Thema der Woche

Ausgabe Nr. 52 · 27. Dezember 2002



Die Oberbürgermeisterin mit Colonel Rush bei der gemeinsamen Sitzung der Bezirksbeiräte Pfaffengrund und Kirchheim : "Mit dem Schreiben von Colonel Rush vom November sind die Pläne für eine unverhältnismäßig große Erweiterung von Patrick Henry Village vom Tisch, dank der einheitlichen Ablehnung von Bürgerschaft, Gemeinderat, Stadtverwaltung und der Oberbürgermeisterin." (Foto: Rothe)






Beate Weber zu Burellitunnel am Hauptbahnhof und 5. Neckarquerung: "Die endgültige Entscheidung ... fällt im Frühjahr, wenn uns die Gutachten und Untersuchungen vorliegen, die uns erlauben sachgerecht zu entscheiden." (Foto: Rothe)

"Schwerpunkt bei Kindern und Jugendlichen"

STADTBLATT-Gespräch mit Oberbürgermeisterin Beate Weber zum Jahreswechsel


Schon traditionell ist das STADTBLATT-Gespräch mit Oberbürgermeisterin Beate Weber zum Jahreswechsel. Ein Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr und der Ausblick auf 2003 stehen im Mittelpunkt ihrer Ausführungen.

STADTBLATT: Der Haushalt 2003 wurde gerade verabschiedet. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Beate Weber: Der Gemeinderat hat den Haushalt 2003 wieder mit einer sehr großen Mehrheit verabschiedet, das ist natürlich sehr positiv, besonders wenn man bedenkt, dass wegen der allgemein schlechten Finanzsituation und der dadurch notwendigen Einschnitte eine Einigung viel schwieriger zu erreichen ist als in guten Zeiten. Hilfreich war sicher, dass wir bei der Zuteilung der Mittel für die Finanzplanung für den Burelli-Tunnel im Bahnhofsbereich und die 5. Neckarquerung eine Lösung gefunden haben, mit der alle leben können: Die endgültige Entscheidung über die Verteilung fällt im Frühjahr, wenn uns die Gutachten und Untersuchungen vorliegen, die uns erlauben sachgerecht zu entscheiden, welches der beiden großen Verkehrsprojekte wir als erstes umsetzen.

Ich bin mit dem Haushalt 2003 durchaus zufrieden, weil er der Verwaltung die Freiheit lässt, wirtschaftliche und finanzielle, soziale und kulturelle sowie ökologische, und damit nachhaltige Politik umzusetzen. Wir können Investitionen tätigen und damit die Wirtschaft in der Stadt ankurbeln und Arbeitsplätze erhalten. Dafür mussten wir "kein Tafelsilber verkaufen" wie andere Städte, ein Weg, den ich im übrigen prinzipiell ablehne. Wir haben sogar ein richtiges gekauft fürs Museum. Lieber versuchen wir intern in der Verwaltung zu sparen, um langfristig handlungsfähig zu bleiben.

STADTBLATT: Die Stadt muss vor allem wegen Steuerausfällen fast 12 Mio. Euro einsparen. Bleibt da 2003 noch Geld für soziale Verpflichtungen und für die Förderung kultureller Projekte?

Weber: Ich habe bei der Einbringung des Haushalts im November deutlich gesagt, dass wir trotz einer schwierigen finanziellen Lage einen Schwerpunkt bei Kindern und Jugendlichen setzen. Konkret bedeutet dies, dass wir weiterhin große Summen in Kindergärten, Schulen und Freizeiteinrichtungen investieren und auch für die Sozialarbeit mit Kindern und Jugendlichen viel Geld ausgeben. Und wir wollen dies weiter ausbauen, allerdings unter Vorbehalt. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass das Land umfassend für die Bildung und Erziehung der Schulkinder zuständig ist, und damit auch für die Schulsozialarbeit, die Betreuung im Rahmen der Verlässlichen Grundschule und der Ganztagsschule.

Im Gegenzug könnten die Kommunen die Betreuung und Erziehung der Kinder bis sechs Jahre übernehmen. Auch da haben wir schon einiges geleistet: In Heidelberg liegt beispielsweise der Anteil der betreuten Kinder zwischen 0 und 3 Jahre bei über 12,5 Prozent, landesweit sind es weniger als 2 Prozent. Unseren Anteil wollen wir kontinuierlich ausbauen, weil dies die Voraussetzung dafür ist, dass Frauen, Alleinerziehende und, bei Familien mit geringem Einkommen, beide arbeiten können. Das sind für mich Standards eines funktionierenden Gemeinwesens, da sollte man nicht sparen.

Auch im kulturellen Bereich müssen wir für die Institutionen und Personen, die hier in Heidelberg lebendige kulturelle Vielfalt ermöglichen, ein verlässlicher Partner sein. Das heißt, wir können in Zeiten knapper Kassen nicht rigoros unsere Förderung zusammen streichen, wie das andere zum Teil schon getan haben, und damit manche Einrichtung in ihrer Existenz bedrohen. Wir haben wieder einen der höchsten Kulturetats pro Kopf in Deutschland und ich möchte gerne, dass das so bleibt. Was allerdings alle einsehen müssen, ist die Tatsache, dass zusätzliche Mittel zurzeit nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen.

STADTBLATT: Die Erweiterungspläne der US-Army haben für sehr viel Aufregung gesorgt. Ist jetzt die Gefahr einer "großen Lösung" gebannt?

