Stadt und Leute

Ausgabe Nr. 42 · 18. Oktober 2000



Mittelalterlicher Wasserverteiler am Burgweg. (Foto: Rothe)

Bergwasser in Graimberg-Brunnen

Relikte der mittelalterlichen Wasserversorgung Heidelbergs restauriert


Mit erheblichem Aufwand hat der Verein Alt-Heidelberg einige der ortstypischen Wasserverteilerkästen in der Altstadt herrichten lassen. Bei einer Begehung mit Erstem Bürgermeister Prof. Dr. Raban von der Malsburg wurden diese Reste der mittelalterlichen Wasserversorgung jetzt förmlich an die Stadt und damit in die Obhut der Bürgerinnen und Bürger übergeben.

Fritz Hartmann, Mitglied im Beirat des Vereins Alt-Heidelberg und als Installateurmeister Fachmann auf dem Gebiet der Wasserversorgung, führte interessierte Mitglieder und Freunde des Vereins zu drei restaurierten Objekten.

Erste Station war der Brunnen neben dem Eingang zur Bergbahn. Vor der Brunnennische wurde 1993 ein schmiedeeisernes Gittertor aus dem Palais Morass (hergestellt von der heute noch bestehenden Firma Hohl & Söhne) angebracht. Die Initiative dazu kam vom damaligen Leiter des Stadtplanungsamtes, Michael Bokemeyer. Der Verein Alt-Heidelberg hat zwischenzeitlich eingetretene Schäden am Tor und an der Ummauerung des Brunnens ausgebessert.

Nächstes Ziel war der Wasserverteilerkasten Burgweg, wo Hartmann die ausgeklügelte Technik der mittelalterlichen Wasserverteilung erläuterte: "Wer am meisten gesponsert hat, bekam die größte Bohrung, die auch am weitesten unten war", und erhielt bei Wasserknappheit so auch am längsten das kostbare Nass. Mit einem einfachen Holzpfropfen ließ sich das Wasser abstellen. Mit dem Bergwasser werden heute noch zwei Brunnen im Hof des Palais Graimberg gespeist. Die übrigen Leitungen wurden beim Bau der Tiefgaragen zerstört. Hartmann sähe es gerne, wenn auch der Brunnen auf dem Kornmarkt wieder mit Bergwasser versorgt werden könnte.

Mit Unterstützung der Stadtwerke und des Tiefbauamtes hat der Verteilerkasten eine Innenbeleuchtung erhalten. Mit dem davor angebrachten engmaschigen Gitter ist man nicht ganz glücklich, weil man nicht gut hindurch sieht. Hartmann: "Wir überlegen, ob wir nicht wieder eine Glasscheibe hineinmachen, um zu verdeutlichen, dass da etwas Sehenswertes ist." Mit der Sichtbarkeit gibt es noch ein weiteres Problem: Beim Rundgang stand trotz des absoluten Halteverbotes ein Falschparker vor dem Verteilerkasten; das geplante Foto musste deshalb unterbleiben.

In der Nähe des Schlosses wurden zwei erneuerte Holztüren vor der Quelle 31 besichtigt, wo der Verteilerbrunnen am Burgweg sein Wasser her bekommt. Erster Bürgermeister von der Malsburg dankte den Mitgliedern des Vereins Alt-Heidelberg. Die Stadt Heidelberg sei sich bewusst, dass sie ihre liebenswerte Eigenart nur dank der Hilfe kundiger und einsatzfreudiger Bürger erhalten und pflegen könne. (rie)
   
 

Schild am Wasserverteilerkasten Burgweg:

 

Wasserteilkasten

Letzter funktionstüchtiger Teilkasten der im Mittelalter angelegten Wasserversorgung der Stadt Heidelberg, er speist noch heute 2 Brunnen im Hof des Palais Graimberg mit Bergwasser. Bereits im Mittelalter wurden 50 Quellen am Hang des Königstuhles gefasst und ihr Wasser in Rohren in die Stadt geleitet. Teilkästen wie dieser besorgten die Verteilung des Wassers auf öffentliche Brunnen und private Abnehmer. Vom Verein Alt-Heidelberg anlässlich des 800-jährigen Jubiläums der Stadt wiederhergestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

1996


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Erschütternde Erinnerungen

Ebert-Gedenkstätte zeigt Ausstellung über die Vertreibung von Deutschen und Polen


"Und dann mussten wir raus." Der Satz umreißt Erinnerungen an Ereignisse, die bis zu 60 Jahren zurückliegen, über die viele Menschen aber lange Zeit nicht offen sprechen durften: Die Vertreibungen von Polen und Deutschen zwischen den Jahren 1939 und 1949.

Sie waren alle Opfer: Die Polen, die 1939 vor Hitlers Wehrmacht aus dem westlichen Teil ihres Landes flüchteten, während gleichzeitig sowjetische Truppen den Osten des Landes besetzten und Stalins Geheimdienst unzählige Menschen nach Russland verschleppte. Jene Polen, die am Ende des Krieges zwangsweise im früheren Osten Deutschlands angesiedelt wurden, und ebenso jene Millionen Deutsche, die ihnen auf Beschluss der Alliierten weichen mussten.

