Thema der Woche

Ausgabe Nr. 45 · 7. November 2001

 

Mehr Lebensraum für Tiere und Pflanzen

"Biotopvernetzung": Seit 10 Jahren werden in Heidelberg landwirtschaftliche Flächen naturnah umgestaltet und miteinander verbunden


Die in der Rheinebene liegenden Flächen der Stadt Heidelberg werden schon seit langer Zeit überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Die gute Bodenqualität und das günstige Klima bringen hohe Erträge.

Bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts intensivierte sich die Landbewirtschaftung. Der Einsatz von Bioziden und Dünger sowie der Verlust von Feldgehölzen, Obstbäumen und anderen ökologisch wertvollen Biotopen führten zu einem heute noch feststellbaren Artenschwund an Tieren und Pflanzen (beispielsweise das Rebhuhn und die Kornblume). Die noch verbliebenen Arten wurden in immer kleinere Randgebiete abgedrängt. Die Rückzugsgebiete sind oft so weit voneinander entfernt, dass der Austausch zwischen Populationen und Wanderungen schwierig oder gar unmöglich sind.

"Mit Hilfe der Biotopvernetzung, das heißt, der Verbindung zwischen einzelnen, weitgehend naturnahen Lebensräumen, können diese sogenannten Inselbiotope wieder miteinander verknüpft werden und ein Austausch zwischen bislang isolierten Populationen wieder stattfinden", erklärt Rüdiger Becker vom städtischen Umweltamt. Nicht mehr bewirtschaftete Streifen an Ackerrändern bilden Quartiere und Ausbreitungswege für Tiere und Pflanzen, die auf geernteten Feldern keine Lebensgrundlage mehr finden. Sträucher und Hecken dienen als Rückzugsgebiete und Nistmöglichkeit. Düngerfreie Wiesen, die nur zwei Mal im Jahr gemäht werden dürfen, locken Käfer und andere Kleinlebewesen an und werden Überlebensraum selten gewordener Kräuter und Gräser. Um ein Überwechseln zu ermöglichen, dürfen die Biotope allenfalls 300 Meter Luftlinie auseinander liegen.

Neben dieser hohen ökologischen Bedeutung für Flora und Fauna hat die Biotopvernetzung auch eine landschaftsästhetische Funktion. Die vielerorts monotone Landschaft wird durch neu gepflanzte Obstbäume, Sträucher und Hecken aufgelockert.

Förderung
Die Stadt Heidelberg schließt mit den Landwirten, die sich zu Pflegemaßnahmen und Nutzungsbeschränkungen zum Zwecke des Biotopverbundes verpflichten, Pflegeverträge ab. Darin gewährt die Stadt Heidelberg als Gegenleistung für Nutzungseinschränkung und Ertragsminderung sowie für Pflegearbeiten einen finanziellen Ausgleich.

Im Jahr 2001 sind 24 Landwirte aus Wieblingen, Grenzhof, Pleikartsförster Hof, Kirchheimer Hof, Neurott und Kurpfalzhof beteiligt. Die Gesamtfläche beträgt rund 37 Hektar und circa 2.700 Meter Gehölzpflanzungen in Reihe (überwiegend Obstbäume). Die 37 Hektar gliedern sich in extensive Ackernutzung auf Ackerrandstreifen: 1,07 Hektar, Gras-/Krautfläche: 34 Hektar, Gehölze: 1,8 Hektar Fläche.

Dass die Biotopvernetzung einen Effekt für den Naturschutz hat, konnte durch drei Studienabschlussarbeiten eindeutig bestätigt werden, die 1999 und 2000 an der Universität Heidelberg erstellt wurden. Die Ergebnisse belegen die Wirkung der Flächen als Ruhezonen, Nist- und Brutgebiete.

Ausblick
In den nächsten Jahren wird der Anteil der Biotopvernetzungsflächen sicher weiter zunehmen, da im südlichen Heidelberg zur Zeit drei Flurbereinigungsverfahren laufen, die in etwa zwei Jahren verwirklicht werden. Im Rahmen dieser Verfahren werden Flächen für Biotopvernetzungsmaßnahmen auf der Grundlage des städtischen Konzepts bereit gestellt.

Informationen
Amt für Umweltschutz, Energie und Gesundheitsförderung, Kornmarkt 1, 69117 Heidelberg, Rüdiger Becker Tel. 58-1817, Internet: www.heidelberg.de/umwelt
   

 

Biotopgestaltung

Grundsätzlich sind drei Varianten der Biotopgestaltung möglich:

  • Bei der extensiven Ackernutzung wird die gleiche Feldfrucht wie auf der übrigen Ackerfläche angebaut, es entfällt jedoch jeglicher Spritzmittel- und Düngemitteleinsatz. Ziel ist die Förderung der typischen Ackerbegleitflora, die auf regelmäßige Bodenbearbeitung angewiesen ist, wie etwa der Klatschmohn.

  • Bei der Gras-/Kräuterfläche erfolgt eine Einsaat mit standorttypischen Gräsern und Kräutern, jedoch ist durch die relativ dünne Aussaat auch Spontanvegetation möglich. Die Flächen werden ein- bis zweimal im Jahr gemäht.

