Kultur

Ausgabe Nr. 43 · 25. Oktober 2000



Roswitha Sperber (Foto: privat)

Ungeahnte Klangwelten eröffnet

Roswitha Sperber erhält das Bundesverdienstkreuz am Bande

Sie gründete das Kulturinstitut "Komponistinnen, gestern - heute" und rief das Gegenwelten-Festival für Neue Musik ins Leben, dessen künstlerische Leiterin sie seit vierzehn Jahren ist. Roswitha Sperber hat sich zur Lebensaufgabe gemacht, Kompositionen von Frauen in den Musikbetrieb einzuführen. Im Rahmen des 14. Gegenwelten-Festivals vom 27. bis 29. Oktober wird sie für ihre Verdienste um die Förderung von Komponistinnen durch Staatssekretär Michael Sieber mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Ein STADTBLATT-Interview mit Roswitha Sperber:


STADTBLATT: Seit Jahrzehnten setzen Sie sich für Musikerinnen und Komponistinnen ein. Haben es Frauen im Musikbetrieb schwerer als Männer?

Sperber: Die für viele nach wie vor relevante Musikgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts war eine von Männern über Männer geschriebene, in der Frauen kaum einen Platz fanden. Im 20. Jahrhundert haben Frauen die Erforschung "ihrer" Geschichte dann selbst in die Hand genommen und haben endlich den lang erstrebten Zugang zu professioneller kompositorischer Tätigkeit gefunden. Selbstbewusst, kompetent, mit Verve und Fantasie bereichern Frauen heute mit ihren Beiträgen die internationale Musikszene.

Wenn wir jedoch die Programmgestaltung der Heidelberger Kulturinstitutionen betrachten, können wir mühelos feststellen: Komponistinnen gehören nicht zu den beachteten Künstlern in unserem Musikbetrieb und stehen noch weit unter der Würdigung ihrer männlichen Kollegen. Dies liegt jedoch nicht an der Qualität ihrer Werke, sondern zweifelsohne an dem immer noch im 19. Jahrhundert verhafteten Selbstverständnis von Männern im Zusammenwirken mit den Machtverhältnissen in unserer Gesellschaft.

STADTBLATT: "Neue Musik" entstand als Gegenbewegung zur Romantik; worin liegt der Reiz dieser Musik?

Sperber: Prozesse der Innovation haben die Musikgeschichte schon mit dem Aufkommen der Mehrstimmigkeit, etwa seit einem Jahrtausend, bestimmt. Wenn wir heute von "Neuer Musik" sprechen, meinen wir die Musik des 20. Jahrhunderts, etwa seit 1910. Als Terminus wurde "Neue Musik" nach dem ersten Weltkrieg geprägt.

Für mich liegt ein Reiz in der Hinwendung zu neuen Ausdrucksformen und Tonsprachen, die der Musik des zu Ende gegangenen Jahrhunderts neue bislang ungeahnte Klangwelten und Erlebnisräume eröffnet hat.

STADTBLATT: Seit 14 Jahren gestalten Sie das Internationale Festival für Neue Musik "Gegenwelten". Wenn Sie zurückblicken, welches war für Sie die größte Freude oder der größte Erfolg?

Sperber: Die größte Freude lag für mich darin, dass für viele Komponistinnen die Heidelberger Festivals wichtige Stationen auf dem Weg in die Öffentlichkeit geworden sind und dass ich für die Öffnung der deutschen kompositorischen "Szene" zur Internationalität Wesentliches beitragen konnte. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg zählt das Gegenwelten-Festival, das als eines der Musikfestivals im Lande und als einziges in Heidelberg gefördert wird, mit seiner besonderen Struktur und Tradition zu den wichtigen und festverankerten Aktivitäten im Kulturland Baden-Württemberg.

STADTBLATT: In diesem Jahr ist das Festival der deutsch-französischen Freundschaft gewidmet. Welches sind die Höhepunkte?

Sperber: Jede Veranstaltung des Festivals hat ihr spezifisches Profil und bietet jeweils einen eigenen Höhepunkt. Sei es das Eröffnungskonzert, in dessen Mittelpunkt die Heidelberger Künstlerinnenpreisträgerin 2000 Elzbieta Sikora steht, oder das Festkonzert am Samstagabend in der Peterskirche mit Werken der beiden Mentoren des Festivals. Der Sonntagmorgen ist im Theaterfoyer einem hochkarätig besetzten Roundtable-Gespräch gewidmet und die Abschlusskonzerte im Kulturhaus Karlstorbahnhof, die mit einem Empfang der französischen Botschaft beendet werden, stehen ganz im Zeichen der jungen französischen Komponisten- und Interpreten-Generation mit fünf Uraufführungen in kleiner und größerer Besetzung.
   
 

Das Programm ...

  ... des Gegenwelten - Festivals für Neue Musik finden Sie im Terminkalender dieser Ausgabe.

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Friedenspreisträgerin Assia Djebar

Als literarisch-moralische Stimme Nordafrikas wurde in diesem Jahr die Algerierin Assia Djebar mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Sie ist eine der bedeutendsten maghrebinischen Schriftstellerinnen. Für sie ist Literatur Spurensuche und Annäherung an die verschütteten Kulturtraditionen ihrer Heimat. In ihren Büchern gibt sie vor allem den maghrebinischen Frauen eine poetische Stimme. Die Autorin, Historikerin und Filmemacherin Assia Djebar lebt seit 1980 in Paris. Neben Gedichten, Erzählungen und politischen Schriften hat sie bisher zehn Romane veröffentlicht, die in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet wurden. Auf Einladung des Institut Français und der Stadtbücherei liest Assia Djebar am Donnerstag, 2. November, um 19.30 Uhr im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei, Poststraße 15. Die Übersetzung und die Moderation des Publikumsgesprächs in deutscher und französischer Sprache übernimmt der Heidelberger Autor und Übersetzer Hans Thill.

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Stand: 24. Oktober 2000