 2004 wurde noch vor Weihnachten mit großer Mehrheit verabschiedet. Für die herausragende Bereitschaft zur Kooperation und zum Kompromiss möchte ich mich bei dieser Mehrheit des Gemeinderates nochmals ausdrücklich und herzlich bedanken.

(...) Ich appelliere auch heute erneut an alle Mitglieder des Gemeinderates und an die Kirchheimer/innen, die Straßenbahn nach Kirchheim nach Kräften zu fördern und die Baumaßnahmen zu ertragen. Die Kundenfreundlichkeit einer Straßenbahn vermissen derzeit alle diejenigen schmerzlich, die wegen der Umbaumaßnahmen in Rohrbach und in der Weststadt plötzlich auf Busse angewiesen sind. (...)

Sparkassen
Die Vorgänge um die "Sparkasse Stralsund" (...) geben mir Anlass, einige grundsätzliche Anmerkungen zu machen: Sparkassen sind kommunale Einrichtungen und als Anstalten des öffentlichen Rechts nicht veräußerbar. In Baden-Württemberg ist die Veräußerung einer Sparkasse (...) gesetzlich nicht zulässig.

(...) Ich lege sehr großen Wert darauf zum Ausdruck zu bringen, dass die Sparkassen - aber auch die Genossenschaftsbanken in der Region - ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit ihren Kundenbeziehungen zur regionalen Wirtschaft sind und unverzichtbarer Bestandteil unseres Finanzierungssystems. Dort, wo die Großbanken den Mittelstand schon längst aufgegeben haben, sind die Verbundgruppen eingetreten. (...) Die Stadt Heidelberg leistet ihren Beitrag zur Stärkung der regionalen Strukturen dadurch, dass wir die Geschäftsbeziehungen zu den örtlichen Genossenschaftsbanken und Sparkassen seit Beginn dieses Jahres verstärken.

Kommunalwahl
(...) Am 13. Juni dieses Jahres wird in Heidelberg ein neuer Gemeinderat gewählt. (...) Wir müssen allen potenziellen Wählerinnen und Wählern, insbesondere den Erst- und Jungwähler/innen deutlich machen, dass nur diejenigen die Zukunft unserer Stadt aktiv mitgestalten, die auch wählen gehen. (...)

Am gleichen Tag findet auch die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Die Europäische Union steht vor großen Herausforderungen: Im Mai erweitert sie sich um zehn Mitglieder. Zudem wird bereits mit Bulgarien und Rumänien über eine Aufnahme verhandelt; andere Staaten haben Beitrittsgesuche gestellt, zum Beispiel die Türkei. Gerade ihren Beitritt sollten wir nicht nur nach fairen Kriterien prüfen und nicht angstvoll zurückweisen. Wie auch der Bundeskanzler sollten wir davon ausgehen, dass die große Mehrheit des türkischen Volkes und seine Regierung eine Gesellschaftsordnung anstreben, die eine Synthese aus islamischer Religion und westlichen Wertvorstellungen bilden kann. Gerade wegen der krisenhaften Lage im Nahen Osten muss diese Entwicklung durch uns gestärkt werden - auch zu unserer Sicherheit. (...)

Erziehung durch Sport
Die Europäische Union hat das Jahr 2004 (...) zum Europäischen Jahr der Erziehung durch Sport ausgerufen. (...) Es geht um die Sensibilisierung der Bildungs- und Sporteinrichtungen für die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, um angesichts des großen Interesses der Jugendlichen für alle möglichen Sportarten die erzieherische Funktion des Sports auszubauen, Kenntnisse und Kompetenzen zu vermitteln, die es jungen Menschen ermöglichen, im Sport geltende Werte im persönlichen Einsatz und in einem multikulturellen Umfeld zu entwickeln und umzusetzen. (...) In enger Zusammenarbeit werden der Sportkreis Heidelberg, der Stadtjugendring, das OB-Referat/Städtepartnerschaften und das Sport- und Bäderamt der Stadt in diesem Jahr einige interessante Veranstaltungen durchführen.

Diese europäische Initiative war auch für mich der Anlass, Bürgerinnen und Bürger zum Neujahrsempfang einzuladen, die mit Sport zu tun haben. (...) Ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen, stellvertretend insbesondere den Vorsitzenden des Sportkreises Heidelberg, Herrn Gerhard Schäfer.

(...) Wie in jedem Jahr habe ich wieder eine/n Gastredner/in eingeladen. Heute darf ich (...) eine aktive Sportlerin begrüßen: Frau Petra Dallmann. (...) Sie ist nicht nur eine aktive sondern auch eine sehr erfolgreiche Schwimmerin. Frau Dallmann lebt seit Oktober 2000 in Heidelberg... 2001 wurde sie in Fukuoka/Japan Weltmeisterin mit der 4-x-100-Meter-Freistilstaffel, bei der Europameisterschaft 2002 in Berlin wurde sie mit der 4-x-100-Meter- und der 4-x-200-Meter-Freistilstaffel Europameisterin und 2003 belegte sie in Barcelona bei der WM mit der 4-x-100-Meter-Freistilstaffel den 2. Platz. Im übrigen erschwamm sie sich sechs Medaillen auf Kurzbahn-Europameisterschaften in den Jahren 2000 bis 2003. Respekt und herzlichen Dank für Ihre Bereitschaft, heute zu uns zu sprechen!

