Kultur

Ausgabe Nr. 49 · 8. Dezember 1999



Elisabeth Alexander im Gespräch mit Kulturamtsleiter Hans-Martin Mumm verblüffte und amüsierte zugleich. (Foto: Rothe)

"Linker Geist am rechten Fleck"

Elisabeth Alexander zu Gast bei "Erlebte Geschichte - erzählt" im Prinz Carl


Unerwartet klein wirkte die große Heidelberger Schriftstellerin, als sie mit Hans-Martin Mumm auf dem Podium Platz nahm. Doch ihr verwegen sitzender Hut ließ ahnen, dass man (und Frau) auf Überraschungen gefasst sein mussten. Stellvertretend für Michael Buselmeier führte der Kulturamtsleiter durch den Nachmittag.

Trocken und scheinbar naiv pointierend gewährte Elisabeth Alexander Einblick in ihre Lebensgeschichte. 1922 in Linz am Rhein geboren wuchs sie in einem streng katholischen Elternhaus mit zahlreichen Geschwistern auf. "Der Vater hat gearbeitet, die Mutter hat gekocht und die Kinder haben gespielt", erklärt sie knapp. Verlockende Lebensperspektiven gab es zunächst nicht für die Tochter mit zahlreichen Brüdern. Eine berufliche Ausbildung blieb ihr versagt. Ihre Schulzeit verbrachte sie in einem Franziskanerkloster unter der strengen Obhut von Nonnen. "Außer der Kirche und feierlichen Hochämtern gab es nichts". Den aufmerksamen Kinderaugen entging die starre hierarchische Ordnung des Klosterlebens nicht, in der sie schon damals Gerechtigkeit vermisste.

Voller Erfahrungshunger begann sie nach Beendigung der Klosterschule ihren eigenen Weg zu gehen und sich ihren Platz im Leben zu erobern. Zahllose ganz unterschiedliche Tätigkeiten übte sie aus, bis sie bei Kriegsende in Neckargemünd in der Schreibstube eines Lazaretts arbeitete. Genaue Beobachtungsgabe und der Sinn für Gerechtigkeit zeichnete sie damals schon aus. Ihre Haupttugend sei schon immer die "Neugier" gewesen.

Nach dem Krieg fand sie eine Stelle bei den "Amis" im Fernschreiberdienst. Der Alltag erforderte Organisationstalent, denn Lebensmittel und Kohlen waren knapp. Als Mutter von vier Kindern ließ sie sich 1963 von ihrem Mann scheiden. "Aus freien Stücken" wie sie betont und ohne wirtschaftliche Grundlage. "Wenn ich eh alles allein machen muss, dann brauche ich den Mann nicht" ihr knapper Kommentar dazu.

1966 begann sie Gedichte zu schreiben, die erst jetzt in ihrer 33. Veröffentlichung unter dem Titel "Am Fußende des Bettes" erschienen sind. Seit 1970 lebt sie als freie Schriftstellerin in Heidelberg. Sie verfasste Kritiken für das "Tageblatt" und die Frankfurter Rundschau. Romane, Erzählungen, Gedichte und Literatur für Kinder folgten. Sie engagierte sich im Schriftstellerverband und unternahm zahlreiche Lesereisen durch die Vereinigten Staaten. Mehrfach wurde ihr Werk ausgezeichnet.

Einerseits nüchtern, mit sezierendem Blick, andererseits schalkhaft und provozierend, entlarvt sie gesellschaftliche und politische Verhältnisse. Die Studentenbewegung der 68er nennt sie elitär und erklärt, dass diese nichts mit der Arbeiterbewegung zu tun habe. Sie selbst schreibe für die "einfachen Menschen". Sie hat ein Gespür für Unrecht und nennt es beim Namen: "Junge Arbeiter hatten nicht die Freiheit wie Studenten". Ihre scheinbar naive Darstellung und Zuspitzung ganz alltäglicher Beobachtungen rückt das Bild der Realität zurecht. Zeit ihres Lebens ist sie sich selber treu geblieben und hat sich bis heute bewahrt, was sie in den 70-er Jahren nannte: "Linker Geist am rechten Fleck". (doh)

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Stand: 7. Dezember 1999