Kultur

Ausgabe Nr. 2 · 12. Januar 2000

"Rausmalen und funkeln lassen"

Kraichgauer Kunstwerkstatt stellt in der Stadtbücherei Heidelberg aus


Der Titel der Ausstellung verrät, mit welcher Begeisterung und Liebe zum Detail die Künstlerinnen und Künstler ans Werk gehen. Die farbenprächtigen und eindrucksvollen Arbeiten aus der Kraichgauer Kunstwerkstatt für Behinderte in Sinsheim sind noch bis zum 29. Januar im oberen Foyer der Stadtbücherei Heidelberg zu sehen und zu erwerben.

Die Gemälde, Grafiken und Plastiken verblüffen nicht nur mit ihrem Farben- und Formenreichtum. Erfrischend wirkt die unkonventionelle Umsetzung von Beobachtungen und Erlebnissen. Unter den Skulpturen von Michael Hall zeigt beispielsweise die "Bodenseepizza" den Bodensee in übertragener Weise als Pizza mit der Insel Mainau, inmitten von Badenden und Uferpflanzen. Von sprühender Fantasie zeugen auch andere Skulpturen, die er "Tag und Nacht-Rundling" oder "Geschichtenumhangskauz" nennt. Ein quicklebendiges Szenario aus Musikern, Tieren, Häusern und Pflanzen bedeckt den Umhang des "Geschichtenerzählers". "Die Exponate faszinieren durch ihren ausgeprägten Sinn für Farbe und große Liebe zum Detail", rühmte Kulturbürgermeister Dr. Jürgen Beß bei der Ausstellungseröffnung.

In der Kraichgauer Werkstatt für Behinderte entwickelte sich 1986, im Rahmen allgemein kreativer Beschäftigung, ein künstlerischer Arbeitskreis. Der Leiter der daraus hervorgegangenen Kunstwerkstatt Wolfgang Hübner erkannte früh die künstlerische Begabung einzelner geistig behinderter Erwachsener und begann sie zu fördern. "Die enorme menschliche und pädagogische Leistung Wolfgang Hübners verdient große Anerkennung", so Rose Ullmer, Initiatorin der Ausstellung und stellvertretende Büchereidirektorin.

"Jedes Mitglied der Kunstwerkstatt arbeitet vollkommen aus sich selbst heraus, ohne Vorbilder oder Verbindung zur Kunstszene", darauf legt Wolfgang Hübner großen Wert. Die sechs Männer und drei Frauen malen auf Leinwand und Papier (zum Teil selbst geschöpft) mit Farbstift, Tempera, Gouache, Kreide oder Farbtusche. Sie kleben Collagen, formen Plastiken aus Pappmaché und arbeiten mit Druckverfahren, wie der Farbradierung mit bis zu vier Druckplatten. "Von der Gruppe geht eine enorme kreative Eigendynamik aus, so dass es an Stoff und Gestaltungsvorstellungen nie mangelt", schwärmt ihr künstlerischer Betreuer.

Mit einer Ausstellung im Heidelberger Kunstverein im Jahr 1991 fand die Kunstwerkstatt Kraichgau erstmals öffentliche Anerkennung. Seitdem waren die Arbeiten in München, Bern, Berlin, Weimar, dem Museum Haus Cajeth in Heidelberg und zahlreichen anderen Städten zu sehen. Mit dem Verkauf ihrer Arbeiten leisten die Künstlerinnen und Künstler der Kunstwerkstatt selbst einen Beitrag zu den anfallenden Material- und Ausstellungskosten. (doh)
 

Öffnungszeiten

  Die Ausstellung ist bis zum 29. Januar 2000 dienstags bis freitags von 10 bis 20 Uhr und samstags von 10 bis 16 Uhr geöffnet.

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Stand: 11. Januar 2000