Umfrage buergerschaftliches Engagement

Ausgabe Nr. 28 · 10. Juli 2002

 

Umfrage ergab ein hohes Potenzial für freiwilliges Engagement

Prof. Dr. Dieter Roth, Geschäftsführer der Forschungsgruppe Wahlen, trug im Stadtentwicklungs- und Verkehrssausschuss die Ergebnisse einer Befragung zum bürgerschaftlichen Engagement in Heidelberg vor

Die Stadt Heidelberg fördert bürgerschaftliches Engagement, weil es eine wichtige Säule eines funktionierenden Gemeinwesens ist. Um die ehrenamtliche Arbeit in Vereinen, Institutionen, im Stadtteil oder in zeitlich begrenzten Projekten besser unterstützen zu können, hat die Stadtverwaltung die Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim beauftragt, zu untersuchen, wie ausgeprägt das Engagement ist, in welchen Bereichen die Heidelberger freiwillig aktiv sind und welches Potenzial für freiwilliges Engagement in der Stadt besteht. Die wichtigsten Ergebnisse der repräsentativen Befragung von 1.330 zufällig ausgewählten Heidelbergern ab 14 Jahren zum Thema bürgerschaftliches Engagement geben wir hier auf diesen beiden Seiten wieder. Die Befragung umfasst noch weitere Bereiche zum Leben in Heidelberg.

Die Veröffentlichung aller Umfragergebnisse ist nach der Sommerpause vorgesehen.
   
51% der Befragten sind Mitglied in einem Verein. Die meisten Vereinsmitglieder (72%) sind in einem Verein Mitglied, 21% besitzen zwei Mitgliedschaften. Reines Mitglied sind 65%, freiwillig ehrenamtlich aktiv sind von den Vereinsmitgliedern 35%. Vereinsmitglieder zwischen 35 und 59 Jahren sind besonders häufig ehrenamtlich aktiv, ergab die Befragung. Fast ein Drittel wendet bis zu fünf Stunden pro Monat für das Ehrenamt im Verein auf, 27% sechs bis zehn Stunden, 22% elf bis 20 Stunden. Mehr als 20 Stunden pro Monat investieren noch 12% der Aktiven in das Ehrenamt.
   
Im Verein oder in der Gruppe aktiv. Neben den Vereinen gibt es auch immer mehr selbstorganisierte Gruppen, die beispielsweise in Elternkreisen, Nachbarschaftsinitiativen, Hausaufgaben- und Altenbetreuung oder im Umweltschutz tätig sind. Zwei Drittel der Heidelberger haben von solchen Gruppen schon gehört, rund einem Viertel sind sie unbekannt, 8% der Befragten machen mit. Anders als bei den Engagierten in den Vereinen spielt bei den selbstorganisierten Gruppen der Bereich Politik die größte Rolle. Vor allem Männer (44%) engagieren sich dort. Für den Bereich Kinder/Jugend/Schule engagieren sich 30 Prozent in bürgerschaftlichen Gruppen. Hier sind besonders die Frauen (37%) aktiv.
   
Motiv: Spaß am Helfen. 88% der in Vereinen oder selbstorganisierten Gruppen Aktiven sind deswegen engagiert, weil es einfach Spaß macht, anderen zu helfen. Das Motiv "weil alles besser klappt, wenn sich die Bürger selbst um etwas kümmern", trifft besonders für diejenigen zu, die in den Bereichen Kinder/Jugend/Schule (85%) und in der Politik (75%) sich betätigen. Ehrenamtlich in Kirche/Religion Aktive (85%) wollen ihre persönlichen Fähigkeiten einbringen. Das Statement "um etwas für die Gemeinschaft der Stadt zu tun" findet die größte Zustimmung bei Kinder/Jugend/Schule (78%) und Politik (74%).
   
Viele wollen sich engagieren. Es gibt es ein beträchtliches Potenzial an Menschen, die eine ehrenamtliche Tätigkeit in Erwägung ziehen: Ein Drittel aller nicht engagierten Bürgerinnen und Bürger würden sich gerne freiwillig engagieren. Die jüngste Altersgruppe (14-34 Jahre) und die 40- bis 49-Jährigen bekunden das höchste Interesse (44%). Nicht Sport (nur 13%) oder Freizeit/Kultur (15%), sondern Soziales/Gesellschaft (31%), Politik (29%) sowie Kinder/Schule/Jugend (26%) nannten die Nicht-Engagierten als Bereiche, in denen sie sich vorstellen könnten, ehrenamtlich tätig zu werden.
   
