Stadtentwicklung

„Ein Forschungslabor zur Stadtentwicklung“

Interview mit Professor Braum, der ab 1. März Direktor der Internationalen Bauausstellung (IBA) sein wird

Der renommierte Städtebauer Professor Michael Braum wird die Geschäftsführung der Heidelberger IBA GmbH ab 1. März übernehmen. Die Internationale Bauausstellung (IBA) „WissenschafftStadt“ möchte aufzeigen, welche Entwicklungspotenziale die europäische Stadt in der modernen Wissensgesellschaft hat. Was Heidelberg von der IBA erwarten kann, dazu nimmt Professor Braum hier Stellung.

Professor Michael Braum
Professor Michael Braum (Foto: Dorn)

Wie würden Sie die IBA einem Laien erklären? Welche Ziele verfolgt sie?

Professor Michael Braum: Eine IBA kann man sich gut als ein Forschungslabor für Fragen zur Stadtentwicklung vorstellen. Hier können auf hohem Niveau Antworten auf drängende Fragen der Stadtentwicklung und des Städtebaus im 21. Jahrhundert ge-funden werden. In einem Ausnahmezustand auf Zeit stellt sich Heidelberg mit der IBA WissenschafftStadt der Aufgabe, die stadtentwicklungspolitischen Potenziale von Bildungsbauten zu nutzen – von den Kindergärten bis zum High-end Cluster der Universität. Es geht darum, die Idee der Stadt für das 21. Jahrhundert zu stärken, Wissen und Bildung als das Kapital der Zukunft zu begreifen. Wir werden Synergien zwischen Wissenschaft und Stadtgesellschaft suchen. Ziel ist es, dass Menschen in zehn Jahren nicht nur an die Universität und das Schloss denken, wenn sie Heidelberg vor Augen haben. Sie sollten dann vielmehr die Bildungsarchitekturen in ihrer ganzen Vielfalt als Initial der städtebaulichen Entwicklung Heidelbergs erkennen können.

Die IBA WissenschafftStadt soll gemeinsam mit den Bürgern entwickelt werden. Wie wollen Sie die Heidelberger für die IBA gewinnen?

Braum: Es ist entscheidend, dass es uns gelingt, die Heidelberger für die IBA zu begeistern. In den ersten beiden Jahren bis 2014 wollen wir daher insbesondere das Bewusstsein für die IBA in der Stadt schaffen. Dazu werden wir beispielsweise zu öffentlichen Workshops und Foren in Schulen und in der Universität einladen. Die IBA muss zum Stadtgespräch werden, um eine durchaus emotionale Debatte über die Bedürfnisse in der Öffentlichkeit auszulösen. Die Menschen sollen sich bewusst werden, dass die IBA eine einzigartige Chance für die Stadt ist.

Wie geht es danach weiter? Wann wird die IBA konkret?

Braum: Ab 2015 werden wir Wettbewerbe ausloben und beispielsweise so unterschiedliche Orte wie Bahnstadt, Altstadt, Neuenheimer Feld und Bergheim vernetzen. Schön wäre es, wenn „Bildungspfade“ die unterschiedlichen Orte miteinander verbinden würden. Ich stelle mir beispielsweise einen „Wissensboulevard“ vom Neuenheimer Feld über

Bergheim und die Bahnstadt bis hin zum Mark Twain Village vor, der an allen Ecken und Enden „spürbar“ ist. Die Umsetzungsphase folgt schwerpunktmäßig ab 2018. Im Jahre 2022 wird die IBA mit einer Ausstellung enden, wie Wissen Form und Raum erhalten kann. Die Debatte soll im Anschluss natürlich von den Akteuren und der Öffentlichkeit fortgesetzt werden.

Was unterscheidet Heidelberg von anderen europäischen Wissenschaftsstädten?

Braum: Städtebau und Landschaft sind in Heidelberg einzigartig. Genau hier setzt der IBA-Gedanke an. Es geht um die Frage, wie Bildungs- und Wissensarchitekturen verantwortlich und städtebaulich anspruchsvoll umgesetzt werden können, um sie als Nukleus für die Stadtentwicklung zu nutzen. Wir können dabei in Heidelberg bereits auf einem hohen Niveau mit der Entwicklung von Lösungen beginnen. Dabei werden wir zwei Ressourcen miteinander verbinden: die Ressource der europäischen Stadtbautradition mit der Ressource der Bildung. Das Ergebnis soll im alltäglichen Leben sichtbar werden und Mut machen für ähnliche Projekte weltweit.

Die IBA wird sich auch auf die Stadtteile auswirken. Wie wird die IBA hier spürbar sein?

Braum: Es ist zu früh, um darauf schon jetzt Antworten zu geben. In jedem Fall versuchen wir, mit der IBA „Gräben“ zwischen Stadtteilen zuzuschütten. Es gibt Stadtquartiere, die momentan bestimmten Gruppen vorbehalten scheinen, wie beispielsweise das Neuenheimer Feld. Wer geht hier außer den Wissenschaftlern und Studierenden hin? Ziel der IBA muss es sein, dass Bürger wie selbstverständlich alle Räume der Stadt nutzen ohne sich gegenseitig zu stören. So könnte man das Neuenheimer Feld weiter aufwerten, indem man sich der Gestaltung der öffentlichen Räume annimmt, indem man sie einem durchgängigen gestalterischen Duktus unterwirft, der die Idee des Campus stärkt.

Zur Person

Professor Michael Braum leitet bis Ende Februar die Bundesstiftung Baukultur und ist Mitglied der beiden Expertenbeiräte „Bau“ und „IBA“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Braum hat viele Jahre als Architekt und Stadtplaner gearbeitet, erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Arbeit und war lange Zeit Vorsitzender der Jury des deutschen Städtebaupreises. Zudem lehrt er als Professor an der Leibniz Universität Hannover und pflegt zahlreiche internationale Kooperationen.

Für die Stadt Heidelberg war Braum bereits für mehrere Projekte tätig, beispielsweise, arbeitete er am Modell Räumliche Ordnung von 1999 und leitete seit 2008 den wissenschaftlichen Beirat der IBA.

WissenSchafftStadt

Heidelberg wird bis 2022 mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) „WissenschafftStadt“ an vielfältigen Orten des Wissens Gestaltungsspielräume und modellhafte Lösungen für die Stadt der Zukunft aufzeigen. Der Gemeinderat hat im Dezember 2011 mit großer Mehrheit dem Konzept für die IBA Heidelberg zugestimmt.

Die Internationale Bauausstellung ist ein Format der Baukultur und Stadtentwicklung mit einer über 100-jährigen Tradition, das sich auf bestimmte Zukunftsfragen gesellschaftlicher Entwicklung konzentriert. Das Besondere einer IBA ist, die Gestaltung der räumlichen Umwelt eng mit gesellschaftlichen Prozessen und Zukunftsfragen zu verknüpfen. Jede Internationale Bauausstellung hat dabei ein besonderes Thema. So stellt die IBA Heidelberg die stadtgesellschaftlichen und stadträumlichen Herausforderungen der Wissensgesellschaft in den Mittelpunkt.

Die erste IBA fand 1901 in Darmstadt statt. In Abgrenzung zum Industriezeitalter entstand in einem umfassenden Konzept auf der Mathildenhöhe eine Künstlerkolonie – ganz im Jugendstil. Aktuell entwickelt Hamburg eine IBA zum Thema Metropolentwicklung sowie Basel eine IBA zum Thema trinationale Stadt.

Weitere Informationen zur Internationalen Bauausstellung in Heidelberg gibt es im Internet unter www.heidelberg.de/iba.