Thema der Woche

Ausgabe Nr. 30 · 28. Juli 1999



Die Gäste aus aller Welt werden am Hauptbahnhof von Ferienkursmitarbeiter/innen begrüßt. (Foto: Rothe)
Gastfreundschaft mit Tradition: Seit 1926 veranstaltet die Universität den

"Internationalen Ferienkurs für deutsche Sprache und Kultur" - Mit Vergnügen Deutsch lernen

Jeden Sommer, kurz nachdem die Universität ihre Pforten für den regulären Lehrbetrieb geschlossen hat, öffnet sie diese bereits wieder. Vier Wochen lang steht die Uni dann ganz im Zeichen des "Internationalen Ferienkurses für deutsche Sprache und Kultur", der in diesem Jahr vom 25. Juli bis zum 20. August stattfindet.

Der vom Akademischen Auslandsamt der Uni veranstaltete Sommer-
kurs kann mit Superlativen aufwarten: Er hat die längste Tradition. Schon 1926 kamen die ersten 60 Studierenden zu einem Sommerkurs nach Heidelberg. Und er ist mit Abstand die größte derartige Veranstaltung an deutschen Universitäten. 570 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 62 Ländern haben sich in diesem Jahr eingeschrieben.

Wandel und Kontinuität
Der Internationale Ferienkurs hat jeweils ein Rahmenthema. In diesem Jahr lautet es: "Wandel und Kontinuität - Deutschland im europäischen Kontext". Es sei, kommentiert Rektor Prof. Dr. Jürgen Siebke, gerade 1999 besonders aktuell, denn in diesem Jahr wird das 50-jährige Jubiläum des Grundgesetzes begangen. "1999 ist aber zum anderen das Jahr, in dem zum ersten Mal seit fünfzig Jahren in Europa wieder Waffen eingesetzt wurden, und dies unter Beteiligung Deutschlands." Die durch diesen Einsatz übernommene Verantwortung sei ein Zeichen für einen einschneidenden Wandel innerhalb Deutschlands, der nur in Zusammenhang mit der Einbettung in den europäischen Kontext zu sehen sei.

Die Gäste aus fünf Kontinenten erwartet ein umfangreiches und vielfältiges Programm. Die Vormittage sind mit Sprachunterricht ausgefüllt, am Nachmittag gibt es Übungen, Seminare und Vorträge. Gemäß dem Rahmenthema geht es in diesem Jahr unter anderem um die EU und den Euro, das Europabild der Deutschen, die deutsche Sprache im Kontakt mit ihren Nachbarsprachen und "Das Eigene und das Fremde" im Werk Hölderlins. In Arbeitsgemeinschaften kann man singen, tanzen, musizieren, Theater spielen oder bei der Ferienkurszeitung mitmachen. Auch der Sport kommt nicht zu kurz. Die Einrichtungen des Instituts für Sport und Sportwissenschaft stehen den Teilnehmern kostenlos zur Verfügung.

Vielfältiges Angebot
Einzigartig ist der Heidelberger Ferienkurs in Bezug auf die Breite seines Angebotes, wie Dr. H. Joachim Gerke, Leiter des Akademischen Auslandsamtes, erläutert. Der Kurs wendet sich an "Nullanfänger" ebenso wie an Germanisten. Das Angebot reicht von audiovisuellen Anfängerkursen im Sprachlabor über Sprachkurse der Grund-, Mittel- und Oberstufe bis zum Fortbildungskurs für ausländische Deutschlehrer und Germanisten, den überwiegend Lehrende der Universität bestreiten.

Viele Lehrende halten dem Ferienkurs seit Jahrzehnten die Treue. Phonetik-Spezialist Dr. Geert Lotzmann gehört seit 38 Jahren zum Team. Seine Rezitationsabende genießen Kultstatus. Mit 35 Jahren fast ebenso lange dabei ist Prof. Dr. Peter Lutz Lehmann. In seiner Vorlesung geht es aus Anlass des Goethe-Jahres um "Deutsche Stilgeschichte im Überblick: Der Stil der deutschen Sprache - J. W. v. Goethe". Sprachlehrer Wilfried Meyer gehört seit fast drei Jahrzehnten dazu. Sein Job erfordert besonderes Einfühlungsvermögen: In der "Grundstufe I A" unterrichtet er im Sprachlabor diejenigen, die noch überhaupt kein Deutsch können.

Auch außerhalb des Unterrichts bleiben die Ferienkursler nicht sich selbst überlassen. Den Klassen stehen deutsche Studierende als Betreuer zur Seite und sorgen für das Freizeitprogramm. Stadtbesichtigungen, Besuche im Freibad und nicht zuletzt jede Menge Partys an lauen Sommerabenden sind angesagt. Klassenfeste, Stufenfeste, Disco, Riverboat-Shuffle - der Ferienkurs wird gerühmt für seine Feten. Was macht es da schon, wenn der eine oder andere am nächsten Morgen etwas übernächtigt zum Unterricht erscheint - man ist schließlich nicht nur zum Büffeln an den Neckarstrand gekommen.