  • Es werden Büsche, Bäume oder Obstgehölze als Einzelbäume in Gruppen oder Reihen gepflanzt. Es handelt sich um heimische Sträucher und Bäume sowie um Obstbäume lokaler Sorten.
   
 

Sie brauchen vernetzte Biotope:

1. Neuntöter
Der einheimische Singvogel aus der Familie der Würger zeichnet sich durch einen kräftigen, leicht nach unten gebogenen Oberschnabel, dem Festhalten der Beute mit dem Fuß und deren Aufspießen auf Dornen aus. Der Neuntöter ist in Baden-Württemberg eine stark gefährdete Art. Zum Erhalt des Neuntöters in Heidelberg ist die Anlage weiterer Feldhecken unerlässlich.



2. Acker-Hellerkraut
Der Stengel ist einfach, kantig, oben stark ästig,10-40 Zentimeter lang. Blüht von April bis Juni. Auffallend sind die großen fast kreisrunden und ringsum breit geflügelten Schötchen.

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Partner in Sachen Naturschutz: (von links) Die Landwirte Werner Welk, Karlheinz Rehm und Ernst Wilhelm Kaiser vor einer der vielen Hecken, die in 10 Jahren Biotopvernetzung gepflanzt wurden, mit Rüdiger Becker, dem zuständigen Abteilungsleiter Naturschutz im städtischen Umweltamt. (Foto: Rothe)

Landwirte als Naturschützer

Biotopvernetzung gelingt nur in Zusammenarbeit


"Alarmstufe rot" hätten die Landwirte des Grenzhofs ausgegeben, als vor zehn Jahre Rüdiger Becker vom Umweltamt ihnen Pläne für eine Biotopvernetzung vorlegte, die ihre Anbauflächen mit einbezog.

So schildert heute Ernst Wilhelm Kaiser, Partner der ersten Stunde in Sachen Biotopvernetzung, die damalige stark reservierte Gemütslage bei den Bauern. Zehn Jahre später sind 5,5 Hektar der Flächen auf Grenzhofer Gemarkung vernetzte Biotope. Landwirt Kaiser hat allein drei Hektar mit eingebracht. Rund fünf bis sechs Hektar Fläche haben die Wieblinger Bauern für die Biotopvernetzung zur Verfügung gestellt, erzählt Werner Welk.

Und auch im Süden Heidelbergs haben Bauern Land für die Biotopvernetzung zur Verfügung gestellt. Landwirt und Stadtrat Karlheinz Rehm hat mit der extensiven Nutzung der Grünstreifen angefangen und die Streuobstbestände ausgebaut. "Etwa 70, 80 alte Obstsorten habe ich gepflanzt", sagt er. Drei Hektar stellte Rehm zur Verfügung. Doch sei die Bereitschaft, Flächen bereit zu stellen, bei den Kirchheimer Bauern nur "durchwachsen". Wegen des Siedlungsdrucks und neuer Straßen hätten die Landwirte im Süden Heidelbergs schon viele Anbauflächen abgeben müssen. (neu)

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Oberbürgermeisterin
Beate Weber

"Hat sich gelohnt"

"Bereits seit 10 Jahren läuft das Projekt der Biotopvernetzung in Heidelberg erfolgreich. Hierfür danke ich besonders den Landwirten, die wesentlich zur Verwirklichung der Ziele beigetragen haben. Obwohl - wie ich aus eigener Erfahrung weiß - am Anfang viele sehr skeptisch waren, haben wir es gemeinsam geschafft, dieses wichtige Projekt Schritt für Schritt voranzutreiben. Wir können von einem Erfolg sprechen, wenn man sieht, wie viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten in der Agrarlandschaft neuen Lebensraum gefunden haben. Darüber hinaus hat sich auch das Landschaftsbild verbessert und der Erholungswert wurde durch die Vielzahl der Maßnahmen gesteigert. Mit Stolz dürfen wir sagen, es hat sich gelohnt und wir machen gemeinsam weiter."

Oberbürgermeisterin
Beate Weber

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Bürgermeister
Dr. Eckart Würzner

"Gute Kooperation"

"Es freut mich, dass es der Stadt Heidelberg gemeinsam mit den Landwirten gelungen ist, das Projekt der Biotopvernetzung so erfolgreich durchzuführen. In langjähriger Kooperation wurden inzwischen 37 Hektar Biotopvernetzungsfläche und 2700 Meter Gehölzpflanzungen angelegt und gepflegt. Durch die bevorstehenden Flurbereinigungsverfahren im südlichen Teil von Heidelberg werden in den nächsten Jahren neue Vernetzungsflächen gewonnen werden - wichtige Bausteine auf dem Weg zu einer engmaschigen Verbindung von Lebensräumen. Unverzichtbar ist und bleibt die gute Kooperation aller Beteiligten, damit das Projekt auch in Zukunft so wirkungsvoll vorangebracht wird. In diesem Sinne wünsche ich allen Mitwirkenden weiterhin viel Erfolg."

Bürgermeister
Dr. Eckart Würzner

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Stand: 6. November 2001