Die Machthaber der Volksrepublik Polen nannten die erzwungene Umsetzung ihrer Landsleute "Repatriierung" und achteten sehr darauf, dass die Betroffenen nie öffentlich hinterfragten, was mit ihnen geschehen war. Ähnlich erging es den deutschen Flüchtlingen, die im Gebiet der ehemaligen DDR ansässig wurden. Sie waren nach offizieller Sprachregelung "Umsiedler", die sich damit abzufinden hatten, dass ihre Vertreibung die Vergeltung für die Verbrechen des Faschismus war.

Erst nach dem Ende des kommunistischen Systems erhielten diese Menschen Gelegenheit, über ihre Erlebnisse während und nach dem Krieg zu sprechen: in Gesprächsrunden beiderseits der heutigen deutsch-polnischen Grenze. Es kamen viele Erinnerungen zu Tage, die - schriftlich festgehalten und unkommentiert - den Inhalt der Ausstellung "Und dann mussten wir raus. Wanderungen durch das Gedächtnis. Von Vertreibungen der Polen und Deutschen 1939-1949" bilden.

Diese Ausstellung ist - erstmals in Baden-Württemberg - bis 12. November in der Friedrich-Ebert-Gedenkstätte zu sehen. Das Besondere: Sie ist das Gemeinschaftswerk deutscher und polnischer Wissenschaftler, Künstler und Publizisten. Ohne diese gemeinsame Aufarbeitung wären die Erinnerungen an die Vertreibung verloren gegangen, sagt Dr. Wanja Ronge, einer der Ausstellungs-Initiatoren.

Frieder Birzele, stellvertretender Landtagspräsident und Vorsitzender der deutsch-polnischen Gesellschaft in Baden-Württemberg, nannte bei der Ausstellungseröffnung erschütternde Zahlen: Mehr als 80 Millionen Menschen sind im Laufe des 20. Jahrhunderts vertrieben worden, an dessen Ende weltweit rund 50 Millionen Menschen auf der Flucht waren. Birzele forderte, "aus den Vertreibungen zu lernen und die richtigen Folgerungen für den Umgang mit Flüchtlingen in unserem Land zu ziehen."

Zur Ausstellung gibt es ein zweisprachiges (deutsch-polnisches) Begleitbuch. (br.)

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Vorbild für andere Städte

Jahresbericht des Bürgeramtes: Rekordbesucherzahl 1998


Als Oberbürgermeisterin Beate Weber im März 1992 das erste Bürgeramt in Heidelberg eröffnete, war das ein mutiger Schritt hin zur modernen Verwaltung. Acht Jahre später sind die mittlerweile elf dezentralen "Außenstellen" des Rathauses für die Heidelberger/innen eine nicht mehr weg zu denkende Selbstverständlichkeit.

Fast alle städtischen Leistungen sind hier aus einer Hand zu haben. Das spart Zeit und Wege und bescherte den Bürgeramt-Außenstellen 1998 mit 247.101 Personen eine Rekordbesucherzahl. Zu diesem Spitzenergebnis trugen sowohl die Briefwahl für die Bundestags- und die Oberbürgermeisterwahl bei als auch im Juli 1998 der Ansturm tausender Kfz-Halter auf die Verkehrsbehörden, um in den Besitz einer durch Bundesverordnung vorgeschriebenen Ozon-Plakette zu kommen.

"Hier hat sich einmal mehr bewiesen, wie segensreich die Übertragung der Kfz-Zulassung auf die Bürgerämter war", erklärte Oberbürgermeisterin Beate Weber jetzt bei der Vorstellung des Jahresberichts des Bürgeramtes. Während bei den Zulassungsstellen im Umland enorme Wartezeiten entstanden, verteilte sich der Andrang in Heidelberg auf elf Stellen und wurde damit wesentlich entzerrt.

Auch 1999 haben die Heidelberger/innen das dezentrale Verwaltungsangebot bestens genutzt: 242.535 Besucher/innen wurden in den Außenstellen (ohne das Bürgeramt Mitte) gezählt. Nimmt man die Besucherzahlen des Bürgeramts Mitte hinzu, erreicht die Gesamtbesucherzahl eine Größenordnung von weit über 320.000 Personen jährlich.

Damit ist das Bürgeramt das meistfrequentierte Amt der Stadtverwaltung. Kein Wunder, dass es zum Vorbild für Städte im In- und Ausland geworden ist. Seit 1992 haben sich 150 Delegationen über das "Heidelberger Modell" vor Ort informiert.

Dass die Bürgerämter nicht nur Zeit und Wege sparen, sondern auch die Umwelt schonen, hat die Universität Heidelberg bestätigt: Weil die Bürgerämter auf relativ kurzen Wegen oftmals zu Fuß aufgesucht werden, gelangen jährlich rund 800.000 Kilogramm Schadstoffe aus Kraftfahrzeugbewegungen (wie beispielsweise Kohlendioxid) gar nicht erst in die Luft.

Ein Problem für die Mitarbeiter/innen der Bürgerämter ist nach wie vor, dass sich der Besucherandrang weitgehend auf die frühen Vormittagstunden konzentriert. Als kundenfreundliches Serviceangebot, das nicht zuletzt den Kundenstrom entzerren soll, haben die Büros auch mittags durchgehend geöffnet. "Auf Dauer", so Bürgeramtsleiter Rudi Lerche, "wünschen wir uns, dass die Bürgerinnen und Bürger unsere langen Öffnungszeiten an den Nachmittagen ausnutzen."

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Stand: 17. Oktober 2000