Stadt als Partner. Als wichtigsten Förderer ehrenamtlicher Tätigkeit sehen die Engagierten die Stadt Heidelberg. Wie die Unterstützung aussehen könnte, wurde ebenfalls vorgabenfrei gefragt. Über die Hälfte der Nennungen (51%) entfallen auf die Antwort "finanzielle Unterstützung". Knapp ein Fünftel der Nennungen (18%) beziehen sich auf "Räumlichkeiten". Danach folgen Beratung/Schulung (14%), personelle Unterstützung (13%) und "Kontakte organisieren" (10%). Personelle Unterstützung halten Engagierte vor allem im Bereich Kirche/Religion (21%), Politik (17%) und Soziales/Gesundheit (16%) für sinnvoll.
   
Würdigung in Medien gewünscht. Die Engagierten hatten die Möglichkeit, vorgabenfrei zu antworten, welche Formen der Anerkennung sie sich vorstellen könnten. In den Bereichen Religion/Kirche/Politik sowie Kinder/Jugend/Schule wird die Herstellung einer Öffentlichkeit durch die Medien favorisiert, in den Feldern Freizeit/Kultur, Soziales/Gesundheit und Sport stehen Ehrungen/Feiern an erster Stelle. Zeugnisse/Nachweise werden insbesondere im Sportbereich mit 15% relativ häufig genannt. Freikarten/Gutscheine stellen sich für Kinder/Schule/Jugend (11%) interessanter als für andere Bereiche heraus.
   
Engagierte fühlen sich Heidelberg verbunden. Bürgerschaftliches Engagement festigt die Beziehung zum Wohnort. Über drei Viertel derjenigen Befragten, die in Vereinen eine Funktion oder ein Amt ausüben oder in bürgerschaftlichen Gruppen aktiv sind, sprechen von einer starken Verbundenheit zu Heidelberg. Auch das kommunalpolitische Interesse ist bei den Engagierten höher als bei nicht Engagierten: Sehr starkes Interesse an Kommunalpolitik bekunden 43% der Engagierten (andere 28%), etwas Interesse 37% (andere ebenfalls 37%), kaum oder kein Interesse 21% (andere 35%)

  Zum Seitenanfang

Engagement-Studie 2002

Bürgerschaftliches Engagement als Schwerpunkt politischen Handelns rückte in den letzten Jahren nicht zuletzt durch das Internationale Jahr der Freiwilligen 2001 in das Blickfeld von Politik und Verwaltung. "22 Millionen Bürger engagieren sich in Deutschland, sie schenken der Gesellschaft an einer Stelle, die sie selbst bestimmen, Zeit, Ideen und Vermögen", so Rupert Graf Strachwitz am 13. Juni 2002 in der Süddeutschen Zeitung. Er ist Mitglied in der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages zur "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements".

Diese Enquête-Kommission legte ihren in zweijähriger Arbeit entstandenen Bericht diesen Monat (Juni 2002) dem Deutschen Bundestag vor. Darin kam deutlich zum Ausdruck, dass die Bürgergesellschaft eines unterstützenden Staates bedarf. Bürgerschaftliches Engagement wird als dritte Säule eines modernen, liberalen Gemeinwesens betrachtet und muss als solche Einzug in politisches, wirtschaftliches und soziales Kalkül nehmen.

Engagiert in Heidelberg
In den zwei Jahren, seit sich die Mitglieder der Enquête-Kommission mit Form, Vielfalt und Anforderungen des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland beschäftigten, hat sich auch in Heidelberg hinsichtlich der Engagementförderung ein Wechsel vollzogen. Die Koordination des bürgerschaftliches Engagement ist innerhalb der Verwaltung als neuer Aufgabenbereich im Referat der Oberbürgermeisterin angesiedelt und mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet worden.

Im Austausch mit vergleichbaren Städten in Baden-Württemberg, unterstützt durch Sozialministerium und Städtetag, hat Heidelberg Grundlagen geschaffen, bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt in einem neuen Kontext zu diskutieren und zu fördern.

Die Heidelberger Bürgerplakette zur Würdigung herausragenden Engagements, die FreiwilligenBörse, der Markt der Möglichkeiten, das Zukunftsforum "Wirtschaft und Bürgerschaftliches Engagement" (Corporate Citizenship) sowie die Steuerungsgruppe Bürgerschaftliches Engagement in Heidelberg sind wesentliche Bestandteile eines Konzeptes, für das Heidelberg und der Paritätische Wohlfahrtsverband im Jahr 2001 den Bundespreis "Engagement unterstützende Infrastruktur" erhalten haben. Dieser wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vergeben.

Insgesamt ist diese Entwicklung im Kontext der Heidelberger Bürgerorientierung zu verstehen. Bürgerinnen und Bürger werden als Partner von Verwaltung und Politik verstanden. Wie jedoch Bürgerorientierung und bürgerschaftliches Engagement konkret in Heidelberg aussehen, wie diese von der Bevölkerung wahrgenommen und bewertet werden, darüber lagen bisher keine umfassenden Daten vor.

