Kultur

Ausgabe Nr. 38 · 19. September 2001



Bereits bei der Eröffnung der Sammlung Prinzhorn erlebte das Museum einen Besucheransturm. (Foto: Rothe)

Vision und Revision einer Entdeckung

Das Museum Sammlung Prinzhorn wurde feierlich eingeweiht


Heidelberg hat ein neues Museum. Die weltweit beachtete Sammlung Prinzhorn hat in dem ehemaligen Hörsaalgebäude der Neurologischen Klinik mit der markanten Glaskuppel ein würdiges Domizil gefunden. Trotz der dramatischen Ereignisse in den USA hatte die Klinikleitung beschlossen, die Eröffnung nicht zu verschieben, denn, so Prof. Dr. Christoph Mundt, Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik, "das Thema der Veranstaltung ist kein heiteres, vielmehr in manchen Teilen ein tragisches".

Er dankte allen, die auf dem Weg zur Eröffnung des Museums hilfreich waren und wünschte, "dass hier ein lebendiges Zentrum zum Austausch mit der Öffentlichkeit entsteht". Mit der Nähe zur Psychiatrischen Klinik könnten Museum und Kunstwerke einen wesentlichen Beitrag zur Entstigmatisierung der Psychiatrie-Patienten leisten, so Mundt. Universitätsrektor Prof. Dr. Jürgen Siebke äußerte in seiner Festrede die Überzeugung, dass "das Museum helfen kann, sich einer moralischen Verantwortung bewusst zu bleiben". Für musikalische Umrahmung sorgte die Schola Heidelberg mit Kompositionen für fünf Stimmen nach Motiven aus der Sammlung Prinzhorn. Oberbürgermeisterin Beate Weber gab dem aus der Taufe gehobenen Museum den Wunsch mit auf den Weg: "Die Sammlung soll uns an Menschen erinnern, die am Rande der Gesellschaft standen, und gemahnen an Menschen, die heute am Rande der Gesellschaft stehen".

Die Sammlung Prinzhorn bewahrt einen einzigartigen Bestand an Werken, die Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Anstalten um die Wende zum 20. Jahrhundert schufen. Sie umfasst 5000 Werke, mehrheitlich Zeichnungen, Textilien, Druckgraphiken, Holzskulpturen, Texte und Kompositionen. Der Kunsthistoriker und Arzt Hans Prinzhorn hatte in den Jahren 1919 bis 1921 diese Sammlung an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg zusammengetragen. Berühmt wurde die Sammlung durch Prinzhorns Buch "Die Bildnerei der Geisteskranken".

Für die Kustodin der Sammlung, Dr. Inge Jádi, ist die Eröffnung des Museums der krönende Abschluss ihres Berufslebens. Dreißig Jahre lang hatte sie die Sammlung betreut, internationale Ausstellungen organisiert und die Einrichtung des Museums verfolgt. Gemeinsam mit ihrer Nachfolgerin, der Kunsthistorikerin Dr. Bettina Brand-Claussen, konzipierte sie das Museum sowie die erste Ausstellung. Schon aus konservatorischen Gründen wird drei mal jährlich eine thematische Auswahl an Werken gezeigt. Die Papiere, die den Patienten zur Verfügung standen (einfaches Aktenpapier, Tapete, Packpapier, Toilettenpapier) dürfen nur für kurze Zeit ans Tageslicht.

Die Eröffnung des Museums Sammlung Prinzhorn, achtzig Jahre nach Entstehen der Sammlung, nehmen Jádi und Brand-Claussen zum Anlass für einen Rückblick. Unter dem Titel "Vision und Revision einer Entdeckung" werden vorwiegend Werke gezeigt, die Hans Prinzhorn nicht als Kunst eingeschätzt hatte und die den Wandel des Kunstverständnisses im 20. Jahrhundert dokumentieren. Als Ergänzung zu den Wechsel-Ausstellungen sind in einem Schrank mit sechzehn Schubladen weitere Exponate jederzeit für die Besucher zugänglich. Die in Abständen ausgetauschten Bilder zählen zum Hauptbestand der Sammlung. Im Keller des Hauses werden Holzskulpturen von Karl Genzel, einem der bedeutendsten Künstler der Sammlung, in einer Dauerausstellung gezeigt.