Weber: Bei meinen Gesprächen mit Colonel Rush hatte ich schon früh den Eindruck gewonnen, dass die US-Army die Sorgen der Landwirte ernst nimmt. Mit dem Schreiben von Colonel Rush vom November sind die Pläne für eine unverhältnismäßig große Erweiterung vom Tisch, dank der einheitlichen Ablehnung von Bürgerschaft, Gemeinderat, Stadtverwaltung und der Oberbürgermeisterin. Ich gehe jetzt davon aus, dass die Army nun nur noch die 19,8 Hektar westlich von Patrick Henry Village für eine Erweiterung einbeziehen möchte. Außerdem unterstützen wir die Pläne für eine Verlegung des PX vom Czernyring ins Gewann Gäulschlag. Wir versuchen eine sinnvollere, dichtere Bebauung zu erreichen, damit die Fläche besser genutzt wird. Generell werden wir auch in Zukunft auf partnerschaftlicher Ebene unsere Position gegenüber den Amerikanern vertreten, wenn wir der Ansicht sind, dass deren Planungen und Erweiterungen im Gegensatz zu unseren städtebaulichen Leitlinien stehen. Da wir ein offenes Verhältnis zueinander pflegen, ist das für beide Seiten kein Problem.

STADTBLATT: Auch gegen die Straßenbahn nach Kirchheim regt sich Widerstand. Wie sehen Sie die Chancen, dass sie künftig fahren wird?

Weber: Es gibt Widerstand in Kirchheim, vor allem von Geschäftsleuten, die Umsatzeinbußen während der Bauzeit erwarten. Umbau und Modernisierung der Brückenstraße haben aber gezeigt, dass ein funktionierendes Baumanagement negative Auswirkungen verringern und sogar vermeiden kann. Außerdem wird der Unterstützungsfonds auch hier eingesetzt, um starke Umsatzverluste auszugleichen.

Ansonsten kann ich nur weiter für die Straßenbahn nach Kirchheim werben: Ich bin überzeugt, dass diese Straßenbahnlinie dem Stadtteil immense Vorteile bringen wird. Kirchheim wird bald der bevölkerungsreichste Heidelberger Stadtteil sein und nur eine angemessene Nahverkehrsanbindung - dazu zählt auch die S-Bahn-Station - kann die Menschen bequem ins Zentrum und andere Stadtteile bringen. Wenn die HSB die Anregungen aus der Offenlage der Pläne geprüft hat, sollten eigentlich keine unüberbrückbaren Hindernisse dem Bau entgegen stehen. Ich gehe davon aus, dass der Gemeinderat in einer Sondersitzung am 23. Januar 2003 eine positive Stellungnahme zu den Plänen beschließt.

STADTBLATT: Heidelberg lebt vom Tourismus. Was kann die Stadt tun, um diesen auch in Zukunft auf hohem Niveau zu sichern?

Weber: Wir sind auf mehreren Ebenen aktiv, um den Tourismus, einem Teil unserer Wirtschaft, zu dem ja auch Geschäftsreisen zählen, langfristig auszubauen. Vor kurzem hat der Gemeinderat beschlossen, die Bereiche Wirtschaftsförderung und Tourismus zur Heidelberger Kongress und Tourismus GmbH zusammen zu fassen. Davon versprechen wir uns in Zukunft eine noch effektivere Werbung für unsere Stadt. Zum anderen hat der Gemeinderat am 5. Dezember die Bewerbergruppe Biernacki/Bouygues als Investor für das Kongresszentrum am Bahnhof ausgewählt. Dort sollen auch ein Hotel und ein Multiplex-Kino entstehen. Mit diesem neuen Kongresszentrum erhält Heidelberg endlich die Kapazitäten für größere internationale Kongresse, die uns noch gefehlt haben. In der Vergangenheit musste der Verkehrsverein häufig Anfragen zurück weisen, weil die Stadthalle zu klein ist. Das neue Konferenzzentrum am Hauptbahnhof wird Heidelberg zu einer Kongressstadt ersten Ranges machen. Wo sonst in Deutschland kann man in einer so schönen Umgebung arbeiten?

STADTBLATT: Wenn dann noch die "Bahnstadt" nebenan entsteht, dann hat Heidelberg ja wohl endlich ein weiteres repräsentatives Zentrum?

Weber: Rund um den Bahnhof ist eine dynamische Entwicklung im Gange, die für die Stadt insgesamt sehr positiv sein wird. Dort werden, wenn wir alle geplanten Projekte auch umsetzen können, einige Heidelberger Probleme gelöst oder wenigstens gemildert. Der Burelli-Tunnel entschärft ein großes Verkehrsproblem, denn er nimmt einen großen Teil des starken Verkehrs auf der Nord-Süd-Achse aus dem Kreuzungsbereich am Hauptbahnhof. Das geht natürlich zu Gunsten der Verkehrsströme auf der Ost-West-Achse, lässt aber auch Raum für eine städtebaulich ansprechende Gestaltung des Platzes, der jetzt keine Visitenkarte der Stadt darstellt. Rings um den Platz gruppieren sich das neue Konferenzzentrum, das geplante Central Business Center und die Print Media Academy. Und auf der anderen Seite der Gleise entsteht die noch so genannte "Bahnstadt", die mit Wohnraum für rund 5.000 Menschen auch das dringliche Wohnungsproblem in Heidelberg entschärfen kann. Demnächst werden wir einen Namenswettbewerb für den neuen Stadtteil ausschreiben. Ich bin sehr gespannt darauf, wie er heißen wird.

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Stand: 20. Dezember 2002