Lokale Demokratiebilanz
Um die Wirkungen dieser Bürgerorientierung prüfen und gezielt steuern zu können, bedarf es detailreicher Bürgerbefragungen. In Schweden und Finnland haben Kommunen unabhängig voneinander begonnen, sogenannte "Demokratiebilanzen" zu erstellen. Ziel ist es, den erreichten Grad der Bürgerorientierung zu prüfen und zu dokumentieren. Probleme und Schwachstellen können aufgezeigt und konkrete Ziele, Projekte und Maßnahmen daraus abgeleitet werden.

Heidelberg ist in der vorteilhaften Lage, durch die Forschungsgruppe Wahlen wesentliche Abfragen in diese Richtung seit 1994 dokumentiert zu haben. Neben den Heidelberg-Studien in den Jahren 1994, 1997 und 2000, wurde im Jahr 2001 eine Mobilitätsbefragung durchgeführt. Alle Befragungen enthalten gleiche Kernfragen, die fortgeschrieben werden. Thematisch wechselnde Schwerpunkte ermöglichen detaillierte Ergebnisse zur jeweiligen Fragestellung.

1.330 Personen wurden befragt
Die anfangs beschriebene Neuausrichtung bei der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements (BE) in Heidelberg war Anlass, im Jahr 2002 die Forschungsgruppe Wahlen mit einer Erhebung zum bürgerschaftlichen Engagement in Heidelberg zu beauftragen: die Engagement-Studie Heidelberg 2002.

Repräsentativ wurden im Mai 1.330 Personen ab 14 Jahren in Heidelberg telefonisch zu ihrem Engagement, ihrer Motivation und zu ihrer Einstellung zur Heidelberger Politik befragt. Ziel der Erhebung war es, zum einen den Bekanntheitsgrad lokaler Einrichtungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit bürgerschaftlichem Engagement stehen, abzufragen (beispielsweise Bezirksbeiräte, Stadtteilvereine, Ausländerrat, Kinderbeauftragte, Jugendrat, FreiwilligenBörse). Eine Beurteilung der jeweiligen Einrichtung schloss sich an.

Zum anderen wurde eine detaillierte Analyse der "BE-Landschaft" Heidelbergs durchgeführt. Es wurden beispielsweise Tätigkeitsfelder erfasst, in denen sich die Heidelbergerinnen und Heidelberger engagieren, wie sie organisiert sind, was sie motiviert beziehungsweise was sie am Engagement hindert. Gerade auch die Befragung von Nicht-Engagierten ist für eine spätere Maßnahmenableitung von Bedeutung.

Vertiefungsfragen bei den Engagierten unter den Befragten sollen zeigen, welche Rahmenbedingungen in Heidelberg aus Sicht der Betroffenen zu verändern sind. Insbesondere die Rolle von Bund, Land, Kommune oder Verwaltung, Politik und Wirtschaft ist hierbei von Interesse.

Neben Vereinsmitgliedschaften wurden auch die Aktivitäten in bürgerschaftlichen Gruppierungen abgefragt, das heißt, in eher projektorientierten Initiativen, meist ohne Vereinsstatus. Diese Trennung wurde auf Grund der Annahme vorgenommen, dass selbstorganisiertes kurzfristigeres Engagement in der jüngeren Vergangenheit zugenommen hat und sich außerdem hinsichtlich der Tätigkeitsfelder vom Vereinsengagement unterscheidet.

Weitere Umfrageergebnisse
In Heidelberg lässt es sich gut leben. 34% der Befragten fühlten sich in Heidelberg wohl, 62% sogar sehr wohl. Das ist keine Neuigkeit. Schon bei Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen in den Jahren 1997 und 2000 gab es diese eindeutige Antwort auf die so genannte "Wohlfühlfrage". Insgesamt wenig Kritik gab es auch beim Wohlbefinden im Stadtteil. In Handschuhsheim und Neuenheim fühlen sich 70% "sehr wohl", im Süden der Stadt (Emmertsgrund, Boxberg, Rohrbach, Südstadt) sind es 48%, im Westen (Kirchheim, Pfaffengrund, Wieblingen) 47%, im Osten (Schlierbach, Ziegelhausen) fühlen sich 54% "sehr wohl" und in der Mitte Heidelbergs (Bergheim, Weststadt, Altstadt) 57%. Auch das Wohlbefinden in unmittelbarer Nachbarschaft ist ungetrübt. 44% fühlen sich in ihrem Quartier "eher wohl" und ebenfalls 44% "sehr wohl".

  Zum Seitenanfang
  Zur Inhaltsangabe STADTBLATT



Copyright © Stadt Heidelberg 1999, All Rights Reserved
Stand: 9. Juli 2002