In einem weiteren Raum wird die Anstaltssituation um die Jahrhundertwende atmosphärisch vermittelt. Zwangsjacken, Erfassungsfotos, Medikamentenschrank, Akten, Locher und Fotografien von Gebäuden und Schlafsälen in Verbindung mit den Kunstwerken lassen das Dilemma der Psychiatrie deutlich werden. Der Auftrag schwankte zwischen Schutz der Mitmenschen vor Wahnsinnigen und dem ärztlichen Auftrag, den Patienten zu helfen.

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Der Katalog ist in der Ausstellung im Kurpfälzischen Museum für 28 Mark und anschließend für 38 Mark im Buchhandel erhältlich. (Foto: Rothe)

"Von klassischer Schönheit, in sich ruhend"

"Von klassischer Schönheit, in sich ruhend", beschrieb die Kunsthistorikerin Barbara Bechtel bei der Ausstellungseröffnung das Werk Walter Gillichs. Zur Erinnerung an den im vergangenen Jahr kurz nach seinem 80. Geburtstag verstorbenen Heidelberger Maler zeigt das Kulturamt eine Auswahl seiner Werke im Wechselausstellungsraum des Kurpfälzischen Museums. "Sein künstlerisches Werk genießt hohe Anerkennung", würdigte Bürgermeister Dr. Jürgen Beß Leben und Werk des sympathischen Künstlers. Es war der Wunsch Walter Gillichs, dass sein 1988 geschaffener "Gilgamesch-Zyklus" im Mittelpunkt der Werkschau steht. Mit diesem Zyklus illustrierte er die von Georg Burkhard bearbeitete Textfassung der gleichnamigen altorientalischen Erzählung. Die Geschichte des Königs von Uruk und seines Freundes Enkidu stellte Gillich in zwölf großformatigen Bildern dar. "Wie kraftvoll er die Männer auch darstellte, wenn man genau hinschaut, kann man entdecken, dass für Gillich die Frauen das eigentliche Geschick der Welt in Händen halten", Adelheid Graf, von der Galerie Graf, machte darauf aufmerksam, dass oft witzige Details Auskunft geben über den humorvollen Menschen Walter Gillich. Parallel zur Ausstellung des Kulturamtes zeigt die Galerie Graf, Klingentorstraße 12, die den künstlerischen Nachlass Walter Gillichs verwaltet, Ölgemälde, Holzschnitte und Kunstdrucke des Malers.

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"Abschied von Berlin", Feder und Tusche, Brigitte Heiliger-Kramm, 1969

Zum Tod von Brigitte Heiliger-Kramm

Am 11. September 2001 verstarb Brigitte Heiliger-Kramm, eine bemerkenswerte Künstlerin und ein beeindruckender Mensch. Ihr Leben war bestimmt von der Liebe zu den Künsten, als Malerin und Zeichnerin ebenso wie als profunde Kennerin der Welt des Theaters, des Schauspiels, der Oper und der Musik.

Prägend für das Leben von Brigitte Heiliger-Kramm war ihre Berliner Herkunft und die enge Verbundenheit mit bedeutenden Persönlichkeiten des internationalen Kunstschaffens. Mit Heidelberg, der Stadt, die 1955 zu ihrem Wohnort geworden war, verband sie nicht zuletzt die starke Beziehung zu ihrem Vater, dem Maler Willibald Kramm. Mit ihm bereiste sie Italien, das Land, mit dem sie seitdem eine Wahlverwandtschaft verbinden sollte und aus dem zahlreiche ihrer künstlerischen Motive entstammen. In Heidelberg fanden viele ihrer Ausstellungen statt, in der Alten Aula der Universität, im Sole d'Oro, in der Galerie Melnikow und zuletzt, im Jahr 1999, im Heidelberger Kunstverein. Ihre Arbeiten wurden auch überregional bekannt, so kaufte unter anderem die Graphische Sammlung der Bayrischen Staatsgemäldesammlung in München Arbeiten an. Mit Brigitte Heiliger-Kramm verliert die Stadt Heidelberg eine herausragende und unverwechselbare Persönlichkeit des kulturellen Lebens. Die Trauerfeier findet am Freitag, 21. September, um 14.00 Uhr auf dem Heidelberger Bergfriedhof statt.

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Stand: 18. September 2001