Alles erdenklich Gute für 2004!"
   
  (Die ungekürzte Rede finden Sie hier als Word-rtf-Format (151 KB) zum downloaden.)

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Oberbürgermeisterin Beate Weber und Gastrednerin Petra Dallmann, die erfolgreiche Schwimmerin vom SV Nikar Heidelberg (Foto: Rothe)
"Warum machst Du das?"
Gastrednerin Petra Dallmann sprach über Sport und Studium

Überraschungsgast beim Neujahrsempfang war die Schwimmerin Petra Dallmann. Seit Oktober 2000 lebt sie in Heidelberg und studiert hier Medizin. In ihrer Rede beschrieb sie die ständige Hatz zwischen Schwimmbecken und Hörsaal:

Es gibt zwei Fragen, die mir bei fast jedem Gespräch mit Nicht-Leistungssportlern gestellt werden und diese will ich heute beantworten: Wie viel trainierst Du und wie geht das mit Deinem Medizinstudium zusammen?

"6.55 Uhr aufstehen, mittlerweile kann ich mich in 15 Minuten anziehen und eine Schüssel Müsli essen, um pünktlich um 7.10 Uhr das Haus zu verlassen. Zwanzig Minuten später springe ich schon ins Wasser. Bis kurz vor neun Uhr wird trainiert, was mir erlaubt, um neun in der Uni zu sein. (...) An guten Tagen habe ich bis 15 Uhr Uni und schaffe es problemlos um 15.30 Uhr im Training zu sein. Geht der Kurs länger, werde ich ab 15.20 Uhr nervös und fange an Strategien zu überlegen, um noch einigermaßen rechtzeitig im Olympiastützpunkt zu erscheinen.

(...) Um 15.30 beginnt das Krafttraining, anschließend verbringen meine Trainingsgruppe und ich die nächsten zwei Stunden im Wasser. Um 19 Uhr geht es dann endlich nach Hause. Ab 22 Uhr ist der Kampf gegen die Müdigkeit in vollem Gange.

(...) Wenn Sie hier noch nebenbei studieren wollen, brauchen Sie die Mithilfe der Uni. Am 24. Juli 2001 wurde ein Kooperationsvertrag zwischen dem Olympiastützpunkt Rhein-Neckar und der Universität Heidelberg unterschrieben. Dieser Vertrag ermöglicht Sportlern, die ein bestimmtes sportliches Niveau erreicht haben, die Hilfe der Uni in Anspruch zu nehmen, wenn sie (...) Probleme mit der Anwesenheit oder Klausuren haben. Diese Unterstützung ist unbezahlbar und fast einmalig in Deutschland (...)

Habe ich die zwei Fragen beantwortet, folgt nicht selten die nächste: Warum machst Du das? Nach einem kurzen Blick auf Fußballer oder Tennisspieler wird klar, dass es Geld nicht sein kann. (...) Aber es gibt andere Belohnungen, die die Anstrengungen rechtfertigen: (...) Mir macht Schwimmen nach wie vor Spaß. Ein weiterer sehr schöner Grund sind die vielen Reisen. Trainingslager oder Wettkampf sind zwar kein Urlaub, aber wie kommt man sonst so einfach nach Südkorea, China, Südafrika oder La Réunion? (...) Auch die Anerkennung in der Öffentlichkeit ist wohltuend. (...)

Und man lernt fürs Leben. (...) Selten bekommt man als junger Mensch die Möglichkeit, so viele Leute zu treffen, und ich meine nicht nur Sportler. Zweitens lernt man mit Druck umzugehen. Der Druck vor einem wichtigen Wettkampf ist enorm (...), aber damit klar zu kommen, ist eine wertvolle Erfahrung. Drittens: die Presse. Auch hier habe ich schon meine Lektion gelernt und weiß, wie vorsichtig man sein muss mit seinen Aussagen. Viertens: das Mannschaftsgefühl. (...) Meine wichtigsten Erfolge habe ich mit der Staffel gefeiert und da ist die Freude nach einem Sieg die vierfache...

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen kleinen Einblick in die Welt des Sports geben... Wenn Sie Mitte Juni die Deutschen Meisterschaften, die einzige Qualifikation für die Olympischen Spiele in Athen 2004, im Fernsehen sehen, drücken Sie den Schwimmern aus Heidelberg die Daumen. (...)"

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Stand: 13. Januar 2004