Kinder und Kultur

Ausgabe Nr. 51 · 18. Dezember 2002



In der Heidelberger Inszenierung spielt Daniel Hajdu (links) die Rolle des Werner Heisenberg. Peter Bernhardt verkörpert den Atomphysiker Niels Bohr und Tanja von Oertzen dessen Frau Margrethe. (Foto: Bianconero)

Schuldlos schuldig?

Günther Beelitz inszeniert Michael Frayns "Kopenhagen" im Großen Haus


Das Thema beherrschte zu Beginn diesen Jahres die Schlagzeilen aller Zeitungen. Durch die Uraufführung von Michael Frayns Theaterstück "Kopenhagen", war die vieldiskutierte Frage nach den Ursachen des legendären Besuchs des Atomphysikers Werner Heisenberg bei seinem Freund und Kollegen Niels Bohr im vom nationalsozialistischen Deutschland besetzten Kopenhagen des Jahres 1941 erneut entflammt.

Das mysteriöse Zusammentreffen wirft viele Fragen auf: Warum reiste Heisenberg zu seinem ehemaligen Kollegen, Lehrer und Freund Niels Bohr? Wollte er sich von Bohr die Absolution für die militärische Nutzung der Kernspaltung geben lassen? 1941 jedoch ist Dänemark von Nazideutschland besetzt, Niels Bohr ist jüdischer Abstammung und Werner Heisenberg arbeitet für die deutsche Rüstungsindustrie.

Nicht um die Fortsetzung von Spekulationen geht es Günther Beelitz bei seiner Inszenierung. Der Intendant stellt die Frage: "Gibt es eine moralische Verpflichtung oder müssen Wissenschaftler alles denken und forschen dürfen?" Genau diesen Gedanken verfolgt der britische Dramatiker Michael Frayn mit seinem ungewöhnlichen Stück. Er versucht nicht, alle Fragen zu beantworten, sondern umkreist sie und stellt mehrere Antworten nebeneinander.

Er lässt die Figuren nach ihrem Tod aufeinandertreffen und ihre Gespräche erinnern und fortsetzen. Sehr unterschiedliche Biografien und ebenso unterschiedliche Denkweisen prallen hier aufeinander. Die Atmosphäre wird belastet von der damaligen politischen Situation. Auf verschiedenen Ebenen untersucht Frayn die zerbrochene Freundschaft der beiden Physiker, stellt die Frage nach der ethisch-moralischen Verantwortung der Wissenschaft und zeigt auf, wie sich die Wissenschaftler in Vorgänge verstricken, die sie schuldlos schuldig werden lassen.

Das Stück hat auch nach der spektakulären Veröffentlichung der Bohr-Dokumente aus dem Privatbesitz des Atomphysikers im Februar 2002 nichts an Aktualität verloren. Das Mysterium bleibt. Weder die Geschichte selbst, noch Frayns Drama muss daher um einen neuen Akt ergänzt werden.

Premiere...
... ist am Freitag, 20. Dezember, um 20 Uhr am Theater der Stadt, Theaterstraße 4. Weitere Vorstellungen sind am Montag, 30. Dezember, und nach den Theaterferien (vom 2. bis einschließlich 15. Januar) wieder am Freitag, 17., Dienstag, 21. und Mittwoch, 29. Januar, jeweils um 20 Uhr. Karten gibt es unter Telefon 58-2000.

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(Foto: Eggert)

"Das Urteil", ...

... die packende Kriminalgeschichte von Paul Hengge steht zur Zeit auf dem Spielplan des Zimmertheaters. In der Inszenierung von Ute Richter, der Chefin des Hauses, spielen Harald Heinz (vorne) und Werner Galas zwei Reisende, die sich zufällig auf dem New Yorker Flughafen kennen lernen. Der jüdische Antiquar S. Rabinovicz trifft in der VIP-Lounge auf einen Fremden, der ihn in ein Gespräch hineinzieht. Bald entspinnt sich ein Versteckspiel um ein ursprünglich belangloses Gesprächsthema, die Zeitungslektüre eines spektakulären Mordfalls in London, an dem, wie sich zunehmend herausstellt, beide Gesprächsteilnehmer in hohem Maße beteiligt sind. "Das Streitgespräch kreist bald um die Schwierigkeit bei der Suche nach Wahrheit, Lüge und Gerechtigkeit", so Ute Richter. Der Autor Paul Hengge hat sich bereits als Drehbuchautor von so bekannten Filmen wie "Hitlerjunge Salomon" einen Namen gemacht. Auch in "Das Urteil" ist der Kriminalplot mit Erlebnissen und Ereignisse aus dem schrecklichen Kapitel der deutsch-jüdischen Vergangenheit eng verbunden. - Außerdem lädt das Zimmertheater am Montag, 23. Dezember, um 20 Uhr im Rahmen der Berg-Ausstellung des Kunstvereins zu einem musikalisch-literarischen Abend ein. Unter dem Titel "Fülle des Wohllauts" präsentiert Harald Heinz ein Kapitel aus Thomas Manns "Zauberberg" mit den musikalischen Lieblingsstücken seines Helden Hans Castorp. Karten gibt es in der Hauptstraße 118 oder unter Telefon 21069.

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Stand: 17. Dezember 2002