Kultur

Ausgabe Nr. 22 · 31. Mai 2000

Dr. Inge Jádi zu Gast bei
"Erlebte Geschichte - erzählt".
(Foto: Rothe)

Etwas für ihr Leben gefunden

Dr. Inge Jádi über ihre Arbeit mit der Prinzhorn-Sammlung

Im Rahmen der 5. Heidelberger Literaturtage im Spiegelzelt auf dem Universitätsplatz war Dr. Inge Jádi zu Gast bei "Erlebte Geschichte - erzählt". Sie führte ihre Zuhörerinnen und Zuhörer in die Vorstellungswelt von psychisch Kranken ein.


Im Mittelpunkt des Gespräches mit Michael Buselmeier stand mehr die Prinzhorn-Sammlung als die Person Inge Jádis. Kaum verwunderlich, wird doch die Vorstellungswelt von Menschen mit Psychosen allgemein als fremd und rätselhaft empfunden. Mittels ihrer Zeichnungen, Skulpturen und Texte scheint jedoch ein Zugang zu ihrer Welt möglich. Auch Inge Jádi hat "in der Arbeit mit der Sammlung etwas für ihr Leben gefunden" wie sie im Gespräch mit Michael Buselmeier erklärte.

Geboren 1936 in Ludwigshafen und aufgewachsen in Neckargemünd, besuchte Inge Jádi ab 1946 das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium in Heidelberg. Durch ihren Vater - Zahnarzt und Maler - beschäftigte sie sich schon früh mit der Malerei. Nach dem Abitur studierte sie Medizin in Heidelberg und München. 1959 heiratete sie den Architekten und Maler Fritz Jarchov, der sich 1983 das Leben nahm. 1971 macht sie die Facharztausbildung für Psychiatrie und entdeckt 1972 ihre Liebe zur Prinzhorn-Sammlung.

Über 6000 Zeichnungen, Texte und Notationen von Patienten der Psychiatrie fand sie in einem einzigen Schrank in der Psychiatrischen Universitätsklinik so vor, wie Hans Prinzhorn sie in den Jahren 1919 bis 1921 zusammengetragen hatte. In der Verwahrlosung, in der sie die Sachen angetroffen habe, sei eine entsetzliche Aura, ein Stück Wahrheit zu spüren gewesen.

1973 hat Inge Jádi die Leitung dieser für die Geschichte der Kunst und der Medizin bedeutsamen Sammlung übernommen, die zunächst erfasst, konserviert und katalogisiert werden musste. 1980 machte sie die ersten 800 Exponate in Heidelberg der Öffentlichkeit zugänglich, die danach in vielen anderen Städten im In- und Ausland gezeigt wurden. Seit 1984 ist Inge Jádi mit dem ungarischen Psychiater, Psychoanalytiker und Künstler Ferenc Jádi verheiratet. Gemeinsam analysieren sie die künstlerische Ausdrucksweise in Verbindung mit der Krankengeschichte.

"Man sollte die Arbeiten vorurteilsfreier anschauen, weil in all diesen Dingen etwas Wertvolles über Menschen zu erfahren ist, Menschen, die eine extreme und elementare Belastung erfahren haben," so Jádi. Die Frage, was man 30 Jahre mit ein und derselben Ausstellung macht, wollte sie gerne beantworten. "Mit jeder Antwort stößt man auf eine Vielzahl neuer Fragen." Noch immer mache sie interessante neue Erfahrungen. Das Ehepaar Jádi hat bereits mehrere themenbezogene Ausstellungen und Publikationen von Zeichnungen, Texten und Musik verwirklicht, die im Verlag "Das Wunderhorn" erschienen sind.

Im Herbst 2001 wird die Sammlung ein eigenes kleines Museum im alten Hörsaal der Neurologischen Klinik aus dem Jahre 1880 erhalten. Thematisch wechselnde Ausstellungen und ein entsprechendes Rahmenprogramm sind geplant. Wenn dann ihre berufliche Beschäftigung mit der Prinzhorn-Sammlung endet, will sie sich anderen Dingen zuwenden: "Wissen Sie, das Leben ist ziemlich interessant." (doh)

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Stand: 30. Mai 2000