Kurztrip nach Berlin
Am Wochenende stehen Ausflüge auf dem Programm. Angeboten werden in diesem Jahr die Städte Köln, Tübingen, Freiburg, Nürnberg, Trier, Weimar, Rothenburg, eine Rhein-, eine Mosel- und eine Weinfahrt sowie Schwarzwald und Schwäbische Alb. Der Knüller ist eine dreitägige Reise nach Berlin.

Eine Veranstaltung mit fast 600 Teilnehmern ist nicht denkbar ohne professionelle Organisation. Zum eingespielten Team um Ferienkursleiter Gerke gehören Almuth Bofferding, die das Kursprogramm koordiniert, Albrecht Bayer und Hans-Eugen Schauppel, die sich um Veranstaltungen und Exkursionen kümmern, sowie Matthias Brotel von der Zimmervermittlung.

Niemand aber kennt die organisatorischen Details so in- und auswendig wie Gisela Plock vom Ferienkursbüro, die seit vielen Jahren dabei ist. Wie lange genau, mochte sie nicht verraten, aber doch immerhin so viel, dass die Ferienkursleitung in dieser Zeit drei Mal gewechselt hat. Während der vier Kurswochen ist sie der ruhende Pol des Ferienkursbüros in der Neuen Uni. (rie)
 
 

Vorträge und Musik

  Einige der Veranstaltungen des Internationalen Ferienkurses stehen allen Heidelbergerinnen und Heidelbergern offen. Welche das sind, erfahren Sie aus der täglichen Rubrik "Ferienkurs heute" der Rhein-Neckar-Zeitung.
   
 

Weltoffen

  Schon früh hat die Ruperto Carola Studierende aus dem Ausland angezogen. Der Erste war Magister Wilhelm de Fontibus aus Cambridge im Jahre 1393. In diesem Jahrhundert hat die Heidelberger Uni mit der Gründung der "Staatswissenschaftlichen Austauschstelle beim Institut für Sozial- und Staatswissenschaften" unter ihrem ersten Vorsitzenden Alfred Weber wesentlich zur Völkerverständigung und zum internationalen akademischen Austausch beigetragen. Aus dieser Stelle ging der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hervor, der seinen Sitz zunächst in Heidelberg hatte, 1925 nach Berlin übersiedelte und heute in Bad Godesberg beheimatet ist.

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Zur Inhaltsangabe STADTBLATT

STADTBLATT-Gespräch mit Almuth Bofferding und Dr. H. Joachim Gerke

Positives Deutschlandbild

Kurskoordinatorin Almuth Bofferding war für Entwicklungshilfeorganisationen tätig und verfügt über langjährige Erfahrung als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache. Dr. Joachim Gerke ist Leiter des Akademischen Auslandsamtes und des Ferienkurses.

STADTBLATT: Was ist das Besondere am Heidelberger Ferienkurs?

Dr. Gerke: Er wendet sich nicht nur an Studierende, sondern ist offen für alle an der deutschen Sprache Interessierten, die über 18 sind - eine Einschränkung, die wir aus rein versicherungsrechtlichen Gründen machen müssen. So haben wir Teilnehmer von 18 bis 80, wobei die Mehrzahl natürlich Studierende zwischen 20 und 25 sind. Eine weitere Besonderheit ist das umfangreiche Zusatzangebot von Lehrveranstaltungen, Seminaren, Vorlesungen und Übungen am Nachmittag, abgestimmt auf die Bedürfnisse jeder Stufe.

Bofferding: Der Kurs dient in erster Linie natürlich dazu, die deutsche Sprache zu erlernen oder zu vertiefen. Andererseits ist er aber auch dazu da, um den Teilnehmer/innen ein Deutschlandbild zu vermitteln. Die meisten kommen zum ers-ten Mal hierher. Was sie von hier mitnehmen, das wird ihr Deutschlandbild prägen. Es sollte, da sind wir alle sehr bemüht, sehr positiv sein. Deswegen ist das auch so ein rundes kompaktes Angebot.

Dr. Gerke: Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der für die Universität sehr wichtig ist. Der Ferienkurs ist eines der wichtigsten "Werbeinstrumente" für die Uni. Viele Teilnehmer sind so begeistert, dass sie zum Akademischen Auslandsamt kommen und sich nach den Möglichkeiten eines längeren Aufenthaltes erkundigen, weil sie ein bis zwei Semester oder ein ganzes Studium hier verbringen möchten.
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Stand: 27. Juli 1999