Kinder und Kultur

Ausgabe Nr. 27 · 02. Juli 2003

Wolf Widder und Irina Pauls inszenieren „Die Bettleroper“ für die Heidelberger Schlossfestspiele. Foto: Dohmen

Tempo, Spaß und Parodie

„Die Bettleroper“ von John Gay hat am Samstag, 5. Juli, Premiere im Englischen Bau

Die Balladenoper von John Gay in einer musikalischen Fassung von Benjamin Britten zählt zu den Highlights der diesjährigen Schlossfestspiele. Ein Stadtblatt-Gespräch mit dem Oberspielleiter des Musiktheaters Wolf Widder und Tanzchefin Irina Pauls über die Heidelberger Inszenierung.

Stadtblatt: Welches Anliegen oder welche Intention verfolgte John Gay mit der „Bettleroper“?
Wolf Widder: Die Oper erzählte früher ausschließlich Geschichten von Göttern und Helden, großen Staatsaktionen und dem Zwiespalt zwischen Liebe und Pflicht. Gay wollte die Oper wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen und hat sich für die Parodie entschieden. An Stelle von Helden, Göttern und römischen Kaisern hat er die Bettler, Huren und Diebe ins Zentrum des Geschehens gerückt. Und dahinein hat er auch noch eine kräftige Portion Gesellschaftskritik gepackt, alles natürlich auf eine sehr lustige und komödiantische Art und Weise. Das Stück schlug ein wie eine Bombe und ist seit seiner Entstehungszeit durchweg immer irgendwo in London zu sehen. Seit 1729 ein Dauerbrenner in verschiedensten Bearbeitungen bis ins 20. Jahrhundert.

Stadtblatt: Worin liegt für Sie der besondere Reiz der Fassung von Benjamin Britten?
Widder: Die Musik dieser Oper setzt sich zusammen aus den Schlagern der damaligen Zeit. Das sind keine Kompositionen, die extra für diese Oper geschrieben worden sind (bis auf zwei kleine), sondern Gassenhauer, Schlager und die beliebtesten Operarien der damaligen Zeit, Volksballaden eben. Die hat er uns wieder ein bisschen näher gebracht, indem er sie schlanker instrumentiert hat und dadurch, dass wir sie nicht mit einem speziellen Barockorchester spielen müssen. Dann hat er die Parodie auf die Spitze getrieben, in dem er das kleine 12-Mann-Orchesterchen manchmal groß auftröten lässt wie ein riesiges Sinfonieorchester, irgendwann geht dann die Luft aus und es quietscht und rumpelt im Karton, also die Musik ist sehr witzig geworden durch Britten. Er hat das englische Balladeske, was man als Kneipenmusik kennt, erhalten und eine gehörige Portion Witz zugefügt.

Stadtblatt: Welchen Part wird das Tanztheater übernehmen?
Irina Pauls: Wir haben nur einen kleinen Part, aber ich hoffe einen witzigen und auffrischenden. Zwar ist das keine Oper mit Tanz, sondern eine reine Spieloper, aber wir wollen die Möglichkeiten, die unser Theater für das Publikum auf dem Schloss bietet natürlich alle ausschöpfen und dieses Element Bewegung und Tanz einbringen. Das wird eine spritzige Slapp-Stick-Nummer. Wir haben uns die „Paul´s Cops“ genannt, das ist die Polizei, die den Hauptdarsteller fassen soll. Aus diesem Milieu der Bettler und Huren haben wir dieses Element der Ordnungshüter auf eine groteske, witzige und übertriebene Weise in die Oper eingebaut und dadurch noch einmal ein sehr publikumswirksames, fröhliches Element geschaffen.

Stadtblatt:Worauf haben Sie besonderen Wert bei dieser Inszenierung gelegt?
Widder: Auf die Moral des Stückes: „Verkauf Deinen Nachbarn, bevor er Dich verkauft!“, auf Tempo, auf Spaß und auf ein bisschen Parodie. Wir wollen menschlich eine schöne Geschichte erzählen und die gängige Unterscheidung zwischen Ernst und Unterhaltung aufheben. doh

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Tanz-Kooperation beschlossen

Das Theater der Stadt Heidelberg geht mit dem Theater Freiburg eine Kooperation für eine gemeinsame Tanzcompagnie für zunächst zwei Jahre ein, um die Sparte Tanz an beiden Häusern in hoher Qualität trotz bestehender Finanznöte dauerhaft zu sichern, das hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am Donnerstag, 26. Juni, beschlossen. Zusammen mit den Theatern Freiburg und Heilbronn wurde ein Modell entwi-ckelt, das in Heidelberg einen jährlichen Einsparbetrag in Höhe von rund 235.000 Euro erbringen kann und das dennoch die Sparte Tanztheater, die in den vergangenen Jahren immer wieder in der Diskussion stand, sichert. Dieses künstlerische Modell sieht die Zusammenlegung der Compagnien aus Heidelberg und Freiburg in einer Gesamtstärke von 16 Personen vor. Das Theater Heilbronn wird Vorstellungen der Compagnie als Gastspiele übernehmen. Standort soll wegen der besseren Produktionsbedingungen Freiburg werden. Von den Intendanten wurde vereinbart, dass in jeder Stadt zwei Tanz-Produktionen im großen Haus gezeigt werden. Davon erhält jede Stadt eine Premiere, die, bevor sie in die Partnerstadt geht, vorab innerhalb des Repertoires des jeweiligen Theaters abgespielt wird. Die dritte choreographische Arbeit kann im Studio bzw. Werkraumtheater aufgef ührt werden.

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Stand: 01. Juli 2003